…les ich grade beim Telegehirn. Das regt zum Denken an, was ich bei praktisch allen anderen pro-Auslassungen zum Thema bislang vermisste, ob im Netz oder im RL. Beipflichten kann ich dem natürlich nicht, da auch das werte Externdenkorgan den Knackpunkt (wohlweislich) ausblendet – dass eben mitnichten von der Aufklärung für Säkularisierung und gegen Aberglaube, sondern vom einen Aberglaube gegen den anderen gestimmt wurde, und auf dem religiös-reaktionären Altar der Gewinner eben mal schwer erkämpfte, säkulare Gleichheitsgrundsätze geopfert wurden.
Insofern ist das schweizer Ergebnis mitnichten eine Stärkung von Demokratie, Aufklärung und Humanismus. Im Gegenteil zeigt es einmal mehr, dass die religiöse Reaktion bis heute säkular angelegte staatliche Strukturen zu ihrem Vorteil ausnutzen kann. Ebenjene, die die Religion aus dem Staatswesen raushalten wollen (und die besten Gründe für ihre Haltung haben) sollten sich vom Ergebnis kräftigst geohrfeigt fühlen. Denn die von ihnen erkämpfte und verteidigte Humanisierung der Gesellschaft ist hier eben mal aufs schönste instrumentalisiert bzw. komplett abgesägt worden. Und man kann sich allenfalls damit beruhigen, dass die Schweiz in mehr als einer Beziehung halt ein wenig hinterm Berg ist.
Wer hier ein Signal gegen reaktionär-verbohrte Kultierer erkennt, muss die selektive Wahrnehmung schon gut trainiert haben. Ohne Kirchturmneubauverbot ist die Geschichte schlicht ein Sieg der einen reaktionären Kultanhänger gegen die anderen reaktionären Kultanhänger. Und selbst darüber könnte man sich amüsieren, wenn dafür nicht die Sektierer Mittel zur Verfügung hätten, die eben nicht als Sandkastenschaufel für Sektierer zum sich kloppen gedacht sind, sondern eben eigentlich einen säkularen, demokratischen Staat repräsentieren, nein, *begründen* sollen. Der sich nebenbei auf einige Werte beruft, die man nicht von der Kirche hinterhergeschmissen oder gar von ihr gestiftet kriegte, sondern die eben *gegen* dieselbe erkämpft und durchgesetzt werden musste. Man nannte das damals „Aufklärung“. Heute schmeißt man sie den Fundis hinterher und freut sich, wenn sie den anderen Fundis damit aufs Maul gaben. Anstatt dass man sich fragt, wer hier was zu welchem Zweck instrumentalisierte und damit nicht nur instrumentalisieren, sondern eben gleich auch ins angewandte Gegenteil verkehren konnte.
Abgesehen davon hat der Punk natürlich vollkommen recht. Es ist scheißegal, ob Naziposition die Blödheit oder die Blödheit die Naziposition bedingt. Beides ist in der PP überflüssig. Bei Feministinnen im Übrigen auch.
Das ist gewiß bedenkenswert. Allerdings ist der eine Kult vielleicht das geringere von zwei Übeln und hat zudem noch sowas wie einen durchaus auch historischen Heimvorteil. Das Aufkommen des anderen Kults verwandelt insofern eine nicht unbedingt idealen Lage nicht in eine bessere.
Emanzipatorisch ist das Votum der Bevölkerung der Schweiz auch nicht zwangsläufig ein Fortschritt, denn es wurde ja gar kein Kult untersagt. Wenn stimmt, daß die in der Schweiz schon errichteten Minarette nicht genutzt werden, um die Kultanhänger an ihre Pflichten zu erinnern, sondern eben tatsächlich nur herumstehen, bleibt aber auch kaum ein Grund für jene, jetzt über alles mögliche zu klagen.
Es fällt freilich auch, und hier kommt die Vokabel Integration ins Spiel, auf, daß etwa die türkische Regierung mit ihrer „Kritik“ einen Herrschaftsanspruch geltend macht über Menschen, die für sie wohl immer eben Türken sind, trotzdem die es offenbar vorzogen, eben im (feindlichen?) Ausland zu leben. Hier vermischt sich ein, nun ja, Staatsbürgertum mit Religion, etwas, das im Westen weitgehend überwunden ist.
Gut, das gilt möglicherweise nicht für ganz Rechte, denn denen ist der Türke gleichbedeutend mit dem Islam, der eingeborene Schweizer Islamanhänger vermutlich auch irgendwie verdächtig, weil der doch gefälligst in die Kirche gehen soll und nicht in die Moschee. Daran gilt es Kritik zu üben. Andererseits ist das aber doch ein Nebenkriegsschauplatz.
