…und den muss man bekämpfen, wie es nur geht. Eine überflüssige, verkalkte Institution, die weder Internet noch Selbstbestimmung noch Menschenwürde begriffen hat und abgeschafft werden muss. Alles, was am Jugendschutz interessant ist, ist die erstaunliche Selbstgerechtigkeit, mit dem seine Vertreter meinen, Menschen ihre verbohrte Moral aufdrücken zu wollen, in ihrem Namen entscheiden zu können, was Wahr, Schön und Gut(tm) ist, und wie sie nebenbei meinen, die Definitionsmacht der Menschenwürde in der Tasche haben. Danke auch, das kann ich selber. Aber zur Sache.
Auf der schönen Tagung „Grenzenloser Cyberspace“ äußerte sich unter anderem Ben Bachmair, seines Zeichens Mitglied der Kommission für Jugenschutz. Auf einer Podiumsdiskussion stellte er einige Thesen vor, die ich für durchaus bemerkenswert halte.
Zum einen: man nimmt sich extrem wichtig beim Jugendschutz. „Der Jugendschutz und der Schutz der Menschenwürde sind Rechtsgüter mit Verfassungsrang.“ schreibt es auf kjm-online.de und meint auch Bachmair, Jugendmedienschutz sei ein zentraler Punkt der Verfassung durch die Verknüpfung mit der Menschenwürde. Drunter gehts nicht, aber gut.
Der Jugendschutz versteht sich als eine Art Verbraucherschutz. Und wie auch bei der Wurst nicht erst das Gammelfleisch in den Läden sein muss, bevor optimalerweise wer eingreift, ist auch beim JMS Prävention angesagt. „Es muss nicht erst dem Verbraucher das Kotzen kommen“, bevor wer was macht.
Dann reicht die „Vermutung“, es könnte zu einer negativen Beeinflussung konnen, analog zur Produkthaftung. Und dann wird verboten und zensiert.
Das Internet ist nach Bachmair da noch nicht „integriert“. Den Internetanbietern fehlt „jede Verantwortungskultur in Bezug auf Kinder- und Jugendschutz“, wörtliches Zitat. Das schöne: medienwissenschaftlich muss da nichts belegt sein. Es wird bereitwilligst zugegeben, dass da die Wissenslage schlicht nichts hergibt – ob Fickfilmchen angucken dazu führt, dass man Frauen nur noch ins Gesicht spritzen kann oder CS-Spielen dazu animiert, persönliche Konflikte per Nachahmung mittels Sniper-Rifle zu lösen, das ist alles nicht nachgewiesen, aber man wird ja „auf Verdacht“ aktiv. Dass das meiste nicht belegbar ist, was da als potentielle Gefährdung eingestuft wird, dazu steht man durchaus. Egal, indiziert wirds trotzdem.
Deswegen wird beispielsweise freenet.de angeschissen, weil sie Erotik per Perso-Nummerncheck verfügbar machen. Und ne ab18-Nummer von nem Perso zu kriegen, sei einfach, und deswegen ist freenet.de wohl auch einer der Anbieter ohne „jede Verantwortungskultur“. Gegen die man was tun muss. Drauf geschissen, dass da der Akteur offenbar sehen *will*, was da hinter dem Link ist und alles andere als zufällig drauf stößt und anschließend bettnässt.
Dass man auf onlymovies, loliti und Konsorten schlicht per Klick seine Filmchen kriegt, dass rotten.com inzwischen zwar zensiert, aber immer noch wild genug ist – zumindest heute war keine Rede davon. Ich kanns verstehen, das ist ja auch ein Eingeständnis dafür, dass die Arbeit der deutschen Jugendschutzkommission vollkommen sinnlos ist. Wenn freenet einen Zugangsschutz vor den Pr0n schaltet – sieht deswegen ein Minderjähriger auch nur ein Fickbild weniger? Nein, nicht wirklich. Was diese Leute dort machen, hat auf das, was Jugendliche zu sehen bekommen und was nicht, nicht den geringsten Einfluss. Das muss frustrierend sein für die armen Jugendschützer, aber wir haben schließlich alle unser Päckchen zu tragen.
Jetzt aber der Knüller. Ich hatte mir das angehört und meine helle Freude gehabt: endlich sagt mal ein Medienpädagoge im Klartext, warum die Jugendschutzkommission ein Witz ist, der ohne jegliche empirische Basis meint, sonstwem vorschreiben zu können, was ok ist und was nicht, der meint, Moralvorstellungen nicht nur inszenieren, sondern anderen Menschen unter dem Deckmäntelchen Jugendschutz aufdrücken zu können, der sich nebenbei auf christliche Sexualmoral beruft, die kein Schwein zu interessieren braucht und zu guter Letzt noch aufzeigt, wie sinnlos das alles ist.
Jetzt merke ich im Verlauf der Diskussion hinterher: der meint das alles *ernst*! Das *war* keine Polemik auf eine verkalkte Institution, die christlich durchseuchte Verklemmtheit predigt, das sind seines Erachtens nach tatsächlich zu korrigierende Missstände im Internet.
Porn raus aus dem Netz, ausser dem eigenen Schwanz hat man vor 18 keinen zu sehen, wo der Mensch „zum Objekt“ gemacht wird, da muss die Zensur des Jugendschutzes greifen. Der Mensch als Ware ist Pornografie, so die geraffte Fassung der zentralen These.
Was dann sehr erfreulich war: die anschließende Debatte im kleineren Kreis. Nicht mal in der Pädagogik wird so ein Stuß noch ernstgenommen, das war ein sehr schönes Erlebnis. Besonders schön Holgers Statement. Wenn die Darstellung des Menschen zur Ware reduziert jugendgefährdend ist, dann solle der Jugendschutz mal zügig alle Zeitungen auf den Index stellen, die den Begriff „Humankapital“ verwenden. Da findet nämlich genau diese Reduzierung statt.
Jugendschutz, wie er jetzt grade betrieben wird, gehört auf dem Müllhaufen der Geschichte. Dass er seine absolute Inkompetenz auf das Wesen des Internet nicht nur durchblicken läßt, sondern diese offensiv propagiert, nicht nur, dass er nur mit vollkommener Realitätsverleugnung in der Lage ist, sich selbst zu legitimieren… ach, was red ich. Weg mit dem Kram. Wer was auch immer sehen *will* kriegts zu sehen. Eine Institution, die unfähig ist, damit umzugehen, ist inkompetent und nutzlos. Der Jugendschutz ist exakt das. Es ist allenfalls erstaunlich, dass er das öffentlich zugibt.
5 Responses to Der Jugendschutz ist der Feind