Die Tradition vergess ich gelegentlich, und allein schon fürs gelegentlich auch Falschliegen sollte ich das mehr kultivieren: was ist 2023 passiert und was wird 2024 kommen?
Alle Welt redet über KI und SGE. KI halte ich in erster Linie für eine Nebelkerze, was SEO betrifft: Werkzeug ja, Contentgenerierung nein. Schlicht aus dem Grund, weil EEAT so derart „nicht-KI-generiert“ ist wie nur etwas sein kann. Wer meint, nichtvorhandene Experience und Expertise mit KI-Tools vorgaukeln zu können, ist weder experienced noch Experte. Wer EEAT hat, wird sie meistenteils selber ausspielen, vulgo „erstellen“ wollen und nicht generieren lassen. Btw., in dem Kontext erstaunlich angenehm finde ich Neil Patel, der zwar das bekannte „Inhalte!“ kickt, mit dem bemerkenswerten Hinweis, dass es mehr Inhalte gibt als Leute, die danach suchen. Wohlgemerkt, er redet dabei nicht mal von der erwartbaren KI-Müllschwemme, sondern schlicht vom Kram, der jetzt schon so im Netz steht.
Die SGE ist ein anderes Paar Stiefel. SEMrush hat da mal einen ganz interessanten Take, klar ein „da will man auftauchen“, wobei mir das recht analog zum „Wir wollen in die Featured Snippets“ erscheint und die entsprechenden Strategien nicht so neu sind, wie man denkt. Nur gibts jetzt halt drei davon und nicht nur eins. Analog ihr Take (und charmante Begriffsetablierung) „Answer Engine Optimization“. Man will in den generierten Antworten auftauchen, ergo Strategie Q/A. Das kennen wir nun auch schon seit JSON-LD und auch hier ändert sich im Prinzip daher nichts, nur ist AEO ein schickes neues Akronym für die Sales-Folien. Nur einmal mehr keine Erwähnung von KGs, was mich nach wie vor irgendwie verblüfft.
Was IMO sehr verblüffernderweise flächendeckend fehlt: die Gedanken zur Monetarisierung. Einmal mehr: KI ist teuer, egal wo. Es wird über die SGE geredet, als sei sie ein kommendes Naturgesetz. Fakt ist: ein SGE-Output ist für Google um ein Vielfaches teurer als eine „normale“ Suchergebnisseite (ob Faktor 20 oder mehr, so what). Suche heute ist für Google eine Gelddruckmaschine, Suche plus SGE wird ein Geldscheiterhaufen. Was bedeutet das? Ich weiß es nicht, aber irgendwoher muss das Geld kommen, die Frage ist nur, kann 2024 weiter Geld verbrannt werden oder kommt irgendwann in Q3 die Fibu und sagt, jetzt aber yalla, Beitrag zum operativen Ergebnis. Optionen, anyone?
– SGE plus Ads. Die müssten theoretisch Faktor 20 teurer sein als Standard-Search-Ads, wenn sie analog die Suche gegenfinanzieren. oder es werden halt Faktor 20 mehr gespielt. Klingt mir beides komisch.
– Suchmaschine Plus, SGE als Paid Service? Seh ich irgendwie gar nicht.
– Querfinanziert aus anderen Geldquellen (teure Clouddienste, Display, Programmatic Advertising)? Cloud ist nicht Googles Kernkompetenz, da sind sie zur Abwechslung weder Markt- noch Innovationsführer, entsprechend kleiner Hebel. Display und andere Werbeformen? Ich sehs überhaupt nicht, weil Google 2024 cookiefrei wird und Targeted Advertising bestenfalls noch „ähnlich gut“ funktionierten wird als in den Hochzeiten des Individualtrackings.
– Burn, venture Capital, burn! Immer gern genommen und wahrscheinliche Option zumindest fürs kommende Jahr. Das Tragische ist halt, dass das keine Kiste ist, wo man ein paar kleinere Player halt an die Wand drückt, bis sie pleite sind, ergo werden Google, MS/OpenAI und noch zwei, drei weitere Großakteure noch ein weiteres Jahr lang den Planeten abfackeln, bis klar ist, wer den Dicksten hat.