Die Schweiz oder der Westen sind doch trotz angeblicher Islamophobie und all der ‚Ungläubigen‘ und des Sittenverfalls anscheinend für manche Kultanhänger verdammt attraktiv – wenn ein „grüner“ EU-Abgeordneter etwa Saudis auffordert, nun Geld aus der Schweiz abzuziehen, um sie wirksam zu strafen, spricht das doch eben nicht gegen das Land, sondern eher für eine gewisse Scheinheiligkeit manch Heiliger.
Wie auch immer, hauptsächlich fiel mir eben diese Frage ein: Gibt es in der Schweiz überhaupt Planungen, Kirchtürme neu zu errichten, was ja ein entsprechendens Bauverbot überhaupt erst nötig machen würde?
tw, gibs zu, du musst grade schon ein wenig biegen, dass das hinhaut mit der Argumentation ;)
Im Ernst, ich halte alle von dir angeführten Punkte für falsch. Weiter hab ich das Gefühl, dass meine Argumentation da weitgehend unberührt blieb. Im Detail:
Geringeres von zwei Übeln, Heimvorteil: Doch, das Aufkommen des anderen Kults verbessert die Lage durchaus. Jeder Kult, auch der mit „Heimvorteil“, hat einen Absolutheitsanspruch in transzendenter wie auch weltlicher Hinsicht. den in weltlicher hinsicht hat man ihm mühsam genug und grade in .de alles andere als effektiv und vollständig abgewöhnt. Wenn man die Pfaffen ließe, wie sie wollten, aber holla, dann hätten wir Spaß.
Dass der Absolutheitsanspruch nun weiter auch in transzendenter Hinsicht in Frage gestellt wird – weil es eben nicht mehr der „einzige am Markt“ ist sondern kontingent wie alles andere auch, und im Fall Religion damit darüber hinaus beliebig, das ist eine begrüßenswerte Sache. Die wahrnehmbare Präsenz zweier Religionen kann einer säkularen Gesellschaft in meinen Augen nur guttun, weil es eben weder in weltlicher noch in abergläubischer Hinsicht einen Alleinanspruch auf Deutungshoheit gibt. Zu guter Letzt ist diese Präsenz mehrerer Kulte ein sehr guter Indikator für die weltanschauliche Neutralität des Staats, die wir, wie ich annehme, beide durchaus wertschätzen. Und der jetzige Entscheid ein guter Indikator dafür, dass hier in der Schweiz wohl was im Argen liegt.
Den „Heimvorteil“ mag ich als Argument eigentlich gar nicht gelten lassen, das ist ein recht simples „Bastard, aber unser Bastard“-Denkmuster, das der Welt im Allgemeinen Unglück und Verderben bringt. Ich mag das nicht vergleichsweise vertiefen, können wir aber bei Bedarf.
Dass die Minarette nicht genutzt werden, ist eine Scherzargumentation, oder? Man kann nicht zum einen den Regelfall vorschreiben, dass kein Gebetsruf erfolgen darf und aus dem folgenden Fehlen eines Gebetsrufs ableiten, dass die Teile nicht genutzt werden.
Den Nebenkriegssschauplatz Türkei muss ich auch nicht unbedingt mit Schlachtengetümmel überziehen, nur soviel: generell halte ich es für eine schlechte Idee, reaktionäre Prinzipien gegen Grundrechte durchzusetzen mit dem Argument, die anderen seien nicht besser. Zum anderen halte ich auch eine aus dem Ausland erfolgende Kritik an Grundrechtsverstößen legitim und insbesondere nicht für ein Indiz für eine „Staatsbürgeraneignung“. Eine Haltung, die wir eigentlich schon teilen, denke ich – wenn $muslimisches_land im Ausland kritisiert wird, wäre die Argumentation, da würden christliche $landesbürger zu Ausländern umdefiniert, ein wenig bekloppt klingen.
Dass man ungeachtet der Religion in einem westlichen Land leben kann und hier keine Bevorzugung oder Diskriminierung von Kulten stattfindet, halte ich auch für eine zivilatorische Errungenschaft. Warum sollte man die abschaffen? Den Punkt, auf den du da rauswillst, verstehe ich nicht wirklich.
