Ich bin ein alter Mann und deswegen werden es eher 30 als 20 Jahre sein, dass ich Dune gelesen hatte. Korrigiere, fast gelesen, denn ich meine, bei den Ketzern bin ich irgendwann ausgestiegen. Anlässlich der meiner Ansicht nach sehr guten Villeneuve-Verfilmung grub ich den Zyklus nun mal wieder aus und hab ein Deja-Vu: bei den Ketzern verliere ich die Lust. Ein paar Gedanken.
Was ich mag: der erste Band ist einfach eine großartige Geschichte mit vielen Facetten, der zweite fällt storytechnisch meiner Ansicht nach zwar ab, ist aber bemerkenswert konsequente Darstellung eines umfassenden Scheiterns. Dune und Messiah gehören durchweg zusammen und wenn es je den dritten Film geben soll, ich bin gespannt und hab einen Heidenrespekt vor der Aufgabe, die stell ich mir verdammt schwer vor.
An die „Kinder“ erinnere ich mich noch als eine der spannend zu lesenden Bände, bei der Wiederbegegnung jetzt fielen sie stärker ab. Meiner Ansicht nach, weil Herbert eigentlich ein One Trick Pony ist, das eine Message kickt: Es gibt keine Erlösung einer entindividualisierten Feudalgesellschaft durch einen Messias, so großartig und reflektiert er auch sein mag. Es gibt sie auch nicht durch die Führung oder gar Zuchtstrategie eines privilegierten Bundes von Eingeweihten. Es gibt sie auch nicht im Folgeband, in dem Leto II sein Gottkaisertum antritt und Jahrtausende der Stagnation einleitet. Unter selbstverständlich großen persönlichen Opfern und angesichts einer unverständigen Bevölkerung, die nicht imstande ist, seine Vision nachzuvollziehen, allen Widrigkeiten zum Trotz, armer Leto, dessen Untertanen nicht einmal ansatzweise ahnen, was er ihnen unter Aufgabe seiner Menschlichkeit erspart hat.
Bis hier sehe ich aber die ganze Doppelbödigkeit, die Dune zu einer der idealtypischen Techbro-Pseodophilosophien machen: so klug und dennoch vollkommen unverklausuliert hier vieles vorgeführt, angeklagt und ad absurdum geführt wird, so schwülstig und pseudo-tiefsinnig die begründenden und handlungsleitenden Nullaussagen wiederum verpackt werden: es wundert mich absolut nicht, dass die Musks und Altmans da ihre Missionen rauslesen wollen.
Mein Problem dabei: Bei Herbert sehe ich trotz der überspannten Zeiträume keine gesellschaftlichen Fortschritte, weshalb sich die Geschichte (sukzessive action-ärmer) halt wiederholt, die einzigen Unterschiede sind, dass a) immer weniger agiert wird und b) die Schichten von Intrigen, Plänen, Finten und fintierten Finten immer dicker werden. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das x-fache Verwischen eines Plans mit einem Plan hinter einem Plan als Geschichte schlicht nicht mehr funktioniert.
Die folgende Beleidigung Herberts mache ich nicht leichtfertig, denn er ist mit seinem zum Erbrechen unfähigen Sohn bereits gestraft genug:
Dune nimmt gegen Ende Züge des ebenfalls schlicht erbärmlichen „Foundation“-Unfalls Asimovs an. Wie Asimov bleibt Herbert in seiner feudalen Handlungszwangsjacke gefangen und ist darüber hinaus Opfer der die Jahrtausende umspannenden Pläne seiner Geheimbünde, die ja irgendwie auch funktionieren müssen, weil sie ja sonst als das Rudel hirnloser Irrer dastehen würden, zu denen alle Gruppierungen dieser Art mittelfristig verkommen. Wie auch dort bleiben Wissen und Expertise über Äonen und Sternsysteme hinweg bei einzelnen Akteuren verortet und in Stein gemeißelt: Die einen können Medizin, die anderen Gentechnik, die dritten können kämpfen und noch welche betreiben Religionspflege, aber nur eins pro Planet bitte. Das ließe sich verschmerzen, solang die Protagonisten und die Geschichte drüber wegtragen, aber nun, das ist halt nach hinten raus nicht mehr der Fall.
An sich versöhnt mich die Absage sowohl an „Ein Messias wird uns retten“ als auch an „Elitäre Zirkel mit Dem Durchblick(tm) werden uns retten“ generell mit Herbert, nur ist es eben schade drum, dass er die Kurve nie dahingehend gekriegt hat, über seine Verschwörer- und Geheimbundgrüppchen groß rauszudenken bzw. zu schreiben. Insbesondere, weil es im ersten Band da ja durchaus Ansätze gegeben hat: da müssen mal Fremengruppen von was überzeugt werden, gibt es Stammestreffen, wo einigermaßen gewöhnliches Volk sich mit der Frage beschäftigt, auf was man sich nun einlassen will. Bei allem, was danach kommt, wird sowas wie die Normalbevölkerung allenfalls als Verfügungsmasse in kosmischem Maßstab betrachtet.
Mir ist klar, dass Geschichten entlang der Protagonisten erzählt werden. Ich finde es aber durchaus bemerkenswert (und eine traurige Parallele zur Foundation), dass alle anderen völlig, und wirklich VÖLLIG passiver Hintergrund bleiben. Es ist nicht mal mehr die Rede davon, ob wer was wann wie ggf. akzeptiert, murrt, sich sträubt, Widerstand entsteht, das geschieht ausschließlich auf Initiative der üblichen Verdächtigen.
Insofern – auch wenn mir der Zyklus in seiner Gänze heute besser lesbar scheint als vor soundsoviel Jahren: Gealtert ist er für mich schlecht dahingehend, dass auf die letzten zwei Bände alles – möglicherweise durchaus unbeabsichtigt – doch komplett reaktionär geworden ist. Die „Philosophien“ wirken auf mich wie eher schlechtere Kalenderspruchphraseologie meets Sun Tsu, gerade Leto II’s „gestohlene Journale“ lesen sich als höchst eitle Apologien ohne jegliche Tiefe oder Sinn. Spätestens ab den Ketzern verkommen die ganzen pseudophilosophischen Gespräche ohnehin zu flachem Gefasel, was nur deswegen nicht vollkommen lächerlich wird, weil sich hinter jedem noch so nichtssagenden Satz noch vermuten lässt, dass eigentlich was anderes gemeint, beabsichtigt, geplant, intrigiert wird und so weiter.
Dem gegenüber stehen die handlungsleitenden Komplexe der genetischen „Zucht“ im eugenischen Wortsinn und Sex als Beeinflussungs- und Unterdrückungsinstrument. Nun ja. Man kann damit die Botschaft kicken, dass es nichts neues unter der Sonne gibt und sich die Menschheit nicht weiterentwickelt. Wenn man über feudale Strukturen in kosmischem Format nicht rausdenken kann (oder will, im Unterschied zu Asimov traue ich Herbert das eigentlich zu), dann ist das ein wenig überraschendes Ergebnis. Nur kann man das auch auf weniger graphomanische Welse haben. Nach dem Gottkaiser ist die Geschichte erzählt und die Sandforelle geputzt.
Immerhin und einmal mehr: man versteht ein wenig besser, warum manche Techbros so ticken, wie sie ticken. Das macht zugegebenermaßen gar nichts besser, im Gegenteil.