Im Standard las ich letztens ein durchaus interessantes Interview zum Thema politischem Journalismus im Netz und politischem Diskurs im Netz überhaupt.
Lorenz Lorenz-Meyer plädiert für stärkere Vernetzung und einen „politischen Perlentaucher“, dazu verstärkte Partizipation von Experten zu den jeweiligen Themen, Mut zum Kommentar und zur Transparenz. Und er warnt vor der „Individualisierung der Information“, was mich an meine gern gepflegte These der „Herstellung von Normalität“ durch das Netz erinnert:
„…das sehe ich auch als große Gefahr, dass man nur noch das geliefert bekommt, was man bestellt hat und was einem genehm ist. Den Hinweis auf Dinge, die uns zunächst mal unbequem sind, brauchen wir unbedingt.“
Das geht dann aber weiter mit dem Verweis, dass das Netz die Finanzkrise verpasst hätte und mit der allgemeinen Kritik, dass Netzdebatten in der Regel noch selbstreferentiell bzw. eben insbesondere auf Netzthemen bezogen ablaufen.
Das glaube ich zum einen nur bedingt – es mag in der Tat zutreffen, dass der größte Teil der entsprechenden Debatten nicht von sehr tiefem Expertenwissen geprägt sind, aber ich denke, das ist ein generelles Phänomen.
Was ich indessen eher glaube: die „selbstreferentiellen Netzthemen“ sind deswegen überrepräsentiert, weil sie noch eine gewisse Aussicht auf Erfolge bzw. erfolgreiche Durchsetzung von Verbesserungen bieten. Selbst dort ist es schwer genug, aber immerhin kann gelegentlich die Expertise ausgespielt und auch konstruktiv eingebracht werden. Unter anderem wegen einer nach wie vor noch einigermaßen gegebenen Mehrheitsfähigkeit der durchzusetzenden Standpunkte unter den „Netisens“.
Dass so etwas möglich ist, scheint mir jenseits der Netzthemen unwahrscheinlich. Insbesondere sehe ich keinen Unterschied in einer Netzdebatte und dem Einberufen eines Expertengremiums, ausser natürlich, dass der Einfluss des letzteren immer höher sein wird und man sich ersteres daher nicht wirklich sparen muss, im Gegenteil. Aber den Einfluss auf konkrete politische Entscheidungen braucht man eben nicht allzu hoch einschätzen.
Ganz wohl ist mir dabei nicht und ich mag an sich Lorenz-Meyers Statements, allein, ich kann grade nicht so recht an ihre Perspektive glauben. Was mir komisch vorkommt, weil ich ansonsten eigentlich sehr an demokratisierende Potentiale des Netzes glauben mag. Ich muss zugeben, meinen eigenen Pessimismus in dieser Sache nicht recht zu verstehen.