Kurz vorweg die Übersicht:
1. Disclaimer
2. Eindrücke und Gedanken zu Spack0 und Spackengesprächen
3. Bisheriger Stand der Spackeria-Debatte
4. Kritik 1: inhaltliche und theoretische Leere
5. Kritik 2: Leute, die übers Ficken reden wollen
6. Ausblick (Utopieformulierung in einem extra Beirag)
1. Disclaimer
Warnung/Peitsche: Das folgende wird teilweise böse und ad personam, dreisterweise bring ich das trotz zügigem Verlassen der Spack0 nach zwei Vorträgen wegen derbster Unergiebigkeit. Ich bin der Ansicht, das muss man abkönnen, wer anders denkt, anderswo weiterlesen oder hinterher nicht heulen.
Obligatorisches Zuckerbrot: über kompletten Schwachsinn schreibe ich keine zwei längliche Blogartikel (Warnung: ja, die werden länger), also auch nicht heulen, denn wenn ich etwas soviel Lebenszeit opfere, nehm ichs immerhin ernst.
Thematische Vorwarnung: Ich bin der Ansicht, einige Punkte der Spackeria sind höchst diskussionswürdig, weiter, dass dort aber einige Vollspacken im Wortsinn rumrennen und man in der Folge vorsichtig sein muss, wem man da seine Zeit opfert und mit wem man sich gemein macht. Naturgemäß widme ich mich meiner Ansicht nach diskussionswichtigem Input positiv und den anderen Punken gegenüber amüsiert bis verärgert. Auch hier: wer was anderes vorzieht, tschüss.
Datalove: Wer denkt, hier sind ein paar kopierwürdige Sachen für Spackenplattformen: feel free to copy, Do What The Fuck You Want To, Quellenangabe optional. Mir liegt dran, dass die Spackendiskussion auf höherem Niveau geführt wird und entsprechend hab ich ein Interessse an der Verbreitung meiner Gedanken zum Thema.
2. Eindrücke und Gedanken zu Spack0 und Spackengesprächen auf dem 28c3
Erstes Bällebadmeeting mit @fasel, @sofakissen, @mspro und anderen war fein, wobei wir eben insbesondere halt so gequatscht haben, ein wenig Stand der persönlichen Sicht der Dinge und ein bisschen Hintergründe des Keynote-Fails mit Langhans bequatscht. Inhaltlich dachte ich, redet man am Folgetag zur eigentlichen Spack0 etwas detailierter, deswegen ließen wirs auch an der Oberfläche.
Allein, das kam anders. Ich zitiere mich, erste Notiz zum Vortrag von @tante: „…wir haben genug vereinfachende Scheisse gelesen und vor allem haben wir genug Pseudogegensätze aufgemacht. Ich sehe nach wie vor nicht, wo die Widersprüche sind bzw. wo die „Post-Privacy-Chancen“ nicht in einer ansonsten datenschüzenden Infrastruktur umgesetzt werden können.“
@tante machte das bei Plomlompom schon angesprochene Problem der ungleich verteilten „Datennmacht“ auf: Informationen sind ungleich verteilt, das schafft ein Machtungleichgewicht, das aufgehoben werden muss. Ein Haupthemmnis dabei ist der Datenschutz (das allgemein formulierte Spacken-These), @tante sprach vor allem auch die zentralisiert gesammelten Daten der „big player“ an und brachte utopische Ansätze aufs Trapez, wie beispielsweise die Analyse der Daten Googles durch alle möglich sein könnte, wenn es entsprechende APIs mit weitreichendem Zugriff gäbe. Generell gehe es um eine „fairere Verteilung der Daten“.
Wie eingangs bemerkt: das ist allgemeines Bla, das aber immerhin das Feld aufmacht, auf dem man sich bewegt. Meine Frage bzw. Statement dazu ist, dass das eben besagtes, allgemeines Bla ist und ich mich nach wie vor frage:
Welches sind die konkreten Probleme, die mit der Lösung „Post-privacy“ erschlagen werden sollen?
