Mein Projekt „Ich will auch 2013 eine Krankenkarte ohne Bild“ kam mal wieder einen Schritt bzw. ein Telefonat weiter. Bei anderen les ich ja von häufigeren Telefonaten, selber hatte ich jetzt das erste Gespräch, und es war in einiger Hinsicht erhellend. Kurzfassung:
- mein Versicherungsschutz bestehe in jedem Fall weiter
- die Frage sei, ob ich immer (zumindest schnell) behandelt werde
- eine Art Rechnungserstattung könnte eine Zukunftsoption sein
- Missbrauch finde in „Milliardenhöhe“ statt
- was bis nächstes Jahr in Sachen eKG Sache wäre, wisse niemand
- dem Volk sei es aber weitgehend wurst und
- weitere Funktionen der eGK kämen „zunächst“ ja erst mal nicht.
Das klingt gelegentlich etwas bissig, aber ich mag dazusagen, dass es ein an sich angenehmes und sachliches Gespräch war und mein Sachbearbeiter ein okayer Kerl zu sein scheint, der da undogmatisch ranging und eher nach Schnauze als nach Maßgabe redete, so jedenfalls mein Eindruck.
Zu den Punkten aber im Einzelnen.
- mein Versicherungsschutz bestehe in jedem Fall weiter
Auch wenn ich mich standhaft und fortgesetzt weigere, ein Passbild zu stellen, werde zwar keine neue Karte ausgestellt, aber ich sei nach wie vor versichert. Die Folgeprobleme seien eher verfahrenstechnischer Natur, per se erlösche mein Versicherungsschutz nicht (und scheint die AOK auch kein Interesse daran zu haben).
- die Frage sei, ob ich immer (zumindest schnell) behandelt werde
Das scheint mir die einzige Sache zu sein, die nervig bis scheiße werden könnte: wie es in den Praxen konkret gehandhabt werde, wenn ich ohne gültige Karte dortstünde, könne man mir natürlich nicht versichern. ich hab den vagen Verdacht, dass da einiges an Verzögerungen, Gesprächen, Erklärungen, whatever folgen könnte, was ich an sich weder der Praxis noch mir selber zumuten will.
- eine Art Rechnungserstattung könnte eine Zukunftsoption sein
Das war mir neu und es blieb im Nachhinein leider unklar, was jetzt genau Sache ist. Ich fragte, was eben konkret passiere, wenn ich behandelt werden müsse, mich aber nur ausweisen und nicht per eGK „ordentlich“ KV-technisch anmelden könne. Man könne mich vormerken für ein Rechnungsverfahren, über das ich dann auch ohne gültige Karte und eben gegen Rechnung analog wie ein Privatpatient behandelt werden würde, die Rechnungen würden dann von der Kasse erstattet. Ich wurde hellhörig und merkte an, dass ich das im Sinne der Kostentransparenz eh ziemlich fein fände, worauf mir gesagt wurde, dass dann die Kasse aber eben nur den Kassentarif übernehme und die Kosten der Privatrechnungen höher sein könnten. Das verstand ich wiederum nicht – werden dann Privatkassentarife berechnet, die Kasse erstattet aber nur Kassentarif und ich zahle den Zuschlag bzw. krieg ihn eben nicht erstattet? Oder war es nur dahingehend gemeint, dass ich drauf achten müsse, dass mir tatsächlich nur Kassenleistungen geboten und entsprechend berechnet werden, wenn ich dieses Verfahren in Anspruch nehme? So sehr es mich im Nachhinein ärgert, ich kanns nicht genau sagen. Ich denke, irgendwann bin ich schlauer, denn ich wurde anschließend bereits als Interessent für ein solches Verfahren vorgemerkt.
