Die Ringe der Macht: Team Sauron (mit Bonusinhalt)

Man beginnt zu verstehen, wie man auf die Idee kommen kann, ganz Mittelerde zu beherrschen und die dort ansässigen Völker grausam unterjochen zu wollen, wenn man die zweite Staffel „Die Ringe der Macht“ guckt. Im Übrigen bringt Sauron die einzige einigermaßen erträgliche schauspielerische Leistung aufs iPad, aber auch ungeachtet dessen kann man den Untergang Numenors, das Zerbrechen der letzten Bünde, die Kompromittierung der Menschen und das Schwinden der Elben kaum erwarten, wenn man sich mit dieser Verhunzung beschäftigt.

Man könnte sich nun länger über die unsägliche Hobbitstory verbreiten, die der unergründlichen Entscheidung der Götter geschuldet ist, Istari als leider von vollständigem Gedächtnisverlust geplagte Helfer im Kampf gegen den Schatten nach Mittelerde zu schicken, über die drei Palasträume, mit denen der Glanz Numenors auf der Höhe seiner Macht von jedem Stückchen Stuck Gondors im Dritten Zeitalter in die Tasche gesteckt wird. Über Elben, denen man allen grundsätzlich direkt eine aufs Maul geben will, sobald sie selbiges aufmachen, und wenn die Kackbratze fragt warum, dann gleich nochmal. Es ist alles vollkommen zum Kotzen, und das schlimmste ist, das müsste es nicht mal sein.

Denn das einzige, was auch nur ansatzweise interessant an der ganzen Geldverbrennungsmaschine ist, das sind die Orks und ihr Anführer Adar. Und tatsächlich sind die auch die einzige Fraktion, wo es keine Rolle spielen dürfte, mit was für Auflagen die Tolkien-Erben die Serie nun gestraft haben. Denn man kann sagen, was man will, die Orks haben bei Tolkien halt grundsätzlich verloren. Weniger Chancen als ein Typ in einem Song von Bruce Springsteen, und das nur, weil vor irgendwas um die zehntausend Jahre Morgoth ein paar Elben „verdorben“ hat. Seitdem ist das offenbar alles genetisch versaut, kann durch Prügel alleine nicht mehr korrigiert werden und ist vom Angesicht der Erde zu tilgen, wann immer man drauf stößt: das sind zehntausend Jahre Kulturgeschichte der Orks according to the great, late J.R.R.T., und so stehts halt kanonisch geschrieben. Und dann ists halt so, moment, nein!, denn in unserer aktuellen Serienstaffel wird auf alles kanonische ja gepflegt ein großer, toter Götz von Berlichingen gegeben. Warum mal nicht an der einen Stelle wirklich gepflegt auf den Kanon scheißen, wenns denn die Geschichte düngt?

Geschichte, von den Verlierern geschrieben

Geschichte, von den Verlierern geschrieben

Denn das bringt mich zur Bonusinfo. Dass die Orks so scheiße wegkommen bei Tolkien, das kann man natürlich auf Tolkien schieben. Man kann aber auch ganz historisch konstatieren, dass im dritten Zeitalter Elben und Menschen eben gewonnen haben und die Gewinner, wie mans so kennt, natürlich auch die Geschichte schreiben. Entsprechend schlecht kommen die Verlierer weg und entsprechend interessierts auch kein Schwein, wenn irgendwann irgendwo mal eine Orkmama ihr Orkbaby knuddelt (die einzige Szene der Serie, bei der ich sowas wie Anteilnahme verspürte bislang).

Titelseite, The Last Ringbearer.

Titelseite, The Last Ringbearer.

Und wer jetzt sagt, der Gedanke ist clever, Ruppsel, schreib doch mal die Alternative, dann sag ich, danke, aber der ist nicht von mir, sondern von einem Russen namens Kirill Yeskow und das Buch schrieb er bereits 1999. Übersetzt wurde es unter anderem auch ins Englische, nur deutsch gibts das ganze nicht (Ich korrigiere, die enWiki sagt, seit 2024 gibts eine deutsche Fassung, gar mit eigener ISBN, namens „Der letzte Ringträger“), der rechtliche Status ist mir nicht ganz klar, aber natürlich gibts das Buch wie auch die eingangs beschimpfte Serie ganz normal als warez illegal im Internet, wie es sich gehört.

Mit „The Last Ringbearer“ schreibt Yeskow die Geschichte aus der Perspektive der Orks, die in Mordor eine an Wissenschaft und Technologie ausgerichtete Hochkultur aufgebaut haben, welche von den mehr oder weniger klerikalfaschistischen Elfen unterdrückt und schlussendlich einer Endlösung zugeführt werden soll. Ich sag mal so: das Ganze scheint mir hoch plausibel, von Yeskow gibts auch ein langes und überaus erhellendes Interview zum Thema im Salon, und ich mag das nun einfach mal grundsätzlich alles empfehlen. Der Gedanke an eine Alternativgeschichte mit wissenschaftlich-rationalen Orks, die alljährlich an der Technischen Uni Schicksalsberg den Elbenauswandertag feiern, hilft einem erheblich über die Widerwärtigkeiten zeitgenössischer Serienverfilmungen hinweg.

Cave: die Orkfeier an der TU Schicksalsberg hab ich mir selber ausgedacht.

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