Ein paar Gedanken zu Datingsims, Hentai-Browsergames und Indie-Äquivalenten

tl;dr: unausgegorenes Hirnen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Dating-Sims, Porngames, Indiespielen zum Thema bei schmalen Stichproben. Vermutung, dass die Jugend nicht verdirbt, Abschlussabschweifung zu Krautchan/b/ und, hihi, KI und Botspam auf sozialen Netzwerken. Folgend wahrscheinlich NSFW.

Ich weiß nicht mehr, was mich vor einiger Zeit zu itch.io schubste, jedenfalls stieß ich dort auf „Date Time“ von CatTrigger, und nachdem man da Melissa direkt im Browser spielen konnte, spielte ich ein wenig rein und fand die Geschichte sehr charmant.

Weiter treibe ich mich ja noch gelegentlich auf fragwürdigen Webseiten rum, die einen bei Nutzung denn Bildschirm mit Popups zukleistern für Camsex, Gambling, Standardporn und Hentaikram, letzterer in verschiedenen Ausprägungen und teils zumindest rudimentär „beziehungssimulierend“. Das Genre hatte ich immer eher als etwas pubertäre Comicwichsvorlage abgehakt und nicht näher angesehen.

Nun stöberte ich auf itch.io ein bisschen weiter bei den Dating-Sims rum (over 5.000!) und war etwas getriggert.

Hier bauen Leute in nennenswerter Zahl Dating-Spiele im engeren bis weiteren Sinn, in unterschiedlichsten Ausprägungen, Nischen und Fandoms, pflegen dabei diverseste Themes (Logisch: Manga, LGBTQI, aber eben auch Fantasysettings, Furrykram, Vampirstories, Mittelalter, you name it. „Space Gays“, fick ja, we’ve came a long way).

Nun muss man dazusagen, dass meine bisherigen Begegnungen mit dem Genre ein bisschen Gronkh-Trash-Game Lets Plays waren und das Gesehene bestenfalls cringy war und schlimmstenfalls etwas entschärfte PUA-Scheiße für Arschlöcher.

Eine andere Strömung kommt aus Japan (obviously), aber wie man sieht, hat sie sich verbreitet. (Das oben erwähnte Date Time: „Melissa“ ist interessanterweise ein 8Bit-Horror-Derivat exakt dieses Genres.)

itch.io hatte ich halt ein wenig quergescrollt, aber dabei kriegte ich ein ziemliches Deja-Vu zu meinem Augenöffner in Sachen Fan Fiction, Pornografie und weibliche Zielgruppe: da schien eine größere Community mit eher schwacher cis-männlicher Prägung am Bauen und Spielen von Sims/Visual Novels mit unterschiedlich expliziten Inhalten zu sein. Erster Reflex: schön! Zweiter Reflex: was ist da eigentlich das Mainstream-Äquivalent?

Das brachte mich dazu, die bislang meist schnell geschlossenen Popups auf erwähnten fragwürdigen Seiten nicht nur mal anzusehen, sondern auch explizit anzuklicken. Tja, nun.

Ich sag mal so, was man hier sieht, geht genauso weiter wie man vermutet. Und nun kann man versuchen, sich das ein wenig schönzureden – so wird recht klar angesagt, dass die Mädels wissen, was sie wollen, dass man rücksichtsvoll, einfühlsam, whatever sein muss, damit sie einen mögen usw., yaddayadda, aber klar bewegen wir uns in eher niedrigeren Sphären der Reduktion von Gegenübern zu wunscherfüllenden Fantasieobjekten.

Wer bzw. wieviele sind da unterwegs? nun, ein paar Leute durchaus.

Es ist jedenfalls was los bei Hentaiheroes, und wenn man bedenkt, dass das nur ein Spiel ist und bei itch.io die Kleinigkeit von über 400.000 Spielen im Browser gespielt werden können, kann man nun natürlich Ströme von Tränen vergießen ob der Verkommenheit der Leute. Aber was für Leute sind das? Stellt sich raus, es gibt ein durchaus gut besuchtes Forum zum Thema beim Mutterunternehmen kinkoid und worüber wird dort gequatscht?

Über Spielmechaniken.

ÜBER SPIELMECHANIKEN.

Ich sag mal so, da hab ich aus der Ecke der Freunde von 2D-Freundinnen schon durchaus anderes zu Gesicht bekommen. Aber nun. An der Stelle wars in erster Linie einfach überraschend. Ich hatte jetzt keine konkrete Erwartungen, aber rechnete halt eher mit einer Latte Wunschlisten an Hentai-Looks und -styles, Klagen a la Mit Mädchen X kann man Y nicht machen, wo bleibt der Katzenohrenblowjob, wir wollen mehr Tentakel, whatever: eben Ansprüche und eine Fortsetzung eben der Fantasieerfüllung, die Pr0n gemeinhin eben darstellt, insbesondere, wenn er in Spielform und mit Feedbackkanal einherkommt und nicht als fertig gedrehter Clip. Und genau das gibts halt absolut nicht. Das Forum dort liest sich wie ein beliebiges Gameforum mit Tipps, Infos, Angeberei, Herausforderungen etc., durchweg bezogen auf besagte Spielmechanik.

