Muss ich vorweg sagen: das faulste Camp, auf dem ich bisher war, und es lag an mir. Andererseits: wenn die Finnen eine Sauna mitbringen, wirds schwierig mit dem camptypischen Aktionismus. Aber von vorn.
Ankunft am Tag -1, und das Wetter wollte, dass wir unser Zelt zügig aufbauten. Platz war genug, wir hatten eine höchst angenehme Ecke im Chaos West mit Grill und Tischkicker. Ich würde gern sagen, das sind die Faktoren, die einen gelegentlich prokrastinieren lassen, aber allein, es lag auch ein Gutteil an der Temperatur (abends -> kalt, kalt -> Korrupt wird leicht müde, müder Korrupt -> Schlafsack). Weiter ein bisschen Pech bei manchen Workshops (mehr später) und ein mich persönlich nicht im Maß wie immer anspringendes Vortragsprogramm.
„Mich persönlich“, weils einerseits gefühlt deutlich securitylastiger war und häufig in Bereichen, die nicht wirklich meine Baustelle sind. Andererseits, weil ich persönlich mit der Zeit immer häufiger das Gefühl habe, dass es Grenzen gibt, was das überall sinnvollerweise die Ohren am Boden haben angeht. Kurzgesagt, die Grobmotorik einerseits, Löterei und Messerei andererseits und die diversen Blinkenlichten, Rasbpi- und ähnliche Kisten sind an sich bereits jenseits dessen, was man noch so alles in der Größenordnung nebenher reißen kann, wie man es sich wünscht. Überhaupt beschäftigt mich seit einiger Zeit das Gefühl, die Zeiten der Geeks of all Trades sind irgendwie rum oder deutlicher rum als früher. Ende Befindlichkeitsexkurs.
Ich glaube, es war ein simpler „früh ankommen und das bemerken“-Faktor, der mich zu meinem wahrscheinlich mit deutlichstem Abstand meistgeretweetetem Tweet gebracht hat. Eher spontan die Beobachtung, dass Chipgeld in nem Hackercamp vielleicht etwas bedenklich ist, 360 Retweets, 1,2k Likes. Ich bin erschrocken und sowas nicht gewohnt.
Ich bin nicht sicher, ob es auf einem Hacker-Camp voller 3D-Drucker eine gute Idee ist, auf der Fressmeile Chipgeld zu nehmen. #sha2017 pic.twitter.com/5hfvzqwbuL
— Korrupt (@Korrupt) August 4, 2017
Schön: es wurde tatsächlich Chipkohle nachgedruckt und erfolgreich zum Bierkauf verwendet.
Der allgemeine Eindruck: ich sags ungern, aber mir gefielen beide früheren Hollandcamps besser. Es kommen einige Faktoren zusammen und für manche konnte keiner was (Wetter), aber generell fehlten ein paar der typischen Wow-Villages (LQDN war nicht da, die CBase war nicht da, Monochrom waren nicht da, Metalab in gefühlter Kleinstbesetzung bei AAAAAAAA, die wiederum überraschend bei Chaos West angedockt waren, keine wirkliche Retrogame-Area a la Rainbow Castle, eine Chillout-Area derbe ab vom Schuss…) und war schlicht alles ein wenig „zu verteilt“. Einzelne Felder (am Rand) waren praktisch unbenutzt (an sich kein Ding) und andere recht dünn besiedelt (was einfach nicht so knallt wie die camptypische Reizüberflutung).
Manches lag am Wetter vorher: Felder und Feldbereiche mussten im Vorfeld noch teils schnell umgewidmet/gesperrt werden, weils zu tief verschlammt war. Und trotz meines präsenil-kälteinduzierten Frühschlafens: es ist erstaunlich früh einfach auch ruhig/Partyende gewesen. Ich bin jenseits des tagelang bis vier mit Tschunk und 8Bitmucke-Rumhängens, aber irgendwie iritiert mich grundsätzlich, wenns andere nicht machen. Mag sein, dass es halt Auflagen gab, aber das Umland gabs eigentlich nicht her, dass man lärmtechnisch derart die Bürgersteige hochklappt. Zu guter Letzt ist das Ziegeleigelände von vor zwei Jahren generell und upstyletechnisch halt auch kaum zu schlagen.
Hochobligatorischer Nachtrag: das ist extremstes auf hohem Niveau jammern. Licht war geil, die Villages waren geil, und wenn der Turret rumsteht, dann ist Ruppsel glücklich und will dableiben. Und wenn dann zwei Teslaspulen Thunderstruck spielen und die Percussion mit Pyros und Gasfackeln gemacht werden… yeah, hart rockende Wissenschaftler für epischen Gewinn.
Badges! Es gab die SHA2017-Badge, sie war unglaublich buggy, und ich hatte prompt auf den ersten Ansatz die LEDs schlecht verlötet. Nachdem es zunächst keine Apps gab, die man zum LED-Testen nehmen kommte, brauchte es eine Weile, bis ich es bemerkte, dass nicht nur drei LEDs angehen, wenn einem eine Winkekatze übers Netzwerk winkt.