Zu guter Letzt: es wäre tatsächlich eine zwar symbolische, aber durchaus vieles verändernde Geste gewesen, wenn *alle* religiösen Turmneubauten verboten worden wären. Mit der Schlussandeutung schießt du dir imo ins eigene Bein, denn tatsächlich hätte das zwar ebenfalls eine faktische Diskriminierung bedeutet (weil Kirchtürme in der Schweiz meines Wissens nach nicht unbedingt einen Bauboom erleben, aus Gründen der Marktsättigung, die Zahl der Minarette aber dennoch auf dem aktuellen, niedrigen Stand eingefroren worden wären). Dennoch hat man einseitig verboten, was zeigt, dass es nicht einmal um die faktische Bewahrung des Status Quo unter Wahrung von Menschenrechten wenigstens dem Buchstaben nach ging, sondern um das einseitige Absprechen von Rechten. Damit mans dem Musel eben mal zeigen kann. Wenn das die Motive sind, die als emanzipatorische, westliche Antwort auf den Fundamentalismus gelten, dann hab ich schon das Gefühl, dass die verbreitete Angst vor dem Fundamentalismus eine Massdenhalluzination ist. Denn dann leben wir mittendrin und der größte Teil fühlt sich auch noch pudelwohl dabei.
Zugegeben, Kritik an manch seltsamer „Kritik“ ist leichter formuliert ;-). Also etwas später mal so:
Die Schweiz, scheint mir, ist keine christlich-fundamentalistische Diktatur. Und es ist wohl eher unwahrscheinlich, daß sie in absehbarer Zeit eine solche wird. Eher wird der Einfluß, den die christlichen Kirchen als Institutionen haben mögen, zurückgehen. Der Kult mit Heimvorteil ist also einigermaßen gebändigt, sein „Absolutheitsanspruch“ eher theoretisch, zumal es ja ohnehin die verschiedensten christlichen Konfessionen gibt. Der deutsche Papst als (ein) Kultchef mag populär sein, doch sein Wort, ihm wird immerhin Unfehlbarkeit angedichtet, kommt selbst bei Anhängern kaum vollständig an.
Der christliche Aberglaube ist längst Privatangelegenheit; Privatsache auch dahingehend, daß wohl nicht gerade wenige Anhänger vom Kult nur übernehmen, was ihnen gerade paßt, sie sich also ihren ganz eigenen Aberglauben schnitzen. Wenn in der Vorweihnachtszeit vor allem Umsätze zählen; wenn just in der Weihnachtszeit die Kultorte voller werden als sonst, weil viele eben nur einmal im Jahr zur Kirche gehen, so mögen das manche als Sittenverfall werten, de facto zeigt es aber schön, daß Aufklärung und Moderne zumindest diesen Kult zur Folklore werden ließen.
Allah, scheint mir, wird also nicht unbedingt benötigt, um einen Absolutheitsanspruch einzuhegen, der vielleicht noch ein paar vatikanische Verlautbarungen auszeichnet, die ja aber doch ungefähr niemand zur Kenntnis nimmt oder gar ernsthaft beachten mag. Gott verzeiht (deshalb?) wohl auch recht großzügig. Vermutlich auch, daß nicht irgendwelche Bischöfe, sondern die Deutsche Bischofskonferenz, sich zu Fürsprechern der islamischen Konkurrenz machen und das auch noch als Toleranz verstanden wissen wollen. Darauf, solche Toleranz auch einzufordern von den ach so Unterdrückten Anhängern Allahs, kommen sie nicht.
Nimmt man Minarette als Indikator für Toleranz, wird es abenteuerlich. Sie gehören, sagen manche, zum Islam, ohne sie sei die Religionsfreiheit eine Farce. Zum Islam, wie er in explizit islamischen Staaten praktiziert wird, gehören Geschlechterapartheid und die Sharia als eine oder Hauptquelle des „Rechts“. Es ist wohl kein Zufall, daß da, wo der Islam Staat ist, die Umsetzung der UN-Menschenrechtscharta, zu der zumindest Mitgliedsstaaten der UN sich verpflichtet haben, eher nicht stattfindet. Es scheint der Islam nicht recht kompatibel zu sein mit den grundlegenden Menschenrechten.
Etwas günstiger sieht die allgemeine Menschenrechtslage in der Schweiz aus, auch in Deutschland, im „Westen“ allgemein. Es gibt hier Verfassungen oder ähnliche Gesetzgebungen, die beispielsweise die Gleichberechtigung der Geschlechter fordern und ein Recht definieren und umsetzen, das sich nicht auf jenseitige Figuren beruft. Die Sharia, die doch aber zum Islam gehört, ist damit nicht vereinbar. Und es halten sich Rufe, die Sharia etwa aus der Islamischen Republik Iran in die Schweiz zu importieren, in engen Grenzen. Zugleich klagt niemand darüber, daß dadurch Jünger Allahs in Westeuropa böse diskriminiert werden.
