Mastodon, Fediverse, ein paar Gedanken (feat. Marketing)

Ja, ich auch. Ja, wegen Musk. Ein rassistischer Vollidiot, geschenkt, aber (nicht erst) seit der Twitterübernahme ein gefährlicher Vollidiot, und wenn ich mein Scherflein beitragen kann, ihm da das Leben schwerer zu machen, so be it. Ich hab mir einen Acc auf mastodon.lol geklickt, weil der mir sympathisch aussah und nicht einer der „gehen grade alle hin/wird überlastet“-Kandidaten zu sein schien – heute dann Serverupgrade, aber hey, bzw. fein. er war dann eben doch einer der „permanent überlastet“-Kandidaten, wobei Nathan da grade einen guten Job macht mit Kisten nachprovisionieren. Mir wars dann aber doch ein wenig zu viel Geruckel und ich zog nach nrw.social um. Fünf Minuten, und die Sache war durch (disclaimer: Follower wurden automatisch migriert, meine Followings zog ich per Export/Import rüber – ich tippe drauf, dass es der überlastete mastodon.lol war, der das ausbremste). Long story short – im Nachgang den Server wechseln ist easy. Die einschlägigen Nazi-Instanzen sind auf meiner alter wie neuer Kiste jedenfalls gesperrt, ich für meinen Teil halte das für eine Gute Sache, weil ich durchaus weiß, was das Pack denkt und will, und weil ihre wie auch immer geartete Beteiligung an der Kommunikation vollkommen sinnfrei ist.

Mastodonte, Crossposter

Mastodonte, Crossposter

Einstiegserleichternde Mittel: Guter Einstiegspunkt zur Serverwahl ist joinmastodon. Luca hat den Fedifinder gebaut zum schnellen Scannen der Twittertimeline nach Mastodon-Acc-Infos zum nebenan folgen. Crossposter: masto.donte, Richtung Mastodon->Twitter, andersrum ists blödsinnig. Weiter: man stöbert nach langer Zeit mal wieder Freundeslisten anderer Leute durch und guckt nach bekannten oder interessanten Gesichtern. Long story short: man kriegt seine Timeline an sich recht flugs frequentiert, auf der anderen Seite braucht die Reichweite im Twittersinn länger. Was aber nicht so der Punkt zu sein scheint: denn man kommt leicht ins Gespräch. Mobil: unter iOS ist man mit Metatext sehr gut bedient.

Wie fühlts sich an? Ich schließe mich allen anderen an, klar ists flauschiger. Nicht im Sinne von „Alle furchtbar lieb und höflich“, man merkt eher einfach, dass der destruktive Mist, wie man ihn von woanders kennt, drastisch reduziert ist. Es ruckelt einiges etwas – ein paar Server kriegen grade Upgrades (oder brauchen welche), und die Federation über Instanzen macht einiges (Followen auf anderen Instanzen zB) nicht ganz so flüssig, wie mans von den Monolithen kennt. Man gewöhnt sich, für mich kein Dealbreaker. Es gibt Leute, die wegen chronologischer Timeline etwas hin- und hergerissen sind, nachdem ich Twitter mühsam die „empfohlene“ Timeline abgewöhnte, bin ich da kein Maßstab. Hashtags sind deutlich wichtiger (für Suche und für Kommunikation), da sehe ich bisher noch Defizite (ka., ob bei mir oder bei allen anderen). Da finde ich noch nicht so recht die „Andockpunkte“ für Austausch, Bubbles, whatever. Trends scheinen mir federation-bedingt nicht wirklich abzubilden, „was passiert“.

Kein SEO? Ich bin da!

Tja, und die „professionelle Nutzung“. Twitter hat sein dickstes Pfund bei den gewachsenen Netzwerk- und Kommunikationsstrukturen insbesondere der Journo- und Politblasen, und daran die Möglichkeiten für weitere Bubbles, da Gehör zu finden. Diesbezüglich Shoutout an social.bund.de, das ist schon eine sehr schöne Sache. Ansonsten kann ich hier schwer mitreden mangels Nichtzugehörigkeit. Bisher kann ich aber immerhin berichten, eine interessante Unterhaltung zum Thema Unternehmen/PR auf Mastodon geführt zu haben, aber noch keine und eine Antwort auf meine Frage ans LGBTQI*-inclusive und sexpositive Fediverse, wie man Dildos vorwärmt. YMMV, es ist so ne Sache mit den Ein-Untersuchungseinheiten-Stichproben.

Das Fediverse versagt (Update: nicht) beim Anwärmen von Sextoys.

Das Fediverse versagt (Update: nicht) beim Anwärmen von Sextoys.

Ich glaube, der Denkfehler beim „professionell nutzenwollen“ bei Mastodon ist die Denke, dass man hier auch wieder einen one-to-many-Kommunikationskanal, wahlweise „das“ Netzwerk seiner Kontakte, Quellen etc. aufbauen will. Ich denke, beides geht durchaus, aber es geht etwas am Punkt vorbei. Mehr als andere Netzwerke/Plattformen bislang scheint mir Mastodon auch und gerade ein „Wohnzimmer“ sein zu wollen, das seit IRC und dem Untergang der Blogosphäre mitte der Nuller vermisst wurde. Nur ists gleich ein Wohnzimmer mit diversen Anbauten und beliebig nahen weiteren Räumlichkeiten, Meetingpoints etc. In nem Jahr können wir schauen, ob mich der Eindruck trügte.

