Heute war a) Workout wie jeden Samstag und b) wurde Utopiastadt der „Social Sculpture Award“ verliehen: eine Auszeichnung als „Soziale Skulptur“ im Sinne von Beuys. Kreatives Formen von Gesellschaft bzw. dessen Akteure verstand er durchaus als Kunstwerk. Das ist an sich fein, dass es 10TEUR draufgibt, ohnehin, und dass dazu noch ein anschließendes Buffet kommt, nun, das verleitet mich zum Jammern auf hohem Niveau: Nach Brechstangenaction und Kellerfenstersanierung müssen es nicht grade die veganen Appetithäppchen sein, aber hey.
„Utopiastadt wird ausgezeichnet als ökologisch-soziales Modellprojekt, das den stillgelegten Mirker Bahnhof in Wuppertal einer neuen sozialen Nutzung zugeführt hat. Hier werden im Interesse einer aktiven Transformation unterschiedliche Initiativen zu einem vielfältigen Netzwerk zusammengeführt, das neue Impulse setzt, die der ganzen Region zugute kommen“,
schreibt es in der Presseerklärung der Social Sculpture Corporation, und ich kann das unterschreiben, ebenso wie das, was dann von der Stifterin, einem Juryangehörigen, OB Mucke und seitens ein, zwei UST-Vertretern laudatiiert und gedacht wurde. Über Denkanstöße und Würdigungen geh ich aber einfach mal im Schnelldurchlauf, weil ich zu was kommen will, was mir fehlte:
· unglaublich viele Projekte und Events
· von Coworkingspace zum Stadtentwicklungsprojekt
· Permanentes Aushandeln und Gestalten gesellschaftlichen Miteinanders
· integrativ grade auch in Bezug auf andere (städtische, soziale, ökonomische…) Akteure
· „ist“ oder „wird“ man soziale Skulptur (Kunstexperten sagen: sowohl als auch)
· Teilhabe/Partizipation und Niedrigschwelligkeit
· enorme Erhaltungs- und Gestaltungsleistung
· alle irgendwie verrückt
· Kunst in theoretischer Auseinandersetzung und praktischem Gestalten, dabei
· Reflexion im Sinne von *re*-flektieren (was gegebenes spiegeln/verarbeiten/bedenken) wie auch dem „ausstrahlen“ (utopisches Rausdenken)
· usw…
…und das ist ja alles wahr, schön und gut. Allein, mir ists zu verkopft. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ sei das bekannteste und missverstandenste Zitat Beuys‘, und wenn ich es zu weit interpretiere, versteh ichs gerne miss. Das vorangeschickt, mag ich ein paar weitere Statements anfügen:
· Das ganze Ding und jeder, der drin und drum rumspringt, ist verdammte Kunst.
· Man braucht dafür keinen Abschluss in Kunstgeschichte, kein besonderes Talent und muss nicht mal was arbeiten.
· Einen Ort zu schaffen und zu gestalten, an dem die typischen Verwertungs- und Kommerzialisierungslogiken einfach mal weitgehend außer Kraft sind, ist Kunst
· Jede/r, der/die sich auf der Liegewiese die Sonne auf den Bauch scheinen läßt, weil es geht, ist ein Teil davon.
Ich machs mir mit meinem Kunstbegriff vielleicht wirklich ein wenig einfach. Sie muss keinem Zweck dienen, es geht drum, dass sie eben ein Gefühl erzeugt. Und wenn ich eine Latte entspannter Leute an einem gemeinsamen Ort sehe, der so in dieser Form einfach vollkommen unwahrscheinlich ist, dann ist da a) ein Gefühl und b) gehts als allerletztes um Mittel für einen Zweck. Schön, Leuchtturm, schön, theoretische Hinterfütterung, oh, soziale Strahlkraft und ökologische Modellcharakter, hallo, bürgerschaftliches Engagement, aber wenn da eine neue Werkstatt fürs Repaircafe gebaut wird, wenn da endlich barrierefreie Klos ins Hauptgebäude kommen, wenn eine Veranstaltung geplant und gemacht wird, wenn ein verdammtes Apfelbäumchen gepflanzt oder ein historisches Kellerfenster arduinogesteuert LED-illuminiert wird, das ist alles Mittel. Der Zweck ist, dass wer dort ist und sich wohlfühlt. Und da, genau da, hören die Mittel auf und fängt die Kunst an.
Fühl dich wohl. Sei ein Kunstwerk. Ich hab grade noch den ganzen Hinterkopfkram, wie weit das für sich schon eben auch subversiv ist und und eine gegenkultur und weißgottwasnochnichtalles, aber auch das wär mir grade zu verkopft.