Effizientes Depressionsentsorgen mit SpOn und ORF

Man merkt, dass sich schon lang kein depressiver Fussballer aufgehängt hat, denn auf Spiegel Online entblödet man sich mal wieder mit „Depressive sollen an die frische Luft statt Medis nehmen“-Artikeln, basierend auf einer finnischen Studie, die das belegt haben soll. Long story short: das hat sie nicht, und das Agendasetting gegen das wirksame Behandeln einer schweren Erkrankung ist mal wieder dämlich bis bösartig. Schnell dekonstruiert.

Nein, tut er nicht.

Ob der Waldspaziergang Psychopharmaka ersetzen kann, wird rhetorisch gefragt, und ich mag direkt die Antwort geben: nein, kann er natürlich nicht. Es ist leider viel trivialer: Menschen ohne Depressionen gehen öfter raus. Mehr gibt die Studie nicht her, aber hey, als Anlass, um Kranken in die Fresse zu treten, das geht immer.

„Wer drei- bis viermal pro Woche ins Grüne geht, bei dem verringert sich die Chance, Medikamente gegen psychische Belastungen zu nehmen, um ein Drittel“ behauptet „AKL“, und ich behaupte, Gestalten wie „AKL“ sollten hochkant aus jeder Wissenschaftsredaktion fliegen. Die Studie dazu gibts nämlich im Volltext, und man muss sie nur sehr oberflächlich querlesen, um zu verstehen, dass hier gemessen wurde, wie sich die Waldspazier-Gruppe von der Nicht-Waldspaziergruppe in Sachen Medikamenteeinnahme unterscheiden. Und oh Wunder, die Spaziergänger nehmen weniger. Das wird immer klar rausgestellt. Abschließend wirds sogar genannt als eine der „stärksten Limitierungen“ der Studie:

„…Especially, when exposure variables describe the active use of green spaces, such as visiting green spaces, and the temporal order is not evident, it is possible that the findings reflect the fact that better health enables a person to spend more time outdoors.“

Kurz/deutsch:
Das Ergebnis könne auch bedeuten, dass gesündere Leute mehr rausgehen.

Notwendige Richtigstellung

Notwendige Richtigstellung

Klassischer Fall von Kausalitätsverwechslung? a la „der Brandschaden ist umso höher, je mehr Feuerwehrleute löschen“? Das lernt man in Statistik 1, ich mags als Entschuldigung nicht mehr gelten lassen. Das ist einmal mehr die klassische Denke „Naja, so ne richtige Krankheit ist das ja nicht, und wenn die mehr an der frischen Luft wären, würds ihnen auch besser gehen.“ Wenns ihnen besser ginge, könnten sie mehr an die frische Luft, du Vollidiot. Ha, Studienidee! Wir gehen auf die Skipiste und fragen Leute nach der Behandlung gegen ihre Querschnittslähmung, und oh Wunder, die gibts dort viel seltener als beim Bevölkerungsschnitt. Nächste Woche titelt Spon „Rollifahrer, fahrt mehr Ski!“

Das grundsätzliche Problem wie schon mehrmals aus gegebenen Anlässen bemerkt: oft genug können die Leute das nicht. Klar tut ein Spaziergang draußen gut, und eine wirksame Behandlung ermöglicht es Menschen mit Depressionen, wieder raus zu gehen. Oft genug halt erst die.

Korrektur: Menschen, die weniger Medikamente brauchen, gehen mehr ins Grüne.

Korrektur: Menschen, die weniger Medikamente brauchen, gehen mehr ins Grüne.

Wie auch immer. Persönlich kann ich mir das langsam nur noch mit Bösartigkeit erklären. Wer „Parks statt Psychopharmaka“ titelt, ist ein verantwortungsloses Arschloch, das Menschen die Schuld an ihrer Erkrankung zuschiebt. Mit „Grünräume statt Medikamente“ stößt nebenbei Eva Obermüller vom ORF (science.ORF!) ins selbe Horn zur selben Studie, nur mit dem Alliterieren beim Beschimpfen von Kranken hauts noch nicht so gut hin wie bei SpOn. Auch da wird wider die Faktenlage gelogen, Menschen „…brauchen deutlich weniger Medikamente, wenn sie regelmäßig Parks und andere Grünanlagen besuchen.“ Nein, Eva, die Menschen, die weniger Medikamente brauchen, gehen häufiger ins Grüne.

Einmal mehr: wer Menschen suggeriert, sie können ihre Medikation absetzen, wenn sie nur mehr im Wald spazierengingen, ist wahlweise verantwortungslos oder ein Vollidiot und trägt Mitschuld an jedem, der sich anschließend dort aufhängt. Wie es kommt, dass solche Menschen auf großen, „seriösen“ Medienplattformen in der verdammten Wissenschaftsrubrik ihr Gift verspritzen können, ohne auch nur ansatzweise was von Kausalitäten und Korrelationen begriffen zu haben und/oder ohne die verdammte Studie und ihre Methodik überhaupt zu kapieren, über die sie schreiben, ich verstehs nicht, wobei, Fachkräftemangel, oder zuviel den Covidioten nach dem Maul geredet, ach, lasst stecken. Es ist zum Kotzen.

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