Bis dahin aber ein wenig FOMO-Überlegungen für die Marketingblase. Was nicht mal so bewusst auffällt, aber wirklich was ausmacht, ist das Fehlen der üblichen „gekauften Reichweite“ auf Mastodon (aka „Werbung“), und himmel, ist das entspannend. Gründe leichterklärt: man kann keine Reichweite kaufen und ich halte das für eine hervorragende Sache. Damit fallen halt aber ein paar klassische Methoden weg. Eben mal Geld gegen Reichweite/Bekanntheit eintauschen geht nicht. Aufmerksamkeit einkaufen geht nicht. Allein schon die „Willkommenskultur“ ist eine vollständig andere – im herkömmlichen Fall ist man Werbekunde, der Geld bringt, und wird entsprechend hofiert. Im Fediverse ist man ein Account mit Werbeabsicht und sollte sich vielleicht schon vor Anmeldung Gedanken machen, auf welchem Server man das tut. Im Fall meines Arbeitgebers würd ich mit der Medibubble einen natürlichen Hafen erkennen wollen, aber wenn man meinetwegen Heckler&Koch heißt, ists wieder was anderes.

Das nächste: was tun? meine Vermutung ist, dass die ganzen „Kundenkontaktaccounts“ im Fediverse durchaus eine gute Zeit mit allen Beteiligten haben können. Ich seh nicht, was nun DHL, die Bahn, die BVG oder meinetwegen auch Vodafone davon abhalten sollte, nun eben auch auf Mastodon erreichbar zu sein. Agendasetting wird schwer, Kundenkommunikation scheint mir aber duchaus sinnvoll bis erwünscht. Persönlich stell ich es mir für Daimler eher schwerer vor als für die taz, aber das bin auch nur ich. Im übrigen werden einige kommerzielle Player grade im Medienmarkt schon längst per Bot ins Fediverse gefeedet (und ich nehme es weiter als Problem wahr, dass das auch mit einer ganze Latte Personenaccounts von Twitter passiert, letzteres in der Regel ungefragt). Ich rechne eher damit, dass in Zukunft mehr kommerzielle Akteure im Fediverse auftauchen werden, egal, was der Schwarm davon hält, weil man sie schlecht reinfeeden, aber nicht mitreden lassen kann, und in Sachen Reinfeeden scheint die normative Kraft des Faktischen erbarmungslos zuzuschlagen.

Doch eine Portion Leute.

Bleibt die Gretchenfrage: lohnts den Aufriss?, sollte man die Zukunft(tm) nicht lieber mit nem Engagement bei zB. tiktok, mit bekannteren Mechanismen und um Größenordnungen höheren Reichweitenpotentialen angehen? Tja, wie es euch gefällt, es sind vollkommen verschiedene Baustellen. Nach wie vor kommt mir Mastodon eher nischig mit einer eher kleinen und vergleichsweise nerdigen Zielgruppe vor, aber es heißt, die sei für manche Leute durchaus interessant. Im Übrigen kommt mir die klassische „Reichweitendenke“ aber auch nicht wirklich passend vor, weils ein anderes Spiel ist. Wenn ich unter „professionell“ nicht nur stumpfes „Ich kann Geld auf Probleme werfen“ verstehe, dann ergeben sich einige spannende Deja-Vus:

· „Professionelle“ Netzkommunikation hat sehr lang im Usenet stattgefunden (einem qua definitionem extrem werbearmen/schwer kommerzialisierbarem Format)
· bis heute sehen wir im Techsegment eine erstaunliche Haltbarkeit von Mailinglisten (Linux, anyone?).
· Demgegenüber versuchen sich kommerzielle Player an der Art von Plattform, aber scheinen zu scheitern (Xing als Selbstvermarktungsplattform par excellence macht ausgerechnet ihr „Gruppen“-Feature dicht, wo eigentlich professionelle „Wohnzimmerkommunikation“ qua Definition passieren soll).

Das sind jetzt ein paar wenig sortierte Beobachtungen, die mich denken lassen, an sowas wie „professionellen Wohnzimmern“ gibts schon nen Bedarf, und das wäre so eine Metapher, nach deren Anwendbarkeit ich bei Mastodon Ausschau halten würde. Und ich kann mir gut vorstellen, dass da grade die „professionellen Player“ durchaus willkommen sein können. Dafür müssen sie was anbieten und – letzteres bin ich recht sicher – gäbe es auch viel zu lernen und zu erfahren. Nur nen ROAS wird man da nicht wirklich messen können bzw., wenn man das will, ist man schon komplett falsch unterwegs. Für wen sich das lohnt bzw. deutlich besser gefragt, für wen das *sinnvoll ist*, trau ich mich nichts generelles zu raten. Ob und warum das für alle Involvierten eine Gute Sache(tm) sein könnte, und warum, und wie man das umgesetzt kriegt, das sollte man sich aber vorher fragen und beantworten.

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