Der Folgevortrag war die größte Scheiße, die ich mir je auf einem Kongress antun musste, und ich hab viel Scheiße gesehen. Anschließend musste ich weg, weil ich schlicht sauer war. Nach dem, was ich auf Twitter zu den Folgegeschichten las, wäre ich später möglicherweise weniger verärgert gewesen, aber inhaltlich auch nicht unbedingt weitergekommen. Stattdessen hatte ich aber ein längliches Gespräch auf dem 28c3 mit einem weiteren Spacken, das ich auf die eine oder andere Weise recht erhellend fand.
Hier wurde (wie auch schon bei Plomlompom, wie auch schon bei @tante) das Fass der Diskriminierung und Erpressbarkeit aufgemacht sowie das des befreienden Aspektes von Öffentlichkeit bei ansonsten als problematisch konnotierten Situationen, Interessen, Orientierungen etc. Musterbeispiel Homosexualität, die lange eben Tabuthema war und deren „Normalisierung“ eben durch die Offenlegung des als „privat“ gesehenen Problems zu Akzeptanz und der von mir ebenfalls gerne betrachteten Herstellung von Normalität beitrugen. Musterbeispiel ist das in der Tat, weil sie eben als privat wahrgenommen (bzw. diskriminiert) wird und mit den Mechanismen/Themen wie Outing, Zwangsouting, Konfrontation die Öffentlichkeit mit Themen und Inhalten konfrontiert, die letztere an sich nicht wissen oder verdrängen will. Nur ist das ein Prozess, der seine stärksten Umwälzungen in einer Vor-Internetzeit bewirkte und daher meiner Ansicht nach nur höchst bedingt als Beispiel taugt. Im Gespräch gings dann um ADS, Kinky/SM und Polyamory, und da gibts meiner Ansicht nach wenig bis keine Übertragbarkeit, dazu später mehr. Es folgen bis Tag 4 einige weitere Gespräche mit spackerie-nahen und weniger nahen Leuten, deren Inhalte in den Restpost mit einfließen.
3. Bisheriger Stand der Spackeria-Debatte
Der steht nach wie vor bei Plomlompom. Besser und detailierter hatte ich keine Position ausmachen können, die grundsätzlichen Fragen nach der konkreten Utopie des PP-Ansatzes, die schlicht falsche und unsinnige Gleichsetzungen von Privatsphärekonzepten und ihrer Aufhebung mit der Aufhebung beliebiger Datenschutzbestrebungen, die Ansätze zur Herstellung von „Informationsfairness“, die eben vollkommener Blödsinn bleiben, solange man außer Acht lässt, dass die einen diese Informationen verarbeiten und verwerten können und wollen und die anderen nicht, sogar die Positionierung zu einfachsten aktuellen Diskussionsbeispielen wie „Was ist mit dem Facebook-Likebuton auf Webseiten und wie wirkt sich welche Methode auf die diagnostizierten Informations-Ungleichgewichte aus, was wäre eine „spackentypische“ Umsetzung?“ – Fehlanzeige. Nach wie vor sind die Hauptsätze, die einigermaßen sicher zu sein scheinen:
– Privatsphäre ist ein (bürgerliches) Konstrukt der Moderne und nicht per se gesellschaftsinhärent/normal/nicht begründungsbedürftig
– Privatsphäre und Datenschutz können als Herrschaftsinstrumente genutzt werden, insbesondere, wenn sie
– zur Entsolidarisierung und horizontalen Vereinzelung von Gruppen bzw. deren Mitgliedern führen und/oder
– Ungleichgewichte im Zugriff auf Informationen schaffen, die zum Vorteil einzelner Akteure/als Herrschaftswissen genutzt werden können.
Das ist alles schön und diskussionswürdig. Das intellektuelle Rüstzeug und das notwendige Theoriewissen konnte ich bislang nirgendwo in der Spackeria ausmachen, teils eben bei Plomlompom, der aber wie gesagt auch bei der Analyse teilweise trivialster Zusammenhänge bzw. Nichtzusammenhänge scheitert (oder selbige absichtsvoll ignoriert). An der Stelle ein Rat bzw. etwas drastisch formuliertes Fazit:
Bitte macht euch ein wenig kompetent, bevor die Diskussion weitergeht, oder übergebt selbige an Leute, die über die notwendigen intellektuellen Ressourcen verfügen, um sie zu führen. Das meine ich ernst! Ich halte es für gemeingefährlich, eine wichtige Debatte wie die um Datenschutz beeinflussen zu wollen, ohne elementare Dinge begriffen zu haben.