Das suboptimale Händchen verfolgte mich, wenngleich ich an dieser Stelle dann problemlos nachkorrigieren konnte. So glücklich war ich auf einem Raspi-Workshop nicht, wo man sich ein Modul zum einzelnen Ansteuern der RGB-LEDs weitgehend beliebig langer Ketten zusammenlöten konnte. Ich hatte keinen Rasbpi mit, stiefelte ne Stunde früher zum Hardwarehacking und fragte, ob er noch welche hätte. – Ja, ob ich meinen Rechner dabeihätte. – Ja, warum er den bräuchte. – Nun, hier wären noch ne Latte SD-Karten zum flashen und das Schreiben dauere so lange. – Klar, ich geh ihn holen. Machen wir noch die Kohle wegen Kit und Raspi klar, bevor der Ansturm kommt? – Klar, machen wir.
Ich flashe ne Latte SD-Karten, der Workshop geht los, und ich werd hektisch gefragt, ob ich mein Kit schon bekommen hätte. Ich sag nein, die Antwort „Verdammt, ich hab alle verkauft“. – Ich stöbere mit einem weiteren Helfer die Modulkiste durch, ob man noch eins zusammenkriegt, bis wir das nötigste bis auf zwei von drei Mosfets haben, sind alle schon am dritten Bauteil, und ich löte das erste und folgerichtig das zweite Teil hektisch verkehrtrum, Mitch gibt mir den Tip, die Header-Pins einfach heißzumachen und durchzuschieben, das geht noch, Fehler zwei entlöten/auflöten schlägt wegen sich ablösender Kontakte fehl, umgekehrtes Anbauen scheitert am nur einseitig kontaktiertem Board, Bauteil versetzen klappt und kommt den inzwischen stattgefundenen nächsten Schritten ins Gehege, und da ist bei mir der Punkt erreicht, wo ich sagte, man muss wissen, wanns gut ist und halt nicht sein soll. Geh ich lieber gepflegt grillen. Und abends Beamer auf das Aufblassofa.
Vorträge. Ich hatte ein paar angehört, so richtig die Erhellungen waren nicht dabei. Klar, die Wahlcomputer sind durch und wer was anderes erzählt, hat den Schuss noch nicht gehört. Social Media macht einen Großteil des öffentlichen Diskurses aus und die Mechanismen, nach denen dieser gesteuert wird, sollten transparent sein, statt hinter „das ist AI und Machine Learning und wir können das nicht offenlegen“ versteckt zu werden. Das Problem des Vortrags war, dass er an dieser Stelle weitgehend stehenblieb, das Problem bei der Thematik wurde im anschließenden QA treffend benannt: ein Zuhörer, der selber mit Machinelearning arbeitet, erklärte, das Offenlegen der Daten, die einen Newsfeed bestimmten, brächte gar nichts, weil es kein Mensch mehr verstünde, was genau da passiere. Das Fazit ging in die Richtung, es müsse in der Art von Open Source laufen: faktisch könne der Normalnutzer auch nicht wie gern dahergesagt „die Sourcen selber prüfen“, aber es gibt Leute, die das gegebenenfalls tun. Mich ließ das mit einem Gefühl größerer Ratlosigkeit zurück. Ich ging in einen Blockchain-Talk mit dem festen Vorsatz, Kryptowährungen weiterhin, aber besser begründet scheiße zu finden und stellte fest, ich find sie immer noch vage scheiße und habe das Gefühl, die Techies verstehen noch immer nicht ganz, für ihre Lösungen die passenden Probleme zu finden und welche Problemstellungen im Meatspace überhaupt relevant sind. Mein persönliches Problem dabei: ich auch nicht. Muss ich? Ich weiß es nicht.
Kleine Erfolgserlebnisse: mein Scheitern beim Flashen von ESP8266-Controllern liegt nicht an meiner Unfähigkeit, TTY-Ports via USB zu kriegen, sondern an gleich zwei Kabeln, die keine/defekte Datenleitungen haben und nur laden. Dem Feinstaubsensor steht dann hoffentlich nichts mehr im Weg.
Bei altpwr.net konnte ich günstig ein 80W-Solarpanel einpacken und geh grade in die konkretere Planung, wie man da nun eine zuverlässige Insellösung mit Akku/Laderegler für einen Freifunkrouter in der stromlosen Ecke von Utopiastadt hinbekommt, damit die WLAN-Gartenabdeckung endlich besser wird. Und nachdem die FTP-Situation die ersten zwei Tage etwas schwächlich blieb, musste ich dann doch am Tag 4 feststellen, dass die Notebookplatte vollgelaufen war.
Bleibt festzuhalten: All Computers Are Broken. Ich muss einen Feinstaubsensor und einen Solar-Freifunk-Accesspoint bauen, und vielleicht, ganz vielleicht brauche ich einen Plasmaschneider wie jeder vernünftige Mensch auch.
One Response to SHA2017, ein Rückblick aufs Hackercamp