Wahrscheinlich also eine Mischung als alldem, aber whatever. Mein Tipp wäre, dass der Endgegner von SEO 2024 weniger SGE-SERPspace ist, sondern Paid, aus soeben benannten Gründen. Spannend finde ich auch die Frage, inwieweit das „die KI halluziniert irgendwas“ ergänzt wird zu „Die KI generiert gesponsorte Inhalte und gewichtet entsprechend“, denn natürlich muss KI-generierter Content, egal wo, eben auch monetarisiert werden. Meiner Ansicht nach ein wenig der Elefant im Raum, der irgendwie ignoriert wird, aber ja nun.
In ungefähr dem Kontext finde ich den SEMrush-Artikel in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist er einer der wenigen, die mir Hand und Fuß zu haben scheinen, was Inhalte über das übliche „KI ändert alles, macht geilen Content, Voice Search jetzt aber endlich, SEO ist nicht tot“-Phrasengedresche hinaus angeht. Zum anderen wird von einem „ethical approach“ gesprochen, was in der Branche selten passiert und bei mir offene Türen einrennt. Zu schade, dass das einzige weitere Auftauchen des Wortes „ethical“ drei Zeilen später kommt mit Googles angeblicher Forderung, mit EEAT eine „ethical, high-quality content production“ einzufordern. Ist dem so? Die Frage scheint mir spannend, die Antwort ein „Das nähere definiert ein Machine Learning-Algorithmus“ zu sein.
Tja, und was sonst? Ich vertrete ja die Ansicht, selbst für Google ist das eigene Kernprodukt inzwischen eine Blackbox geworden, auch wenn meine Seite nach wie vor angenehm passend gefunden wird.
Dieser Prozess wird sich wenig überraschend fortsetzen. Ich ahne da Ausweitungen nicht nur in Richtung SGE, sondern insbesondere bei Tracking und Ads. Nur eben nicht in Richtung „wird alles intelligenter und genauer“, sondern im Gegenteil, das wird unschärfer und schwerer nachzuvollziehen bzw. zu steuern. Wir sehen in Analytics teils „extrapolierte“ Daten. Die scheinen mir zuverlässiger zu sein als das, was ich mit 1stparty-Tracking via Matomo sehe, aber ich kann (dem Datenschutz sei Dank) natürlich nicht in die einzelnen User/Sessions gehen, um mir das im Detail anzusehen. Der Effekt ist derselbe wie bei der Blackbox Suche: Solang alles passt, ist alles gut, und wenn nicht, dann kann man halt nichts machen.
Dasselbe sehen wir bei Ads. Ich bin recht sicher, die diversen Fehlleistungen Googles diesbezüglich (Heimatstadt Wien, nev4r f0rget) sind in der letzten Zeit nicht besser geworden.
Ich hab weder niederländisch gelernt noch ein würdevoll alterndes Bildnis des Ruppsel Grau im Keller und ahne, mit dem Ende des personalisierten Trackings und der 3rd Party-Cookies wird das nicht besser. Einmal mehr: die Datenschützer sollten feiern, aber ich habe begründete Zweifel, dass der Intellekt ausreicht, um zu kapieren, was hier passiert. Mir soll das alles im Prinzip ja auch egal sein, aber ich ahne eben den Monetarisierungsdruck, der aus zwangsläufig ungenauerer Werbeausspielung und damit einhergehender Mindereinnahmen resultiert, und man kann dazu stehen wie man will, aber es sind Effekte zu erwarten und als Branchenangehöriger wird man sich dazu verhalten müssen. Bzw., wir werden uns 2024 mit den Auswirkungen dieser Prozessse rumschlagen.
Wie? Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, aber mir scheint die Frage wichtig zu stellen. Wer nach was anderem hier gesucht hat: CWV sind wichtig, EEAT ist der heiße Scheiß, Backlinks sind nicht tot und Search Intent, Search Intent und Search Intent sind die Lösungen für alle unsere Probleme.
Frohes Neues, und Nazis aufs Maul.
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