4. Kritik 1: inhaltliche und theoretische Leere
Die klang nun ja schon bereits an. Die Spackeria ist nicht in der Lage,
– einen einigermaßen stringenten Ansatz zu formulieren, der zumindest die Probleme konkretisiert, die mit ihren vorgeschlagenen Lösungen angegangen werden könnten
– eine Theorie zu formulieren, die Machtungleichgewichte angesichts datenschützender Strukturen beschreibt und in der Lage ist, entstehende Ungleichgewichte durch fehlende öffentliche Verfügbarkeit und entstehende Ungleichgewichte durch eben die Herstellung dieser Öffentlichkeit von Informationen zu unterscheiden
– an einfachsten aktuellen Diskussionen eine stringente Position zu entwickeln, die tatsächlich neue Sichtweisen und eine Theoriefindung notwendig macht bzw. ermöglicht
– eine konkrete Utopie vorzustellen, an der man zumindest beispielhaft sieht, wie eine Post-Privacystruktur bestehende Machtungleichgewichte durch Datenverfügbarkeit und Datenschutz aufgehoben hat.
Einen der Punkte will ich nochmal spezifizieren: es bringt auch niemand fertig, Ansätze zu formulieren, die nicht mit der allgegenwärtig möglichen wahlweise anonymen/pseudonymen oder auch öffentlichen Vernezungsmöglichkeiten abgebildet werden können. Das geht bis dahin, dass mir von sozialen Plattformen erzählt wird, auf denen Menschen inzwischen ihre Kinks eintragen (UNGLAUBLICH!!!eins) und sich mit ähnlich orientierten anderen Nutzern ausauschen können (DAS GIBTS ECHT SCHON???ßß). Ich musste während des Gesprächs wirklich viel nachdenken (es gibt Zeugen) und neige bei Gesprächen zu mir neuen Themen dazu, die Statements anderer stark und positiv zu interpretieren (weil man so am ehesten was neues lernt), nach eingehender Überlegung komm ich trotzdem zum Schluss, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Schwachkopf geredet habe. Dazu geich ein wenig mehr.
5. Kritik 2: Leute, die übers Ficken reden wollen
Wer geich hierhergescrollt hat, weil hier übers Ficken geredet wird: was vorher kam, ist wichtig fürs Verständnis. Außerdem bist du ein Idiot.
Vorneweg: das Thema Sex ist in dem Kontext vollkommen naheliegend und diskussionsfähig aus mehreren Gründen.
– das „Musterbeispiel“ Homosexualität ist entsprechend besetzt
– Sexualität als Kernbereich des „Privaten“ ist naheliegende Muster-Thematik (neben beispielsweise Krankheiten, Lebensstilen etc.)
– Sexualität ist extrem durch gesellschaftliche Normierung und damit Machtstrukturen besetzt,
– ihre öffenliche Darstellung/Thematisierung und die gelebte Wirklichkeit hat teilweise extrem wenig miteinander zu tun und sie ist in
– zahlreichen Varianen skandalisierbar und damit wiederum ein Macht- und Disziplinierungsinstrument.
Wie gesagt, daher vollkommen legitimes Thema. Die Spackeria scheint nun insbesondere in Berlin recht polyamorisch und/oder kinky dominiert zu sein, auch das wunderbar (nur schon etwas seltsam, dass das so wenig direkt nach außen thematisiert wird von einer „Post-Privacy“-Gruppierung).
Dann dieses eine Gespräch (ich weiss wirklich nicht, wer das war und muss es auch nicht wissen), wo es eben an diesen Beispielen um die Aspekte der Hersellung von Normalität, der Anerkennung individueller Lebensstile und der Aufhebung von Erpressbarkeit ging. Krankheiten und Sexualität waren die Beispiele, ein offener Umgang und eben auch die herstellung von Öffentlichkeit gefordert, die eben zu dieser Normalität führen, die ihrerseits ermöglichen, dass Schwule heutzutage etwas bessere Verhältnisse vorfinden als in den 60ern (richtig) und Depression vom Tabuthema zur „Volkskrankheit“ wurde (nun ja…) sowie das Ganze eben an der zunehmenden „Entprivatisierung“ entsprechender Themen führte und selbige auch in anderen Bereichen notwendig ist (starke These und in der Pauschalität schlicht Blödsinn).
