So, die HAR ist rum, fein wars fast immer. Ein Roundup, vermischte Themen, ich fang mal mit den Sachen an, die mich „ernsthafter“ beschäftigen, Lenin kommt später.
Einmal: Lockpicking. Den Contest hab ich jetzt nicht mehr mitbekommen, aber eine schöne Präsentation. Die Niederländer von Toool.nl haben die ganze Geschichte auf der HAR organisiert und berichteten von größeren Fortschritten in der Beziehung zwischen Schlossherstellern und Lockpickern, und man kann sogar in absehbarer Zeit einen europäischen Lockpicker-Contest in Istanbul ausrichten. Das spannendere: sie berichteten von einigen Exploits gängiger Schlösser und der anschließenden Problembehandlung durch die Hersteller. Ein Beispiel von einigen, die vorgeführt wurden:
Das war der zweite Angriff auf das genannte System, im Zuge der Geschichte mussten *einige* Schlösser ausgetauscht werden. Mit diesem Hersteller lief die Kommunikation offenbar gut, mit anderen ists problematisch und man erkennt Prinzipien, wie sie auch im Hacking- und Virii-Bereich bekannt sind und nun auch in diesem Feld offenbar zum Normalprozedere werden: die Diskussion geht los, wann man einen gefundenen Exploit veröffentlichen darf, wieviel Zeit man dem Hersteller geben soll für einen Fix, wie sollte der Informationsfluss aussehen (beispielsweise, wenn der Hersteller unkooperativ ist und nicht sagen will, *wie* sein Update gesichert wurde)? Für einige scheint auch in dem Bereich Security by Obscurity Mittel der Wahl zu sein, während es auch offenbar einige „Blackhat-Lockpicker“ gibt, die 0day-Exploits verbreiteter Systeme auf Youtube veröffentlichen und schauen, wie das Chaos bzw. die Panik ausbricht. Ich wage die Prognose, dass irgendwann jemand auf die Idee kommt, dass derartige Informationen irgendwie gesperrt werden müssen.
Hackerjeopardy. Ich war enttäuscht! Die erste Runde war richtig fein, dann ließen sie Enno nicht mitmachen, weil der schonmal mitgemacht hätte, und ich weiß, daran lags nicht, aber da flachte alles irgendwie merklich ab. Klar ists einfach, nicht mitspielen und kritisieren, aber es erstaunte mich dann schon, was alles nicht gewusst wurde und auch im Publikum nicht (wirklich) bekannt war. Die Juliamenge! Doug R. Hofstadter als Autor von Gödel, Escher, Bach! Neal Stephenson als der von Snow Crash! Die jungen Leute lesen nicht mehr, wurde gelegentlich konstatiert. Aber irgendwie wars manchmal schon ein wenig komisch. Mal sehen, wies auf dem Congress wird.
Was anderes, was ich zum ersten mal sah – wers kennt, sorry – , noch nie gesehen und sehr strange: Silent Disco.
An sich Disco – nur hört man nichts. Die Leute tanzen, jubeln, Licht und Nebel gibts, aber der Sound sind die Umgebungsgespräche, weil die Tanzenden zwar alle denselben Sound hören, nur eben über Funkkopfhörer. Vermutlich flashmobtauglich, vermutlich auch schon passiert, ich bin grade zu faul zum Googeln. Es folgt die einzige erträgliche Nachtaufnahme, die ich mit einem iPhone der ersten Generation zustande gebracht habe.
Da stiefelte ich gerade von der österreich-italienischen Front zur Botschaft von Sowjet-Unterzögersdorf, die erfreulicherweise auch präsent war. Die Italiener hatten am letzten Abend eine Grappaparty ausgerichtet und die Österreicher, ich glaube, in der Hauptsache Metalab, hatten ihnen im Vorfeld den Krieg erklärt. Die Kartoffelkanone wurde mit Leucht-Plastikschläuchen geladen und bestückt, und dann… nun ja, dann zeigte sich, warum sich beispielsweise deutsche Militärtechnik an einigen Fronten dieser Welt zurecht größerer Beliebtheit erfreut: das Ding ging nicht los. Technik, die begeistert – es dauerte ungefähr eine Viertelstunde, bis man das Teil zum Abschuss brachte, ich ließ mir hinterher von einem Zeugen von der anderen Seite der Front berichten, dass man den Angriff leider nicht mitbekommen hätte. Ich bin aber geneigt, das auf den Grappa zu schieben, denn der Einschlag der Leuchtmunition schien mir aus meiner Perspektive doch recht gut platziert.
Bernhard hat recht, mit Österreich liegt nach wie vor einiges im Argen, selbst das mit dem Imperialismus haut nicht wirklich hin, auch wenn ein anderer Kleinstaat unter selbigem schwer leidet. Sowjet-Unterzögersdorf entsandte seinen Botschafter, von dem ich seit seiner Ankunft nichts mehr gehört hatte. Etwas abseits fand ich dann aber doch die sowjet-unterzögersdorfsche Botschaft. Ein leuchtendes Fanal der Hoffnung inmitten technoid-dekadenter westlicher Übermacht!
Dem Grundübel des Kapitalismus – Überproduktion – wurde auch innenarchitektonisch ein klares Signal entgegengesetzt: schlichte Repräsentationen der Sowjetidee, deren Überlegenheit gerade durch die völlige Zurücknahme auf ihre Symbole inmitten einer von Warenästhetik überschwemmten Umgebung umso heller erstrahlt, begleitet vom Koffer, der die unaufhaltsame Reise der kommunistischen Idee rund um den Erdball symbolisiert.
Die Härte des Kampfes wurde mir trotz der schlichten Strahlkraft dieser Insel des kommunistischen Ideals schnell wieder bewusst. In einem Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter musste ich erfahren, dass die triumphale Ankunft der Repräsentanten der letzten sowjetischen Enklave damit endete, dass der Sekretär des Botschafters in den See geworfen wurde. Im Sinne des fortzusetzenden Kampfes gaben wir uns mitnichten dem Beklagen der herrschenden Verhältnisse hin, sondern erörterten die Saugkraft und Praxistauglichkeit von Klo- und Zeitungspapier in Bezug auf die zu trocknenden Schuhe, die angesichts der noch herrschenden Knappheit in Sowjet-Unterzögersdorf am Folgetag einsatzbereit sein mussten. Ich bin sicher, dass eine Lösung gefunden wurde, selbst in einem Umfeld, das mit Zeitungen nun wenig anzufangen weiß. Wermutstropfen: Leider hatte ich me
inen Pass nicht dabei…(via)
Zum Schluss noch mal das Einhorn, weils tagsüber sogar ein wenig rosafarben (wenngleich noch immer nicht unsichtbar) ist, und…
…nun ja, wie soll ich sagen. Es sind diese Geschichten, die mir irgendwie viel Mut und Hoffnung machen. Ein Haufen fitter Leute, die Kunst und Schönheit schaffen und noch das eine oder andere mehr, das ist so der eine Gedanke. Der andere ist ein Comic von Gary Larson, in dem Gott eine Weltkugel in der einen Hand hält und mit der anderen eine Streudose mit der Aufschrift „Jerks“ drüberschüttelt und murmelt „…just to make it interesting.“ Wenn ich ihn ansonsten auch für einen üblen Pfuscher halte: das mit den Jerks hat er hinbekommen.
silent disco is a great way to party :-)
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