- Missbrauch finde in „Milliardenhöhe“ statt
Das war meines Erachtens nach der einzige Komplettunsinn, den ich halt anhören musste. Es werde viel Schindluder mit verlorenen/weitergegebenen Karten getrieben, schlicht, weil sie auch nicht zentral erfasst und dadurch auch in der Praxis selber als ungültig erklärt bzw. erkannt werden können. Ich zweifle an der Höhe des Schadens, ich zweifle insbesondere daran, dass es angesichts dessen, dass an sich *jeder*, der verdammt nochmal hier lebt, eine angemessene ärztliche Versorgung kriegen soll und nicht auf der Straße krepieren braucht, wenn der Blinddarm durch ist. Das in der Drastik nur, um meinen Punkt klarzumachen: wir müssen eh alle hier versorgen, alles andere ist meines Erachtens widerlichst. Auf wessen Karte das schlussendlich passiert, ist für die entstehenden Gesamtkosten vollkommen wurst.
- was bis nächstes Jahr in Sachen eKG Sache wäre, wisse niemand
Klar. Aber schön, dass man es bei den KVs auch weiß und laut sagt.
- dem Volk sei es aber weitgehend wurst
Ich schließe draus, dass ich einer von sehr wenigen bin, die sich da in Sachen Bild (und weitergehender eGK-Funktionen) sträuben. Was mich wenig wundert, aber oh mann. Auch hier erstaunlich die Abgeklärtheit gegenüber: es interessiere eben praktisch niemanden, manche würden motzen, aber nach ein paar Wochen wärs dann auch durch und interessiere niemanden mehr. Dass da Missbrauchspotentiale, Unsicherheiten etc. gegeben seien und zum teil einfach überhaupt nicht überschaut werden könne, sei meinem Gesprächspartner durchaus bekannt, aber die meisten interessiere das nicht. Das wie gesagt durchaus sachlich und diagnostizierend, nicht, dass ich den Eindruck erwecke, das wurde gesagt, um mir die Sinnlosigkeit meines Anliegens zu illustrieren. So kams definitiv nicht rüber.
- weitere Funktionen der eGK kämen „zunächst“ ja erst mal nicht.
Das war insofern witzig, weil ich natürlich direkt das „zunächst“ ansprach und wir dann auch etwas lachen mussten: klar, aber irgendwann kommt der Kram dann, sonst wäre der ganze Anfangsaufwand jetzt mit den funktionsfreien, aber potentiell -fähigen Karten ja kompletter Schwachsinn. Beiderseitige Zustimmung, und so veblieben wir. ich rechne vor 2013 nicht mit Weiterem. Dann wirds aber möglicherweise interessanter.
Vorgeschichte eins, zwei und drei. Graubrot zu Ähnlichem. Infos vom FoeBuD.
das mit dem Missbrauch ist evtl. gar nicht so weit hergeholt.
Ich kenne gleich ein paar im erweiterten Bekanntenkreis, die über hohe Summen klagen, die sie zahlen müssen, weil sie wieder in die gesetzliche zurück wollen, nachdem sie privat oder gar nicht versichert waren. Da es sich um relevante Summen handelt, kann ich mir schon vorstellen, dass einige lieber die Karte von Freunden/Familie nehmen und sich die Rückzahlung sparen (ohne das jetzt konkret mitbekommen zu haben). Ob da Milliardensummen zusammenkommen, kann ich natürlich nicht sagen…
Dass man niemand eine akute Versorung verwehrt, auch wenn grade nicht bezahlt hat ist klar, aber so ein Solidarsystem funktioniert eben auch nur wenn alle was beitragen
Wollte ich schon letztens kommentieren, sorry. Wie gesagt, auch wenns relevant ist, scheint mir das vollkommen hinnehmbar, nicht zuletzt, weil ich nciht denke, dsass eine blosse „Akutversorgung“ auch nur mittelfristig billiger zu haben ist.
Letzten Endes scheint mir der hier gemachte Einwand aber eher gegen die aktuelle Zweiklassenlösung privat/gesetzlich zu sprechen als für eine eGK. Es wundert mich, dass in diese Richtung nicht stärker über die entstehenden „Missbrauchsmöglichkeiten“ gesprochen wird und vermute in meiner böswilligen Art mal wieder, dass man gegenüber denen, die eben mal privat versichert waren, halt nachsichtig ist, das können ja keine Assis sein.
wie soll der missbrauch denn stattfinden in solchen höhen? sehr viele menschen gehen wegen kleinerer geschichten mit einer „falschen“ karte zum arzt, oder einzelne erschleichen sich sehr teure leistungen?