Was sich halt herausstellte, ist eben, dass selbst in einem so dankbaren Bereich wie der Sexualität die vorgebrachten Thesen und Ansätze schlicht größtenteils unreflektierte Scheiße sind. Beispiele? Normalisierung von Kinky-Lebensstilen: alles im Netz auch pseudonym möglich. Öffentlichkeit von Kinky-Lebensstilen: Blödsinnige Übertragung des Homosexualitätsdiskurses, weil der Partner in gesellschaftlichen Öffentlichkeitskontexten eben auf unterschiedliche Weise interessiert (zu sozialen Anlässen, steuerlich, rechtlich usw) und das, was man sexuell so unernimmt, nicht. Trotzdem-Übertragung am beliebigen Fetischbeispiel: Es ist Schwachsinn, sich über die Diskriminierung an einem Bankschalter-Arbeitsplatz zu verbreiten, weil man kein Latex oder als Kerl keine Damenwäsche tragen darf, man muss verdammt nochmal seine Ohrringe rausnehmen. Weiter siehe oben: es gibt einen Unterschied im Auslebenkönnen einer Partnerschaft und dem der zugehörigen Sexualiät. Erstere braucht Gleichberechtigung in der Öffentlichkeit, zweitere nicht. Im Gegenteil sehe ich es als höchst schützenswerten, von mir als durchaus persönliche Freiheit wahrgenommenen Aspekt der Öffenlichkeit, in selbiger nicht gegen meinen Wunsch mit ausgelebter Sexualität konfrontiert zu sein.
Spätestens hier sollte man das Thema Sex aus Spackensicht beerdigen und sich den tatsächlich vorhandenen Problemen widmen, alleine, ich hab das Gefühl, daran ist das Spackeninteresse so hoch nicht wirklich. Wer mir von der Existenz von Fetischplattformen erzählen will und mir auf ein „Ich glaube, ich kenn da ein paar seit einiger zeit schon“ sich über ihre Features verbreiten will, will halt über Fetischplattformen reden. Wie gesagt, das ist vollkommen in Ordnung, aber er soll dann bitte keine allgemeinen Theorien auf das Datenschutzverhalten und die Datenschutzpolitik einer Gesellschaft und ihrer Miglieder ableiten.
Soweit, sogut? Ich hab eben mit einem Spacken im Wortsinn geredet, der zu dezentem Verbalexhibitionismus neigt und sich mit ein wenig Theoriegetue den Anschein geben will, es geht ihm neben dem Ficken auch das Wahre, Schöne und Gute? Bedingt, denn jetzt fang ich mal mit dem Schlüsseziehen an und dann kriegt beispielsweise die missglückte Langhans-Einladung eine komplett andere Perspektive. Oder sowas wie das auf Twitter gerne geangespielte Fickileaks – ein Konzept eines Netzwerks, in dem Fickverdachte gecrowdsourced werden können. Wenn man hört, was es damit auf sich hat, ists witzig, wenn man den Polyaspekt sieht, kriegts ne weitere Dimension, wenn man dann aber den Raum der Darstellung des vermeintlichen internen Nerdjokes und der Fick- und Fetischthematik vergleicht mit dem Aufwand, der für eine einigermassen solide Positionsfindung sowohl netzöffentlich als nun auch in der Diskussion betrieben bzw. eben nicht betrieben wird, dann beginnts, gruselig zu werden.
Mein persönlicher Eindruck ist dann, dass sich da Leute treffen, die halt übers Ficken reden wollen und den Sprung von der Theorie zur Praxis auch gern mitnehmen, wenns sich dann ergibt. Nochmal: das ist eine wunderbare Sache, dafür darf man auch Kongresse abhalten, ich würde aber darum bitten, dass anschließend kein Anspruch auf das Ernstgenommenwerdenwollen abgeleitet wird. Ich geb wenig über die öffentlich geäüßerte Begeisterung über einen Vortrag oder eine These, wenn ich nicht weiss, obs da um den Inhalt oder den latenten Fickwunsch mit Vortragenden geht.
