Mit „Homo Communis“ wurde ein Dokumentarfilm über eine Reihe Projekte gedreht, die sich auf unterschiedliche Weise um Gemeinwohlorientierung, Teilhabe und das gemeinsame Verändern der Welt zum Besseren drehen, und Utopiastadt war eines von fünf Projekten, die darin eine größere Rolle spielen. Nun lief er vor einiger Zeit beim Talflimmern, wir waren da und die Regisseurin auch, und was soll ich sagen, es gefiel mir an sich gut und dann auch einiges wieder nicht, und ich will ein wenig davon erzählen.
Um wen ging es? Um die Filmwebsite zu zitieren: um „Menschen …, die ihre Vision von Kooperation und Teilen leben und zu realisieren versuchen. Der Film spürt Orte solchen Tuns auf – jenseits von Markt und Staat. In Venezuela und Deutschland treffen wir auf Menschen, denen es um stabile Beziehungen, ein verlässliches Miteinander in Arbeit und Leben und ein Teilen der Ressourcen geht.“
– Cecosesola, Venezuela – eine Kooperative mit 23.000 Mitgliedern, die unter schwierigen und instabilen Verhältnissen für Nahrung, Jobs, Gesundheitsversorgung und gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen,
– Hofprojekt Kümper Heide, Dortmund: ein (Lern-)Bauernhof der „solidarischen Landwirtschaft, kooperativ von Erzeugern und Verbrauchern betrieben,
– We shut shit down, eine Aktivistengruppe im Hambacher Forst,
– Die Bewegung „Gemeinwohl-Ökonomie“ (GWÖ), ein internationaler Zusammenschluss gemeinwohlorienteriter Gruppen und Akteure sowie
– unsere Wenigkeit, Utiopiastadt.
Das ist eine interessante Kombination und das kann man so machen.
Vorab, die Regisseurin meinte im Gespräch, es sei vor allem für sie eine enorm bereichernde und den Horizont erweiternde Zeit gewesen, und das will ich ihr sehr gerne glauben. Die Vielfalt der Handlungsoptionen und der Gesellschaftsgestaltung – und um die gehts ja – kommt durchaus rüber und macht Hoffnung, eine gelegentlich knappe Ressource.
Cecosesola hat mir am meisten imponiert, das Projekt nimmt recht viel Raum ein und das ist auch gut so. Grundsätzlich ist das eine andere Größenordnung als die ebenfalls vorgestellten Projekte: eine großflächige Kommunalorganisation, die über die Versorgung mit dem Notwendigsten hinaus eine ganze Latte sozialer Dienste aufgebaut hat und nach genossenschaftlichem Muster zur Verfügung stellt – nicht umsonst, aber billiger. Entscheidungen werden kollektiv getroffen und das ganze a) funktioniert und b) trägt sich. Hier geht es aber an sich schon los mit meiner Kritisierei: klar, es gibt viel zu sehen und viel Hintergrund, aber da brauch ich mehr davon: was sind die widrigen Umstände? Wenn das so gut funktioniert, warum machens nicht alle? Wie gehen sie mit internen Problemen um? Gibts Trittbrettfahrer, wird das Prinzip ausgenutzt, an welche Grenzen stößt das konsensuelle Prinzip, wo schlagen die meiner Ansicht nach unvermeidlichen Meritokratien zu und was tut man dagegen? Ein bisschen weniger Leute beim Essen verteilen, zubereiten und Aufessen, ein wenig mehr Learnings zum mit nach Hause nehmen, mich hätts gefreut.
Der Dortmunder Lernbauernhof an der Stelle, weils im deutlich kleineren Maßstab genau um dasselbe geht: ich bin begeistert, wenn lokale Strukturen sowas tragen und das System funktioniert, ich finds großartig, wenn Kiddies ihre Kartoffeln einpflanzen können und Spaß dran haben, und grade bei dem Projekt fand ich das generationenübergreifende Miteinander eine sehr anschauliche und sehr angenehme Sache. Ich werd dann aber irgendwann ein wenig ungeduldig, wenn halt angebaut, geerntet, gekocht und gegessen wird und sich darin die gezeigte Aktivität erschöpft: das ist alles gut, richtig und wichtig, aber wir haben eine arbeitsteilige Gesellschaft mit sehr kleinen Erwerbsanteilen im Bereich Ackerbau und Viehzucht. Mag meine Wahrnehmung sein, aber ich seh das und daneben sehr viel sehr drastische weitere Automatisierung. Whatever, ich komm nochmal drauf zurück.
Unsere Wenigkeit. Einige hats gestört, dass der erste Blick auf Utopiastadt nun ausgerechnet den Trassenjam zeigte („Wir machen doch nicht hauptamtlich Party und Festival?“), ich halts da eher mit dem „Die Revolution muss Spass machen“, aber geschenkt. Problem der Innensicht, man kann natürlich 90 Minuten Utopiastadt drehen und hat trotzdem die Facetten nicht alle erfasst. Die Sanierung klang eher ausführlich an, die Reparaturcafes, beim Festival die Spendenbasis, und natürlich, hihi, der Garten.
