Google hassen sollte eine meiner Soft Skills sein, der auch gesellschaftlich akzeptiert ist, meine Gründe sind nicht immer mehrheitsfähig, aber vielleicht mag sich doch wer mitärgern oder in sich reingrinsen. Warum indessen die Datenschutzblase keine Party macht, versteh ich nicht recht, wobei, vielleicht doch, ein nicht unbedeutender Teil derselben ist schlicht nicht wirklich frisch unterwegs, aber nun, Probleme anderer Leute. Google hassen, Google Analytics 4.
Ich bin gewillt, den inzwischen ein Jahr laufenden Übergang in weiten Teilen als durchaus beachtlich einzuschätzen, weil ich mir vage vorstellen kann, was es heißt, ein von sehr vielen Menschen sehr extensiv genutztes Tool mit einer gigantischen Datenbasis, einer Unzahl an Schnittstellen, Metriken, Analyseprozessen etc. im laufenden Betrieb auf Datacenterebene neu zu bauen, wir reden hier ja von vermuteten Serverrack-Kilometern, die da am Rödeln sind. Aber. ABER.
Drei Wochen sinds noch, dann dreht Google Universal Analytics den Saft ab, dann gibts nur noch GA4. Dort finde ich elementare Metriken in der Live-Ansicht (Echtzeit/letzte 30 Min) durchaus und in den Berichten… nicht. Die will man dann in einer nach wie vor unsäglich frickligen „explorativen Analyse“ nachbauen und die entsprechenden Werte werden nicht gefunden. Da will man den Kram im Datastudio, verzeihung, im neuen, viel besseren Lookerstudio bauen und der Google-Connector schiebt die Dimensionen/Metriken nicht durch. Die Daten sind aber alle da, man kann sie nur nicht analysieren. Verzeihung, man kanns unter Umständen doch, wenn man einen Drittanbieter-Connector von Supermetrics verwendet, der gegen eine geringe Gebühr verwendet werden kann und skurrilerweise knapp Faktor drei mehr Messwerte/Dimensionen Richtung Looker schiebt. Warum, gottverdammt, WARUM in drei Teufels Namen?
Da werden eCommerce-Daten nicht angezeigt, wenn man nicht ihre Parameter in GA4 alle erst mal durchdefiniert, obwohls Standardmetriken sind (page_location, ey, trieft von Exotik), die man (folgend oft bemühbarer Satz: to add insult to injury) in den Echtzeitdaten auch noch sieht. Ich vermute schwer, die Arbeit, die man sich hier macht, ist in drei Wochen überflüssig, weils dann OOTB geht. Aber will man sich drauf verlassen? Nach den Vorgeschichten bislang? Und Googles Deadline-Vorgehensweisen?
Ha, ich hatte hier auf dem Blog mal Google Adsense, und wißt ihr was? Für Adsense soll es demnächst eine Datenverbindung zu GA4 geben. Demnächst. Für Adsense. Die beschissen dickste Display-Werbeplattform im WWW.
Da sagt Google, dass sie grade was am bauen sind und man deswegen, haha, zügig zu GA4 wechseln soll.
Spürt ihr verdammt nochmal überhaupt noch irgendwas? Oder baut ihr grade alle am nächsten Large Language Model und habt keine Zeit mehr für Brot und Butter-Tech, den ja nur die ganzen Deppen einsetzen, mit denen ihr eure Kohle verdient?