Auch hier nochmal: ich will nicht unterstellen, dass das so zutrifft. Ich will nur klarstellen, dass sich mir dieser Eindruck vermittelt und ich möglicherweise nicht der einzige bin, dem es so geht. Ich will auch klarstellen, dass ich aktuell ziemliche Bedenken habe, eine ernsthafte Diskussion der Spackeria-Thesen mit ausgewiesenen Spackos zu führen, weil (abgesehen von den angesprochenen, gelegentlich beobachtbaren intellektuellen Defiziten und der sich dadurch ergebenden Fruchtlosigkeit der Unterhaltung) mir die grundlegenden Motive der Leute unklar sind und ich kein Interesse daran habe, mich mit Leuten über die Effekte auf Machtstrukturen durch die Offenlegung des Facebook Social Graphs zu unterhalten, denen es nicht um die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen, sondern sich dadurch für sie persönlich ergebende Fickchancen geht.
6. Ausblick (Utopieformulierung in einem extra Beirag)
Gelernt hab ich durchaus sehr viel bei den verschiedenen Gelegenheiten. Nicht immer das, was möglicherweise vom Gegenüber vermittelt werden sollte, aber ich finds fein. Und wie eingangs bemerkt: das Thema als solches beschäftigt mich durchaus, ich will mich im Folgenden an einem Ansatz einer konkreten Utopie versuchen. Ich weiss grade nur nicht so recht, mit wem ich mich drüber kloppen will.
Mir vermittelt sich der Eindruck du kritisierst hier inhaltliche Tiefe, während sich deine Argumentation oben im wesentlichen auf „Schwachsinn“ schreien beschränkt.
Ich hab den Verdacht, mehr als das „Schwachsinn“ hast du nicht gelesen und/oder verstanden, denn ich mach eine ganze Latte Punkte, Thesen etc. da fest, die zu strukturieren ausser Plomlompom bei der Spackeria sonst kaum jemand bislang auf die Kette bekommen hat.
Ich mach mir selten die Mühe, ein Blogpost derart zu strukturieren, Hauptpunkte aufzulisten, Thesen zu benennen usw., von daher: das Problem scheint nicht an meinem Ende des Internets zu sitzen.
Vielleicht kann ich auch nicht lesen (es waren vier lange Congress-&-Co-Tage, ich bin noch etwas benommen), aber sehe ich das richtig, dass sich deine Rezeption der Spackeriade auf die 2. Session (von Jürgen Geuter) und den Anteil der 3. (von Heide Hagen) beschränkt, den du aushalten konntest, bevor du frustriert von dannen zogst — also anderthalb von neun Sessions?
(Ich konnte mit Heide Hagens Session übrigens auch wenig anfangen. Aber gut, ich habe qua Einreichungs-Text für sie gestimmt, insofern muss ich das wohl runterschlucken ;-) )
Die vom Kongress ja, vollkommen richtig. Folgegespräche am Folgetag kamen dazu plus Verfolgen der Tweets zum Thema, und wenns irgendwo einen inhaltlichen Fortschritt gab, freue ich mich, von selbigem zu hören.
Angemerkt aber: mir gehts absolut nicht um einen Verriss der Spackeriade (das war von den Eindrücken her eine prima gemachte Veransaltung), sondern um die Wahrnehmung der Spackeria, dem argumentativen Level ihrer Diskussion sowie einer Reihe von Hintergründen, die nicht nur mich gelegentlich stuzig machen, insbesondere bei einer Gruppe, die sich die Öffentlichkeit und Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat :) Und bei aller ober- und unterschwellig agressiven Argumenation: mir gehts durchaus um nen konstruktiven Beitrag zur Theorie- und Standpunktentwicklung.
„Informationen sind ungleich verteilt, das schafft ein Machtungleichgewicht, das aufgehoben werden muss. Ein Haupthemmnis dabei ist der Datenschutz.“
Ich sehe hier keinen validen logischen Schluß. Beim Datenschutz geht es zunächst einmal darum, mich als Bürger davor zu schützen, dass mit Informationen, resp. meinen persönlichen Daten, nicht schandhaft gegen mich vorgegangen wird. Die Aufhebung einer Gesetzgebung, die das unter Strafe stellt, würde nicht logischer Weise zu einem Machtgleichgewicht in der Informationsverteilung führen, sondern im Gegenteil das Ungleichgewicht noch dadurch verstärken, dass ich mich gegen Mißbrauch gar nicht mehr zur Wehr setzen kann.
