Onlniemarketingveranstaltungen sind so eine Sache. Klar geht es um ein Thema, das von vielen der „Betroffenen“ ohnehin allenfalls als „notwendiges Übel“ gesehen wird – auch wenn ich da inzwischen angesichts mancher Klickraten denke, nun ja, ganz so kanns auch nicht sein, so gut, wie vieles angenommen wird. Andererseits war die Online Marketing Rockstars eine qualitativ richtig feine Sache: einige wirklich gute Slots, hohes Niveau, einige Augenöffner, und neben den Ausfällen, die nie ausbleiben, noch einiges an interessanten Gesprächen nebenher. Mir war und ist trotzdem gelegentlich unwohl, und das auf mehreren Ebenen. Symptomatisch beispielsweise der Szenenapplaus, wo die „zugespammte“ Facebooktimeline nachgefragt wurde und der FB-Mensch dann doch – was soll er auch sonst tun? – ins Rudern kam und seinen mehrfach wiederholten Spruch von den „Stories“ tat, welche die Advertiser da eben erzählen müssen und dass man da noch „nachjustiere“. Aber ich mag bei was ganz was anderem anfangen, und das an sich widerwillig: das Frauenbild generell und die konkreten Frauenauftritte auf der OMR. Das ist nämlich ein Unding gewesen, das mir trotz recht hoher Fremdschamschwelle massiv gegen den Strich ging.
Frauen auf den Panels
Das ist an sich kurz: es gab keine. Angesichts dessen, dass die OM-Branche alles, aber keine weitgehende Männerveranstaltung war, ein Armutszeugnis. Ich äußer mich zu dem Thema ungern, weil ich an sich nicht das privilegierte Sprachrohr von Gruppen spielen möchte, denen man damit gleich mal wieder die Fähigkeit abspricht, sich selber ausreichend kompetent zum Thema zu äußern, aber wie gesagt, da ist bei mir auch irgendwo das Ende der Geduld erreicht. Wenn man Flachpfeifen wie „Mr Tutorial“ nen Slot geben kann, aber es nicht auf die Reihe kriegt, für permanent mit „Frauenthemen“ (mehr dazu unten) besetzten Themenfeld auch eine Frau auf die Bühne zu bekommen, dann hat man den Schuss nicht gehört. Das ist peinlich, das ist so derbe an der Zielgruppe vorbei, dass man sich für die Branche schämen muss, das ist einfach nur dumm. Und komm mir keiner, dass es niemanden kompetentes gegeben hätte.
Frauen sonstwo
Soweit, so schlecht, was das ganze eben noch schlimmer macht, sind die Punkte, wo es dann doch nicht ohne Frauen geht. Popcorn machen, in Bullenuniform Flyer verteilen, die üblichen Messehostessenauftritte, klar, da gehts dann wieder, und das bis in die kleinen Details: Die Adpolice-Mädels stehen dumm rum und sehen schick aus und die Typen steuern den Zeppelin. Und wenn dann irgendwann der unvermeidliche Lude auf der Bühne steht, muss er natürlich seine Vorzeigeschlampen mitschleppen, von denen er zwar den Namen vergessen hat, aber die trotzdem ein wenig gut aussehen und Glücksfee spielen dürfen. Es ist zum Kotzen. Es ist nebenbei irgendwie komisch, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendwann auf den diversen Onlinemarketingveranstaltungen mit irgendeinem schmierigen Zuhälter konfrontiert zu sein, recht nahe in Richtung Eins geht. Kann dieser Dreck bitte mal aufhören? Wenns irgendwann mal witzig war, es ists nicht mehr. Wirklich. Diese Typen sind Arschlöcher, und ich brauch ihre Fressen verdammt noch mal nicht auf einer professionellen Branchenveranstaltung zu sehen.