ersteres könnte ich ja noch verstehen, die menge ist aber unrealistisch, zweiteres halte ich für fast nicht möglich. (chemotherapie, neues hüftgelenk etc. auf falschen namen?)
und der alte einwand: perso und kv-karte reichen auch, da braucht es nicht „die neue“ um meine identität nachzuweisen…
möglicherweise geht es bei den Kosten um alle ohne Papiere/illegale Einwanderer/ Besucher aus dem Ausland mit schlechterem Gesundheitssystem
Oh nein! Keine Ahnung wie das passieren konnte, aber gerade hat sich offenbar das Silizium meiner Karte verändert. Obwohl auf dem Kunststoff noch immer 09/13 aufgedruckt ist, sagt das Lesegerät auf einmal 09/17.
Was wird mich beim nächsten Arztbesuch erwarten?
Ich haue auch mal meinen Senf dazu:
Der Missbrauch findet wohl tatsächlich in sehr hohem Ausmaß statt, zumindest wenn ich den Ausführungen meiner damaligen Gesprächspartnerin bei der IKK Glauben schenken darf. Ich habe diese abstrus hoge Zahl nämlich auch in Frage gestellt.
Es entsteht wohl weniger Schaden durch die Nutzung der Karte durch Familienmitglieder und Bekannte, als mehr durch Diebstahl und Betrug durch organisierte Banden. Vorrangig Mitbürger mit Migrationshintergrund klauen Geldbörsen mit dem Hauptaugenmerk auf die Versichertenkarte, um diese dann meistbietend an Landsleute oder Mitbürger anderer Ursprungsnationen zu verkaufen. Die Bearbeiterin hat die Spanne zwischen 200 und 1.000 Euro pro Karte in den Raum geworfen.
Der Handel mit den Karten ist so rege, da die Karten nur ablaufen, nicht aber gesperrt werden können und außerdem nicht stornierbare Zahlungen (durch Behandlung), anders als z.B. bei einer Kreditkarte, generiert werden können.
Aus diesem Aspekt verstehe ich den Wunsch des Passbildes auf der Karte seitens der Versicherer.
Zu der Sache mit der Rechnungszahlung habe ich auch noch ein paar Worte übrig.
Du kannst jederzeit als Kassenpatient zu einem Arzt gehen und sagen, dass du „Selbstzahler“ bist. Das bedeutet, dass du irgendwann nach deiner Behandlung eine Rechnung zugestellt bekommst. Auf dieser sind fein säuberlich alle vorgenommenen Behandlungen und Leistungen aufgelistet. Selbstzahler werden, ohne Honorarvereinbarung i.d.R. mit dem Höchstsatz der GOÄ berechnet. Also die ganzen Behandlungskosten mal dem Faktor 2,3. Gesetzliche Kassen allerdings haben mit den Ärzten einen niedrigeren Faktor verhandelt – ich habe mal was von 1,4 gehört.
Rechnen wir mal damit weiter. Haben die Leistungen, die der Arzt erbracht hat, also netto 100 Euro gekostet, zahlst du als Selbstzahler 230 Euro, die Kasse würde allerdings nur 140 Euro an den Arzt zahlen. Die Differenz von 90 Euro müsstest du allerdings selbst tragen.
Erfrage doch einfach mal bei deiner Krankenkasse den Gebührenfaktor. Wenn du das nächste Mal zum Arzt gehst, versuchst du den Arzt auf diesen Faktor zu verhandeln als Selbstzahler ;-)
Eine Idee von mir:
Hat das Passfoto, was die Kasse fordert, irgendwelche Vorgaben, so wie das für den Reisepass?
Nein? Also ab zum nächsten Kinderschminker und das Gesicht zum Löwen, Giraffe, Zebra, Maus oder sonstigen Lieblingstier verwandeln lassen und dann ab zum Fotografen.
Das ist zu lächerlich? Okay… Dann eben ein Bild, auf dem du passend richtig krank aussiehst. Rote Nase, Augenringe, rötliche Wangen und das ganze natürlich auf einem richtig blassem Teint.
