Mit der Ermahnung an die Klappentextschreiber fang ich an, denn da liegt was im Argen. Also, Klappentextschreiber: Ich freue mich, dass ihr alle euren Gernhard gelesen habt und euch seine Ermahnung zu Herzen genommen habt, komisches einfach auch mal nur komisch zu finden, statt mit dem „Lachen, das im Hals steckenbleibt“ oder irgendwelchem „hintergründigen Ernst“ oder ähnlicher Floskelei mehr zu demonstrieren, dass lustig- oder komischsein irgendwie bäh ist und mit irgendwelchem dahinterliegendem Ernst irgendwie geadelt werden muss. Wie gesagt: fein. Wenn was lustig, witzig, komisch ist, kann man das sagen. Irgendwann erklär ich euch noch, was alles *nicht* lustig, witzig oder komisch ist und wo man ruhig schreiben kann, da versuchts wer, ist aber nur peinlich, abgedroschen, scheiße, Mario Barth oder alles zusammen.
Jetzt zu Bernhard. Wenn ich Bernhard-Klappentexte lese, dann stehen da immer zwei Dinge. Einmal, dass Bernhard wie keiner die Kunst der Übertreibung als Stilmittel verwendet, beherrscht usw. Dann noch, dass er das komische, groteske, absurde Leben zur Komödie übertreibt usw., und wie lustig, witzig, komisch dadurch alles von ihm beschriebene wird. Um den Meister selbst dazu zu zitieren: Es ist zum Kotzen.
Die „…Komödien, zu denen sich die Umstände der ihm verliehenen Auszeichnungen entwickelten…“ beschreibe Bernhard „…lakonisch, auf die gesamte Welt schimpfend und über sich selbst den Kopf schüttelnd…“ himmelherrgottverdammt nochmal! Gucktmal, der Bernhard, ist er nicht süß mit seinen Übertreibungen und seinem wunderbaren Stilmitteleinsatz in seinen grotesken Monologen, über die er schon selber mit dem Kopf schüttelt? Das ists doch, neh? Dass draußen im Zombieland ein Arsch voll Nazis, Katholiken, Staatsbeamten und Kreuzungen aller drei Genres rumlaufen, das ist euch noch nicht aufgegangen? Dass Bernhards Polemiken über eine verrottete Kulturindustrie, über verblödete Massen, zu all den reaktionären, heuchelnden, sonstwie widerlichen Zeitgenossen, auf die seine Protagonisten permanent stoßen, kein Ergebnis von Übertreibungen und Zuspitzungen sind, sondern dass einem alle naselang exakt die von ihm beschriebenen Typen über den Weg laufen? Ists euch besser, wenn dem Leser vor jedem Bernhard-Text ein großer Esslöffel „Er meint das alles nicht so schlimm, in Wirklichkeit ist alles viel besser als Bernhard es schildert, seine Abgründe sind eben Übertreibung, Stilmittel, Zuspitzung, also, nicht beunruhigen lassen, amüsieren Sie sich gut und kaufen Sie noch einen.“ eingeflößt wird? Kanns nicht sein, dass der Mann recht hat? Dass er einer der wenigen ist, der eben nicht übertreibt, eben nicht schönmalt, sondern die Scheiße so aufschreibt, wie sie eben auch passiert? Dauernd, überall, und nicht mal nur in Österreich? Aber ihr wollt seinen Zorn sicher trotzdem lieber weiter klein, gefinkelt und niedlich schreiben. Und gerade deswegen hat Bernhard recht, und gerade damit bestätigt ihr, was er schreibt.
Trotz der wie immer scheußlichen Klappentexte ist „Meine Preise“ großartig und macht Freude auf mehr aus dem Nachlass. Eine Welt mit mehr Bernhard-Texten ist eine bessere Welt, man kann ihr nur noch viele davon wünschen. „Meine Preise“ ist ein Zwischending von Anekdoten- und Geschichtensammlung, in der Bernhard in neun Einzeltexten die Umstände, Vor-, Nach- oder sonstwie interessanten Geschichten um oder neben einer seiner Preisverleihungen beschreibt. Das Biografische dran gibt einigen der „typischen“ Bernhard-Auslassungen in den Texten einen ganz eigenen Charme und eine ganz eigene Realität, verschafft neue und, als ein Nicht-Biografieleser in Sachen Bernhard meine ich, auch bessere Perspektiven auf die in seinen anderen Texten gepflegten Feindbilder und Themen.
In den Geschichten gehts dann natürlich oft ums Geld, das Bernhard nötiger braucht als die Ehrung, auf die er – naturgemäß – in der Regel wenig gibt. Wenig bis gar nichts, was beispielsweise besonders für die herrliche Geschichte um den kleinen – den kleinen! – österreichischen Staatspreis für Literatur gilt. Den empfand er als Affront, die Jury hingegen empfand seine Rede auf der Verleihungszeremonie als solchen, und der Geschichte verdanke ich auch, dass ich das Buch leider schon in einer Nacht in einem Zug durchlesen musste, obwohl ich Schlaf nötig gehabt hätte. Die Geschichten sind nämlich irgendwann zu Ende und es schließen sich einige Preisreden Bernhards an, unter anderem die zum kleinen österreichischen Staatspreis, die man, liest man Bernhards Bericht von der Verleihung selbst, sich sehnlich in die Hand wünscht, um nachzuforschen, ob man nun Bernhard und seine Verwirrung ob der entrüsteten Reaktionen auf seine Worte besser verstehen kann oder die zornige und gar die Festivität verlassende Prominenz während Bernhards Ansprache.
Das man nach den Geschichten auf einmal die ersehnten Reden und Stellungnahmen Bernhards auch in der Hand hat, macht einen weiterlesen, und dann kann man auch gleich das Nachwort zur Edition lesen, das ist nämlich interessant. Dann ist es spät in der Nacht, man sollte eigentlich längst schlafen und hat dazu auch einen Bernhard weniger, den man in seinem Leben noch neu lesen kann. Das ist das Schlimme an dem Buch. Das, der Klappentext und das Gefühl, dass Bernhard wohl recht hat mit vielem, was manche andere gern zum Stilmittel kleinquatschen.
Danke für den Tipp, bert.
Thomas Bernhard, Meine Preise. Gebunden, EUR 15,80. Vorsicht, auf Amazon gibts Klappentexte.
One Response to Thomas Bernhard, Meine Preise. Rezi und eine Ermahnung an die Klappentextschreiber