Ich bin früh dran mit dem „lag ich 2023 richtig?“, aber nachdem ich über lange Jahre zwar den Googlehass zu einer Kernkompetenz entwickelt habe, aber gern und wiederholt für die „Aber Suche können sie!“-These eingestanden bin, muss ich mich inzwischen korrigieren: nein, können sie nicht mehr. Und leider lag ich in mehrfacher Hinsicht richtig: bei Google weiß man heute nicht mehr, wie ihr Kernprodukt eigentlich funktioniert und man kann es auch nicht mehr aussteuern oder verbessern. Und das ist schlecht. Also, richtig schlecht, und ich ahne, dass das Netz dadurch nochmal deutlich beschissener wird.
Was bringt mich auf das schmale Brett? Die These vertrete ich schon eine Weile, aber so das „Verdammt, es stimmt“ war letzte Woche beim Lesen hiervon. Anders als die Überschrift suggeriert, gehts weniger um ein „Google-Update kommt, die und die Qualitätsmerkmale werden gewichtet“, sondern das Eingeständnis einiger prominenter Google-Verantwortlichen, dass sie bekanntermaßen gute, hilfreiche Seite nicht adäquat einranken können und auch nicht wissen, ob und wann das je wieder möglich sein wird. Ein so unverklausuliertes wie nur denkbares „Euer Zeug ist gut, wir würden das gern in der Suche entsprechend auffindbar machen, aber wir kriegen es nicht hin. Wir wissen auch nicht wann, macht besser erstmal irgendwas mit Holz, weil mit euren Webseiten wirds erstmal nichts mehr, tut uns allen sehr leid.“
Ich meine, was? Also Was? zum? Fick? Fucking Danny Sullivan sagt allen anwesenden Akteuren, deren Inhalte im Orkus verschwanden, dass das Problem bei Google liege? Dass anhand dieser konkreten Seiten der Algo debugged werde, aber trotzdem keine Hoffnung für eine Lösung durch die kommenden Updates bestehe? Gleichzeitig bestreitet ein „Chief Search Scientist“, dass Seiten überhaupt sitewide runtergerankt werden könnten, vor einem Panel aus Leuten, die eingeladen wurden, weil ihre Seiten sitewide runtergeranked wurden? Pandu Nayak verkündet, dass ein lebendiges Web-Ökosystem die treibende Kraft für Google sei, dass es einen Haufen großartiger Inhalte im Netz gebe, die sie aber in der Suche leider nicht ausspielen und das sei eben das Ergebnis der „unglücklichen Situation, in der wir hier arbeiten“, und dass sich deswegen wahrscheinlich auch nichts ändert?
Ich habe selten so eine vollständige Bankrotterklärung in Bezug auf das eigene Kernprodukt gelesen. Und das von namhaften Leuten und Sprachrohren des Unternehmens, nicht etwa via einem frustrierten, anonymen Word of Mouth eines „mit der Sache vertrauten Angestellten“. Währenddessen fällt man bei Google auf Spammer rein, die AI-generiert Halloweenparaden erfinden, und lässt tausende Leute antanzen. Bei Maps wird die AI beauftragt, die lokalen Businessinfos mit anregenden Tipps anzureichern, weil what could possibly go wrong, und unser einziges Glück hier in .de ist, dass wir nur an sechs Ads vorbeiscrollen müssen und nicht noch auch an einer AI-generierten Antwort. Aber wir wissen ja, This too shall pass.
Nun bin ich ja nicht grundsätzlich technikfeindlich, aber wenn das Kernprodukt grade offenbar irreparabel kaputt zu sein scheint und man nicht weiß, wie man das in Ordnung bringt… wäre es da nicht sinnvoll, Prioritäten zu justieren? Und damit meine ich nicht ein „Weißt du was? Wir zeigen dir einfach mal Zeug ohne deine Suchanfrage, wenn wir das Zeug mit deiner Suchanfrage nicht vernünftig sortiert kriegen, Deal?“ Nun wechselte Google vor Kurzem den Chef der Suche aus, und wisst ihr was? Während der bisherige Chef sowohl Chef von Suche und Ads (…ein Schelm…) war, ist der neue Chef der Chef von Suche, Ads und …wait for it!, „Commerce“! Und war federführend in der Entwicklung von Googles „AI Roadmap“. Weiterlesen