Es soll Leute geben, die haben ihrer Krankenkasse einfach ein Kinderfoto von sich als Dreijährige übersandt.
Tolle Idee! :-)
stonedzero verfügt über einige Halb- und Nichtwahrheiten. Da ich vom Fach bin (und Gegener der eGK) hier eine Richtigstellung zur Privatrechnung:
Wenn der Arzt wegen fehlenden Nachweises der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse eine Privatrechnung stellt, dann ist er an die Vorgaben der Privaten Gebührenordnung GOÄ und GOZ gebunden. Er DARF also gar nicht eine Rechnung nach Kassensätzen stellen.
Der „Höchstsatz“ ohne besondere Vereinbarung liegt bei 3,5fach. Der 2,3fache Satz ist der Standartsatz für eine einfache Behandlung.
Ganz daneben lag die Vermutung, dass der Kassensatz irgendwo bei 1,4 läge. Es handlet sich der der privaten und der gesetzlichen Gebührenordnung um ganz unterschiedliche Bemessungsgrundlagen. So kann zB in der einen Gebührenordnung die Leistungsbeschreibung eine oder mehr Nebenleistungen beinhalten, während in der anderen Gebührenordnung das ganze auf mehrere Positionen verteilt ist. Jede Leistung ist unterschiedlich beschrieben und daher auch unterschiedlich berechnet.
Um ein Beispiel aus einer anderen Welt zu nehmen: Die eine Gebührenordnung beschreibt zB das Setzen einer Steckdose in eine Wand. Die andere Gebührenordnung hat das Setzen der Steckdose incl. bis zu 10 m Kabelverlegung. Da lässt sich der Preis nicht einfach so vergleichen.
Außerdem sind zwar die meisten Preise beim Kassenpatienten billiger, aber manche sind eben beim Kassenpatienten teurer als beim Privatpatienten (zB Zahnstein). Also kann man nicht sagen, der Kassensatz entspricht dem x,xfachen des privaten Satzes. Das ist eben bei jeder Leistung anders.
Beim Arzt den Wunsch zu äußern, die Rechnung nur in der Höhe des Kassensatzes zu stellen, ist also eine logistische Unmöglichkeit. Selbst wenn man es – für jede Leistung einzeln – berechnen könnte, so würde das bei einer Durchschnittsbehandlung mehr Zeit kosten als die Behandlung selbst. Das ist keiner Praxis zuzumuten.
Ich habe das im Uberschwang meiner Freundlichkeit mal einem Patienten zu gesagt (die gut 1,5 Std Arbeitszeit dafür habe ich meinem Chef nicht aufgeschrieben – das war meine eigene Blödheit und ihm nicht anzulasten).
Wenn aber ein Mitgleidsnachweis in Papierform vorliegt, ist der Nachweis der Mitgliedschaft erbracht und die Praxis kann die Behandlung ganz normal über die KV und KZV abrechnen. Es braucht also keine Privatrechnung.
Das Verfahren der Privatrechnung nennt sich übrigens Kostenerstattung, und da muss die Kasse 7,5%, mindestens aber 5 EUR Verwaltungskosten einbehalten (auch so ein Gesetz, um Transparenz zu verhindern!).
Wenn Ihr also eine manuelle Mitgleidschbescheinigung vorlegen könnt und ganz nett seid und vielleicht sogar noch einen Euro fürs Kopieren der Bescheinigung sowie für die Kaffeekasse dalasst, habt Ihr ganz gute Chancen, freundlich aufgenommen zu werden.
Am „gefährlichsten“ werden wohl die Mitarbeiter (und meist auch Ärzte) sein, die häufig komplett uninformiert sind. Da wisst Ihr einfach mehr als die … und das kann natürlich blöd rüberkommen. Macht aber nicht den Fehler, zu denken, die wären vom Fach und wüssten es besser: nein, sie kennen nur das Übliche und lesen selten „Kampfliteratur“.
Hoi, Kathober,
ist das OK, wenn ich das noch mal in einem kommenden Blogeintrag ein wneig prominenter erläutere? Das sind schon ein paar spannende Infos :)