Zwischenfazit: was ich erst für „Zwei Variationen eines Themas“ hielt, driftete dann ähnlich auseinander wie Inhalte und Zielgruppen von a) Standard-Onlineporn und b) erotischer/pornografischer Fanfiction. Was dann zumindest wie unterschiedliche Aneignungen eines gemeinsamen Themenfelds wirkte, stellte sich anschließend zumindest teilweise als zwei vollkommen verschiedene Dinge dar. Irgendwas wirkt trotzdem gemeinsam auf mich, ich krieg den Finger nicht genau drauf, aber ich glaube, es hängt auch mit folgendem zusammen:

Angesichts der Hentai- und Beziehungsaspekte des Themas stöberte ich seit längerer Zeit mal wieder auf den Krautchan-Nachfolgern (kohlchan/ernstchan) und hoffte, die Welt wäre zumindest dort noch in Ordnung. Stellt sich raus, die 2D/Animeboards sind wenig frequentiert und vollkommen harmlos. Ich war entsetzt, bis ich das ki-Board fand und nun, ja. Es ist alles wie früher. Nur halt KI-generiert, witzigerweise ist das auch von mir geschätzte Stable Diffusion/Automatic1111 Tool der Wahl. Wobei, Furryporn, dem Führer hätte das nicht gefallen.

Weil ich schon da war, auch mal wieder in /b/ bzw. /bus/ gestöbert. Dort neben den üblichen moralisch bis rechtlich fragwürdigen Grenzüberschreitungen einiges einfühlsames gelesen und eine zunächst unrelatiert wirkende Erfahrung gemacht, die mich im Nachhinein mehr und mehr beschäftigt: das etwas verstörende Gefühl, dass hier was echteres und menschlicheres stattfindet als aktuell auf Facebook. Und FB sehe ich da allenfalls als eine Vorhut zum allgemeinen KI/Bot-Vermüllungstrend im Web.

Facebook ist ein einziger Misthaufen von KI-generiertem Ragebait aus irgendwelchen Trollfabriken geworden, und selbst die Ragebaits sind scheiße. Sie sind schlecht, geschmacklos, aber vor allem dumm und unpersönlich, und ich wage die steile These, in jedem Drecksfaden von /b/ steckt inzwischen mehr Persönlichkeit als in sechs Metern FB-Timelinealgorithmus.

Alleine dadurch, dass da nach wie vor Menschen zugange sind und trotz bzw. wegen vollkommener Anonymität und obgleich alle Bernd heißen, wild entschlossen sind, sich miteinander auseinanderzusetzen. Ab davon muss ich dort häufig lachen und wüsste aus dem Stand nicht, wann mir das auf FB zuletzt passiert ist.

Das war jetzt ein weiter Schlenker, aber ich versuch mal das Fazit:

· die Aneignung eines Spieleformats wie Dating-Sims durch unterschiedlichste Gruppen/Orientierungen/Fandoms scheint mir eine sehr schöne Artikulation der eigenen Wünsche und Ängste zu sein.

· Hentai-Harems wirken wie Porn als Wunscherfüllung, nur halt im Gameformat, sind dabei aber gegenüber diversen Pickup-Ratgebern und -Games kultureller Fortschritt, da a) offenkundig besagte Fantasieerfüllung und b) eben insbesondere als Game und nicht als Lebensratgeber interessant.

· Eine Entfremdung vom Gegenüber, die zunehmende Wahrnehmung eines Großteils der Netzkommunikation als künstlich und nicht beachtenswert scheint mir zu guter Letzt weniger ein Problem in Dating- oder Porngames und ihrer expliziten Künstlichkeit, sondern in den großen sozialen Netzwerken. Zumindest auf mich wirken teils höchst randständige Internet-Unterwelten trotz fragwürdigster Inhalte im Vergleich zum Botspam-KI-Feed des FB-Algorithmus inzwischen bemerkenswert menschlich und persönlich.

Und wenn ich mir überlege, wie KC, 4Chan, whatever seinerzeit als Gefahr für die westliche Zivilisation gehandelt wurde und wie egal der aktuelle Scheiß hingegen zu sein scheint, macht mir das etwas Sorge.

Kurz noch Hintergrund: 2011 schrieb Nils eine Mag über Imageboards im allgemeinen und Krautchanim Besonderen , ich hatte das Vergnügen, den Entstehungsprozess mitverfolgen zu können und das Ergebnis brachte die Ambivalenz der dortigen Subkulturen schöner auf den Punkt als das, was ich bislang dazu bei Gelegenheit absonderte.