Tja, und die Zielgruppen
Wie eingangs erwähnt: wenn wir hier eine Marketingveranstaltung gehabt hätten, die sich hauptsächlich mit der Ansprache von Klischeemännern beschäftigt hätten, geschenkt. Aber es ging ja unter anderem darum, dass eben *Frauen* stärker mit den entsprechenden Werbemitteln angesprochen werden müssen, dass sie 70% Offline-, aber nur 40% Online-Umsatz machen und daran was getan werden müsse, dass jedes dritte Beispiel eines aus dem Klamotten/Beauty/whatever-Bereich war und so weiter. Da nicht Leute zu Wort kommen zu lassen, die qua Chromosomensatz angesprochen werden sollte, ist schon grob fahrlässig.
Ab davon: das wird wohl eher nochmal in einem Folgeposting aufgerollt, aber an der Stelle mal noch angemerkt: personalisierte Werbung in Ehren – ich denke, es ist für alle Beteiligten besser, wenn Werbemittel tatsächlich auf *Individuen* zugeschnitten werden denn auf die immer gleichen „20-39, weiblich, modebewusst“ oder 25-45, männlich, sportlich, höheres Einkommen“-Klischees. Wenn mich etwas konsterniert hat, dann die Diskrepanz zwischen „Wir müssen Individuen ansprechen“, „wir müssen überall Zielgruppen optimieren, nicht nur im Display“, und dem erbarmungslos flachen Geschlechterklischee, das am Ende dann doch rauskommt: denn offenbar muss das Individuum, wenns denn zufällig weiblich ist, eben doch individuell mit dem „Schrei vor Glück“-Klischee a la „Klamotten machen Orgasmus“ bzw. dem sicherlich irgendwo neurologisch/genetisch bedingten „XX-Chromosom braucht Pinterest-like Mode und Beauty“-Prinzip bedient werden.
Hm, Fazit
Ich mach gern SEO, ich mach gern Online-Marketing, und ich mag gelegentlich dran glauben, dass das, was ich mache, insbesondere damit zu tun hat, dass Leute auf die Sachen stoßen, die sie suchen und die sie interessieren. Es gruselt mir davor, dass ich dabei in einer Branche unterwegs bin, die sogar bei den zweifellos technisch fortgeschrittensten und „individualzentriertesten“ Ausläufern/Teilbereichen dermaßen klischeebeladen und reaktionär unterwegs ist, insbesondere, wenn die Kompetenz und das Niveau ansonsten erstaunlich fortgeschritten ist.
RT @Korrupt: Vom Gender-Unbehagen auf der OMR13: Onlniemarketingveranstaltungen sind so eine Sache. Klar geht es um ei… http://t.co/cQ …
Hi, ich bin einer der Veranstalter der OMR. Wir haben bei der Programmplanung keine frauen-feindlichen Absichten gehabt. Ganz sicher nicht. Wir haben die gender-mäßig einseitige Agenda vorab sehr spät als Problem erkannt und dann nicht mehr eingegriffen, weil es schwierig ist Leuten abzusagen, die wir inhaltlich gut finden oder die Agenda zu füllen ohne, dass es zeitlich wirklich machbar wäre. Für das kommende Jahr haben wir uns fest vorgenommen Referentinnen auf der Bühne zu haben. Wir würden uns freuen, wenn Du dann weiterhin Lust hast, die Agenda zu bewerten und vielleicht wieder dabei zu sein. Philipp
Hoi, Philipp,
klar, gerne, und natürlich werd ich da auch gern dabei sein und was dazu erzählen – es ist ja weniges erfreulicher als Dinge, die sich zum Besseren entwickeln.
Ganz ehrlich, mir ist noch nicht einmal aufgefallen, dass keine Referentin dabei war. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich daran gewöhnt habe, Männer auf der Bühne zu sehen. Das ist absolut schade und ich mich muss mir mal über mich selbst Gedanken machen. Wenn ich auf den letzten SEO-Day zurückblicke kann ich mich an einen tollen Vortrag von Bianca Jacobi erinnern, warum nicht mehr davon? Wer soll denn die Bedürfnisse der Zielgruppe besser verstehen als die Zielgruppe selbst?