Ich vermute schwer, ja, und wahrscheinlich auch da mit beschissenem Erfolg, sonst hätte man mal einen Google Bard-Ableger drauf trainieren können, wenigstens die elementareren Anfragen im Analytics Support-Forum von Google mit einem hingerotzt-teilpersonalisierten „das geht noch nicht, aber zweifellos bald, bleibt geduldig und zuversichtlich“ zu beglücken. Dort stapeln sich seit *MONATEN* die Supportanfragen eurer verdammten Kunden und, nun, man kann natürlich auch einfach „Fickt euch“ unter jeden verdammten einzelnen Post schreiben, aber das wäre wahrscheinlich schon zu viel der Aufmerksamkeit:
Und an sich kann man jetzt aus diversen Ecken die Schadenfreude auspacken, was verlässt man sich auch auf ein Gratistool eines Monopolisten, geschieht doch allen recht usw. Geschenkt, den Lacher gönne ich gerne und er passt ja auch zur intellektuellen Schlichtheit einer gewissen Klientel. Wer sich das ganze etwas ernsthafter ansieht, wird feststellen, dass das alles doch einigermaßen überraschend kommt angesichts einiger Faktoren:
· Google macht vermeintlich ohne Not ein paar Leute recht ärgerlich, und zwar
· genau die Leute, die genau diese Tools einsetzen, mit denen Google praktisch ausschließlich ihr Geld verdient,
· (welches Alphabet an anderer Stelle für diversen Techbro-Schwachsinn verbrennen kann, aber geschenkt),
· und betont seit Wochen, an der Deadline, wo die UA-Lebenserhaltung abgestellt wird, ändert sich nichts. Nur,
· bekäme der Himmel ein Loch, wenn man sagen würde, ach, schieben wir bis Ende 2023, lasst uns alle unseren Kram fertigbauen und währenddessen Geld verdienen?
Man muss dazusagen: ich bin stocksauer, aber wir stehen vergleichsweise traumhaft vorbereitet da (Hat Tip an Axel). Mich nerven Sachen, von denen ich weiß, sie werden umständlich werden, sie werden teils nicht direkt analysierbar, aber da sein, wir kommen genau da an, wo wir hinwollen, und auf dem Weg ist man gelegentlich angepisst. Es gibt andere Akteure, bei denen ich echte und vollkommen berechtigte Existenzängste ahne. Auch hier: über die Angemessenheit von Mitleid mag man streiten, aber das sind Leute, mit denen hat Google bis einschließlich Ende Juni verdammt viel Geld verdient und sie werdens anschließend wahrscheinlich nicht mehr tun. Warum?
Ich bleibe dabei: weil Google nicht nur die Daten aus GA4, sondern insbesondere die Erhebungs- und Analysemethoden datenschutztechnisch massiv die Finger verbrennen und sie den ganzen Kram so schnell wie möglich loswerden wollen. GA4 kann ohne Cookies messen. Das ist nichttrivial, weil HTTP eben ein zustandloses Protokoll ist und man ohne Cookies ganz andere Probleme kriegt, wenn man feststellen will, wer jetzt eine Session erzeugt hat. GA4 dreht Messmethoden, die persönliche Identifikationen erlauben, ganz erheblich den Hahn zu (kurz nebenbei gekotzt: und schießt übers Ziel raus dabei, denn man hat recht häufig ohne Not „keine Daten“ in GA4 wegen „könnte zu kleines Sample für Anonymität sein“. Die man nebenan im Lookerstudio problemlos raussegmentieren und, oh Wunder, niemanden identifizieren kann). Sie haben tatsächlich den Mess- und Datenunterbau komplett neu gebaut, soweit ich das einschätzen kann. Ich bin recht sicher, mit dem erklärten Ziel, ein für allemal DSGVO-konformen Betrieb zu ermöglichen, „Ermöglichen“ ist wichtig, weil für ein „per default“ wird niemand seine Hand ins Feuer leben wollen, aber man könnte. Und das unter erheblichem, grade laufendem Aufwand, der offenbar höher priorisiert ist als vieles, was die eigentliche Nutzerschaft will bis braucht.
Und einmal mehr: an sich sollten ein paar Leute feiern, aber ich seh nichts davon und bin der einigermaßen festen Überzeugung, dass das mit weitgehender Freiheit von Wissen um faktische Methoden, zwecke und Motive von Tracking und Trafficanalyse zu tun hat. Um ein gewisses Motiv wieder aufzugreifen: mein Mitleid hält sich in vernünftigen Grenzen.
3 Responses to Google Analytics 4: Google-Probleme, GA4-Prios und nicht feiernde Datenschützer