Wie kann das sein? Hier wird ganz unzweideutig der Islam das Opfer eine Diskriminierung, doch der Skandal bleibt aus, die Schweiz wird nicht von einer Tagesthemen-Ansagerin, die freilich grundsätzlich ihre seltsamen Ansichten nicht als Kommentar zu kennzeichnen pflegt, zum Hort eines üblen Faschismus erklärt. Aber bei Minaretten – mit zudem abgeschalteten Lautsprechern – soll das anders sein, großes Unrecht geschehen, wo es doch einigermaßen unumstritten auch schon verboten ist, allzu junge
FrauenMädchen zu (ver-)heiraten? Kann es eine gute, akzeptierte Diskriminierung des Islam geben und ganz, ganz böse?Kein Zweifel, die Motive mancher Verbotsbefürworter dürften mit Xenophobie mehr zu tun haben als mit der Sorge um unterdrückte Frauen. Doch Fremdenhaß läßt sich sicher nicht allen unterstellen. Was spricht, immerhin fand ja vor der Abstimmung eine allgegenwärtige Debatte statt, gegen die Annahme, daß die meisten Minarettgegner sehr wohl überlegt sich entschieden haben? Peinlich muß es doch gerade Linken sein, daß sie a) eine solche Abstimmung nicht anstießen und b) daß sie vorher wie nachher nicht selten sich mit dem Islam solidarisier(t)en, der nun einmal wenig fortschrittlich ist.
Wegen ein paar Rechter jedenfalls, denen durchaus unlautere Motive unterstellt werden können, muß ich nicht über eine Diskriminierung klagen, die, wie schon gesagt, ganz konkret nur Minarette trifft, mit denen auch in der „islamischen Welt“ nicht jede Moschee sich schmückt. Vielmehr sollte man vielleicht sogar darüber klagen, daß das Verbot nicht weit genug geht, und darüber Freude äußern, daß zumindest in der Schweiz es keine Mehrheit mehr gibt für eine „Toleranz“ von untolerierbaren Ansichten. Verbotsgegner, so sie Caren Miosga heißen, müßte man natürlich auch fragen, weshalb sie nackt „Nachrichten“ präsentieren …
Nun wird’s stellenweise aber echt weit hergeholt und pauschalisiert, wo’s nicht angemessen ist, tw.
Nehmen wir dein Statement bezüglich des Minarettbaus und dessen Abstinenz als Indikator für Toleranz. Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Wir reden von Gebäuden zur Gebetsausübung, deren Neubau anders als Kirchen, in der auch noch so manche Hasspredigt gegen Schwule, Lesben,Abtreibung, Sexualität im Allgemeinen vorzufinden ist, verboten werden sollen. Es geht nicht darum, Mädchen mit 12 Jahren zu verheiraten oder die Ausübung homosexueller Praktiken unter Strafe zu stellen.
Seien wir ehrlich: Es ist die Natur jeder Religion, nicht mit den Menschenrechten in Vollständigkeit einherzugehen. Ob die nun Christentum, Judentum, Islam oder wie auch immer heißt. Letzendlich unterzieht sich der Mensch hier einer freiwilligen Unterjochung, gibt die übrigens auch in allen westlichen Verfassungen konstatierte Freiheit im gewissen Maße auf und vererbt diese Beschränktheit des Weltbildes leider auch seinen Kindern.
Außerdem glaube ich, dass christlicher Pluralismus in Europa zumindest soweit geht, dass es da neben den von dir genannten Selektionsanhängern, die das beste zum Privatgeschäft machen, auch die Fundis gibt, die ihre Hassparolen antiaufklärerisch verbreiten und nicht politisch verfolgt werden. Auch dahingehend ist ein Neubauverbot sehr einseitig geprägt.
Ach und nachdem ich nun eine Nacht drüber geschlafen habe, fällt mir gerade noch ein: man darf imo die Religionsnähe eines Staates (hier als Gesamtheit aus Gesetzgebung, Rechtssprechung und Ausführung) nicht daran messen, was in den jeweiligen Staatsverfassungen steht.
Wie du richtig festgestellt hast, bekennen sich nahezu alle Staaten der Welt zu den unabkennbaren Menschenrechten. Und nicht ernsthaft kann man behaupten, dass diese überall eingehalten werden. Da braucht man auch nicht in die Länder des bösen Muselmanns gucken, die gibt es durchaus auch hier im Westen und ich will meinen, da stecken teils auch religiöse Ideologien hinter, auch wenn die CDU im Land nicht unbedingt das Spiegelbild der Bibel ist. Da bin ich ehrlich.