Was gut rüberkam: das Konzept Selbstwirksamkeit und Gestaltungsmöglichkeiten, weiter auch, dass es natürlich auch immer ein Stück das eigene Interesse ist, das zum Handeln, Mitmachen, gemeinwohlorientierten Aufbauen von was auch immer motiviert. Aber halt mein Problem, dass sich ein wenig durchzieht: das große Bild blieb in meinen Augen irgendwie vage. Ich denke, es lässt sich durchaus vermitteln, dass es bei vielen Aspekten von Utopiastadt um die Schaffung von Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe geht, diese nach Möglichkeit weit entkoppelt von Logiken ökonomischer Verwertung oder sozialer Situation. Das zieht sich ja durch, begonnen mit Foodsharing und Only Hut bis zum besagten Festival. Ein Reparaturcafe oder eine Schrauberwerkstatt ist halt nicht oder nicht nur eine Hipsterspielwiese, sondern schafft ganz konkret Teilhabemöglichkeiten und Mehrwerte für Menschen, die sich das von der herrschenden Ökonomie bevorzugte Prinzip von wegschmeißen, neu kaufen halt nicht leisten können usw.
Ich tu wahrscheinlich den Leuten von GWÖ ein wenig unrecht, denn die nahm ich immer ein wenig als „Debattierclub“ wahr, es sei denn, die RZ-Ausstatter waren da Teil von: von denen hätte ich mir mehr gewünscht bzw. mehr konkrete Projekte dieser Art. GWÖ blieb bei mir ansonsten ein wenig farblos und verkopft: sie hatten irgendwann mal Besuch aus Cecosesola, wenn ich das alles richtig verknüpft habe (bitte gern korrigieren, wenn nicht!), und ich kann mir nicht helfen, da hatte ich das Gefühl, deutsche Diskussionskultur sozialökologisch bewegter Kreise trifft handfeste Realität. Versteht mich nicht falsch, ich finde da Austausch und voneinander lernen eine großartige Sache, siehe oben, ich würd gern mehr lernen, aber auch hier: was konkret gelernt und mitgenommen wurde, blieb für mich eher vage.
Bei We shut shit down ist alles ein wenig einfacher. Aktivisten, die den Hambi besetzen, Greta Thunberg kommt zu Besuch, eine erfolgreiche Blockadeaktion im Braunkohletagebuch und einige Statements darüber, dass die Scheiße, die abgeht, so nicht weiter abgehen kann. Alles gut, richtig, wichtig und hoffnungmachend. Hier ist auch mein Anspruch nicht, wirklich viel „zu lernen“, sei es über die Dringlichkeit der Klimakatastrophe und die unsägliche Ignoranz der verantwortlichen Vollpfosten, und naheliegenerweise auch nicht wirklich was zu Protestformen und Bauanleitungen für Baumhütten. Hier setzt sich eine erfreulich große Gemeinschaft für gute und richtige Sachen ein und es ist unmittelbar einleuchtend. Alles prima.
Der Gesamteindruck? Mir wars zuviel Landwirtschaft, auch und grade da, wo man was anderes hätte in den Vordergrund stellen könmnen. Versteht mich nicht falsch, ich hab nichts gegen Ökobauern und erst recht nichts gegen das Wiederentdecken, woher der Kram kommt und wie er entsteht, den wir essen und trinken, das hat alles schöne Nichtentfremdungsaspekte, aber dass eine Gesellschaft, in der alle Kohl anbauen, Kohl ernten und Kohl essen, leichter solidarische Haltungen entwickelt, geschenkt. Das wissen wir seit Durkheims mechanischer Solidarität, und der hat die verdammte Soziologie erfunden, ich bin aber sehr für arbeitsteilige Gesellschaft und industrielle Massenproduktion, das hat ein paar handfeste Vorzüge, wenns drum geht, größere Menschenmengen am kacken zu halten.
Handwerklich kriegts in der zweiten Hälfte Längen. Mag an mir liegen, weil man doch einiges schon kennt und/oder jetzt nicht mehr länger schlichte Freude darüber empfinden kann, dass es auch in unserer Gesellschaft die Ecken gibt, wo generationenübergreifend und kooperativ gelebt, gearbeitet, gegessen und wasweißichnoch wird. Auch hier, YMMV, ich will da lieber mehr Details und vor allem Probleme und Problemlösungsstrategien! sehen.
Wo bleibt das Positive? Der Film zeigt durchaus, was er ankündigt: „homo communis“, gemeinschaftlich aktive Menschen, unterschiedlichste Projekte und Organisationsformen, die sich aufs Gemeinwohl fokussieren, und das durchgehend durchaus gut machen. Er zeigt vor allem, dass das nicht immer einfach, aber bereichernd und gut ist.
Vielleicht trivial, aber geschenkt: der „Typ Mensch“, der einem in unterschiedlichsten Projekten begegnet, ist natürlich vielfältig und unterschiedlich, aber durchgehend von erstaunlicher Nichtarschlochhaftigkeit. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Arschlöcher eher weniger gemeinwohlorientiert betätigen, aber hey – es springt ins Auge und darf ruhig zur Kenntnis genommen werden. Zu guter Letzt: wir sind viele und machen an vielen Ecken der Welt was, und das durchaus erfolgreich. Himmel, es liegt an Leuten wie denen im Film, dass der Planet und die Gesellschaft noch nicht vollkommen im Arsch sind, und das sag ich nicht, weil ich auch wo im Hintergrund rumspringe, das ist verdammt nochmal so. Und das mal auf dem Tablett zu haben, auch mit ein paar Romatisierereien und Naivitäten, fuck it, wir brauchen viel mehr davon.