Es wird immer so sein, dass diejenigen mit der größten Macht, mit dem meisten Geld auch die besten Möglichkeiten haben werden, Daten zentral zu verarbeiten, auszuwerten und für die eigenen Zwecke zu verwenden. Noch immer sind es diejenigen, die mich am besten unterdrücken, erpressen, ausnutzen und diskriminieren können, sobald sie erst im Besitz meiner Daten sind. Gibt es keinen Datenschutz mehr, tun sie es legal und ohne eine rechtliche Möglichkeit zur Intervention meinerseits. Daraus folgt für mich im logischen Schluß eine Verschärfung des Ungleichgewichts und keine Aufhebung. Der oben zitierte Schluß ist nicht valide.
Ich kann den Wunsch nach einer Gesellschaft, in der sich niemand mehr für seine eigenartigen Vorlieben schämen muß, sehr gut verstehen. Ich sehe aber nicht, dass uns das Agieren der Spackeria besser oder schneller dorthin führt, als es die Werte des Datenschutzes tun. Der Wunsch nach Schamfreiheit menschlicher Eigenarten steht meines Erachtens nicht im Widerspruch zum Datenschutz. Daher sehe ich keinen Sinn in der expliziten Abgrenzung der Post-Privacy-Bewegung vom Datenschutz.
Um der genannten Utopie näher zu kommen, hilft es m.E. nur, Vorreitern, Leuten, die sich freiwillig Outen, den Rücken zu stärken, sie vor Diskriminierung aktiv zu schützen, damit sie Vorbild für ein breiteres Publikum sein können, ohne übergebührlich darunter zu leiden. Wir brauchen einen Dialog über und sachlichen Umgang mit menschliche Eigenarten. Was wir nicht brauchen sind Zwangsoutings, Selbstschuld-Haltungen gegenüber Menschen, mit deren Daten mißbräuchlich Umgegangen wurde und Straffreiheit für Menschen, die mit Daten mißbräuchlich, d.h. zum Nachteil Anderer (des kleinen Mannes) umgehen.
„[…] zunehmenden “Entprivatisierung” entsprechender Themen […]“
Ich finde, hier krankt es auch an einer konsensfähigen Definition von Privatheit. Für mich hat Privatheit etwas mit persönlichen Entscheidungen und Angelegenheiten zu tun, Dingen, die in bestimmten Kontexten nicht bewertet werden sollen, weil sie außerhalb dessen stehen. Wenn sich bspw. meine Frau als Prostituierte outet, dann soll das keinen Einfluß auf mein Anstellungsverhältnis im Betrieb haben, weil es meine Privatangelegenheit ist, wen ich heirate und weil es Privatangelegenheit meiner Frau ist, welchem legalen Beruf sie nachgeht. Es hört nicht auf, meine private Angelegenheit, also Teil meiner Privatsphäre zu sein, nur weil es öffentlich gemacht wurde. Privatheit ist nicht das Gegenteil von Öffentlichkeit. Als das wird es aber innerhalb der „Post-Privacy“-Bewegung immer wieder implizit dargestellt. Ich widerspreche dieser Definition.
Privatheit kann (auf freiwilliger Basis) Teil der öffentlichen Debatte sein, insbesondere sollte der gesellschaftliche Umgang mit menschlichen Eigenheiten wie sexuellen Vorlieben, Krankheiten, Lebensweisen etc. öffentlich thematisiert werden. Der Ruf nach einer Aufhebung des Datenschutzes führt m.E. nicht zu einer sachlichen Diskussion über ethisches Miteinander im Informationszeitalter.
LeV, wir sind da beieinander und thx für die konkreten Beispiele, die du anbringst. Wie gesagt: die Formulierung bzw. Vorbereitung einer positiven Utopie (oder zumindest die Vorüberlegungen zu einer solchen) ist bei mir grade in Arbeit und ich denke, ich kann da morgen nochmal was nachschieben. Da helfen mir deine Einwände grade durchaus weiter, thx.