Alles fing damit an, dass auf meiner Tour zur Arbeit regelmäßig die Oceans-Werbung per LKW auf der Autobahnbrücke stand. Ich dachte mir nicht viel dabei, tendenziell was „OK, da kommt was ein Stück weiter aus der Schmuddelecke“-mäßiges und gut. Noch vage Assoziationen zur Diskussion ums Flatrateficken, die letztes Jahr durch den Blätterwald rauschte, und das wars eigentlich.
Dann kam irgendwann die Happy Garden-Werbung auf einer Plakatwand kurz vor daheim, und auch die „100 Girls“, die man schon anderswo las. Da dachte ich dann, hmmm, Puffwerbung auf dem Großplakat, angesichts dessen, dass die ganzen anderen Großformate mit der aktuellen „Machs mit!“-Kampagne gepflastert sind, ein durchaus spannendes Stadtbild. Und jetzt auf der Stroer-Rollwerbetafel an meiner Autobahnabfahrt noch das Magnum, das nun mit ebenfalls 100 Girls und dem größten Etablissement seiner Art in Europa wirbt. Da hatte ich dann den Gedanken, dass als nächstes wohl die Fußnotensternchen mit den Hinweisen „Gemessen an der Grundfläche/der Zahl der Spielbereiche/der Zahl der Servicepartnerinnen/egal“ kommt, denn grade nimmt das schon eine gefühlt neue Qualität an. Ich sag das ganz wertneutral und schau mir das interessiert weiter an.
Die Branche scheint sich da aber in der Tat ein wenig anders aufzustellen. Ich kann mich an die einschlägigen „Huren-Bewertungsplattformen“ und Puff-Führer erinnern und verspüre tendenzielles Gruseln, an sich ist es mir per se sympathischer, wenn da auf einmal die Schwerpunkte auf Wellness und Ambiente liegen und die Gästebucheinträge das lobenswert schöne Ambiente betreffen und nicht, ob Cindy vom zweiten Stock gut bläst.
Das Oceans lässt ausführlich ihren Securitychef zu Wort kommen, der von der Bullerei kommt und Wert drauf legt, dass sie eng mit Politik und Behörden zusammenarbeiten, um Zwangsprostitution und Menschenhandel zu bekämpfen. Pärchen sind willkommen und Behinderte kriegen Ermäßigung. Das Happy Garden wirbt mit viel Ambiente, eröffneter Grillsaison und sucht auf der Jobseite Thai-Massagen ganz gezielt für Wellnesskram und nicht das, was man denkt. Der Happy Garden ist webdesigntechnisch noch ein wenig 2005, aber den größten Platzverbrauch auf der Seite hat… die Speisekarte.
Von Flatrate im Übrigen nirgends einen Ton, allenthalben stattdessen der Hinweis, dass die Servicekräfte selbständig arbeiten und keinerlei Dienstleistungen im Eintrittspreis enthalten sind. Wie gesagt, „Normalisierung“ allenthalben und offenbar auch offensiv der Versuch, neue Zielgruppen zu erschließen, letzteres kann ich kaum beurteilen, aber vom Look her erinnern mich die Geschichten eben eher an einschlägig diskret-niveauvolle Escortagenturen und ähnliches.
Wenig überraschend finde ich das sympathischer als vieles, was in der Vergangenheit in der Branche an Außendarstellung gelaufen ist. Ob das eine „allgemeine Trendwende“ ist, nur ein neuer Vermarktungsversuch oder schlicht eine marktwirtschaftliche Notwendigkeit angesichts der ganzen Hobbyhurenplattformen, von denen man sich eben abheben muss: keine Ahnung, ich denke, es wird alles mit reinspielen. Der Effekt ist nun eben, dass man erstaunlich viel „normalisierte“ Werbung eben auch auf Außenflächen sieht, und wie gesagt würde es mich nicht wundern, wenn da irgendwann mal die ersten Rechtsstreitigkeiten kommen, wer nun tatsächlich mit „Europas größte…“ werben darf und wer nicht.
Geht das in eine gute Richtung? Man kanns aus der Außenperspektive nicht beurteilen, wie es hinter den Kulissen aussieht, sieht man jener naturgemäß nicht an. Mich dünkt indessen, dass in so einem Umfeld die üblichen Auswüchse der Branche weniger leicht wuchern wie anders. Generell scheint mir in dem Bereich ohnehin jegliche Normalisierung als eine durchaus erstrebenswerte Sache. Und bei aller Liebe zu kriminellen Subkulturen und meiner Abneigung gegenüber der „Anzeige ist raus!“-Fraktion: im Gegensatz zur schlagenden Aktion eines MCs der Wahl finde ich eine „zwei Puffs verklagen sich wegen ihrer Werbeversprechen vor dem LG Hamburg“-Vorstellung charmant bis durchaus schon anregend obszön.
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