Wenn die Datenkraken mich allenthalben durchleuchten und profilen, müsste die Werbung, die ich sehe, super zu meinen Interessen passen, alles andere wäre ja Blödsinn und Geldverbrennung. Das leuchtet zwar ein, ist aber falsch, und jeder Webseitenbesuch ohne Adblocker belegt das aufs Anschaulichste. Folgendes einige Betrachtungen über den erbärmlichen Zustand von Display-Marketing, die möglicherweise als zweiter Teil des meiner Ansicht nach gut gealterten Infopieces „Warum sehe ich diese Werbung?“ durchgehen könnten. Getriggert hatte mich schlussendlich der geschätzte Blognachbar mit einer sich entwickelnden Diskussion, die im Fedi ein wenig eingeschränkt führbar war.
Folgendes weniger ein „Es ist alles scheiße“/“Die Lösung wäre $x“, sondern ein Erklärbär dahingehend, warum das alles so ist, wie es ist und die einfachen Lösungen meiner Ansicht nach nicht auf ein komplexes Problem passen. Wem was bekannt vorkommt: irgendwann mittendrin fiel mir auf, dass vieles bereits 2019 recht treffend und unverändert aktuell von apenwarr diagnostiziert wurde. Dass die Situation fünf Jahre später nach DSGVO, 1stPartyCookie-Phaseout etc. keine andere ist, scheint mir auch irgendwie bezeichnend. TL,DR: ich seh das Grundproblem weniger bei den Datenkraken/Trackern, sondern den Display-Werbern, Pareto, Zeit- und Ressourcenknappheit(!) und einer gewissen kapitalistischen Logik.
Gnadenlose Selbstdarstellung! Ruppsel hat irgendwann in den Nullern mal festgestellt, dass er eh ne öffentliche Person im Netz und alles zu spät ist. Seitdem bin ich ohne Adblocker unterwegs, surfe in Google und FB dauerangemeldet in der Gegend rum, nutze beide auch zum Anmelden woauchimmer, erzähle allen, die es wissen wollen, dass ich Alkoholiker bin, welche Bücher ich lese, vom Faible für Fickschafe und Strafschnuller, dass ich Palettenmöbel baue, wo ich arbeite und warum es kein Problem ist, da mit einer Depressionsdiagnose im Netz zu stehen, dass ich mal CDU wählte und einen Pilz am Penis hatte, himmel, wenn man sucht, sogar Vorladungen, Strafanzeigen und ihre Einstellungsgründe, das Netz vergisst doch nicht soviel, wie man denkt, ich schweife ab, auf was ich rauswill: man müsste mir hervorragend, ja geradezu ideal personenbasiert Werbung anzeigen können.
Nun waren wir zwei Wochen in Rhodos, gucken abends angemeldet und mit jahrelang ungelöschter YouTube-History auf dem iPad deutsche Lets Plays und was passiert: wir kriegen griechische Knorr-Werbung. Eben will ich auf der Homekiste nachsehen, ob sich Spuren finden und was wird mir per Display reingehauen? Verdammte Adobe KI/PDF-Lösungen.
Fucking Adobe sollte doch bereits Jahre von User-Agent-History meinerseits archiviert haben mit „Ubuntu; Linux x86_64“, die mich als Kernzielgruppe nachhaltig ausschließen (drin bevor Webdienst). Was soll diese Scheiße? Google weiß, dass ich Deutsch und Englisch (UND KEIN GRIECHISCH!) kann…
…seit Jahresanfang warum auch immer kein Niederländisch mehr (konnte ich nie), außerdem soll ich 2024 irgendwann geheiratet haben (hab ich nicht), an der Uni war ich nicht mehr, aber ein Haus hätte ich gekauft… mal ganz im Ernst: WAS ZUM FICK?
Dafür mach ich mich im Netz nackig, und fucking Google kann meine Publikationen nicht mehr zuordnen, dichtet mir nach Belieben Sprachkenntnisse und Familienstände an und wieder ab und schätzt mich zehn Jahre jünger, als ich bin? Das ist schlicht und ergreifend erbärmlich.
Facebook ist natürlich auch scheiße, nur anders. Dort hat man zwar erkannt, dass ich auf Grunge hängengeblieben bin und leitet wahrscheinlich so das Alter ab, aber dann hörts schon auf, denn wenn kein Refurbished-Retargeting einläuft, zahlen wahrscheinlich halt die Russenspammer am meisten per View, und deswegen wird halt Russenspam an mich ausgeliefert.
Ich schrieb ja schon nebenan, Facebook sei zwar scheiße, aber dabei immerhin erstaunlich transparent, und wenn ich heute meine Werbepräferenzen ansehe, dann mag ich das nochmals bekräftigen. Also, nachdrücklich, und vor allem den „scheiße“-Aspekt. Im Übrigen ist das „transparent“ tatsächlich mit dem Business Manager den Bach runtergegangen, denn so einfach wie damals kann man heute nicht mehr gucken, wie man Bundeswehrangehörige mit einem Faible für die Waffen-SS targeten will, mein Meta-Ads-Account ist jedenfalls deaktiviert, fragt nicht wieso. Aber: eigene Werbepräferenzen.
Facebook ist ein Müllfeuer, (nicht nur) was die Werbung angeht, und der Rest von Netz ist nicht besser. Man kann die Klage nun beliebig fortsetzen, aber die Grundfrage ist ja, siehe oben: warum ist das so, trotz der allgegenwärtigen Tracker, die überall unsere Interessen und Identitäten protokollieren, um uns präzise personalisierte Konsumangebote vorzusetzen? Wo sind diese präzise personalisierten Konsumangebote denn nun, verdammt? In meinem Internetz find ich die nicht, und einfacher als ich kann man es den Akteuren gewiss nicht machen.
Das war erleichternd zu schreiben, und nun können wir sachlich werden. „Targeting“ funktioniert gelegentlich ganz gut, und ganz besonders (und wenig überraschend) in der Suche. Und das funktioniert deswegen, weil man dabei dem Werbeträger direkt sagt, was man sucht. Daher liegt der von mir durchaus geschätzte Steffen nebenan auch falsch, wenn er das als Option für „Onlinewerbung“ generell sieht, denn bei Display hab ich eben keine Suchanfrage, die mir das ganz konkrete, aktuelle Interesse des Besuchers mitteilt. Ich kenn den Kontext der Seite, auf der er ist, und das wars zunächst. Displaypartner versprechen, hier weitere Informationen über den konkreten Besuchenden zu bieten, mit denen dann das passende (bzw. besser passende) Werbemittel eingebunden werden können. Die werden besser geklickt, setzen mehr um, ergo finanziert man sich leichter und muss weniger Werbung schalten.
An der Stelle meine starken Thesen, Teil 1:
· Massiv granulares Targeting ist insbesondere ein Werbeversprechen gegenüber den Werbekunden, dabei ist
· die Qualität der Targetingdaten solange egal, solange es einigermaßen funktioniert, und vor allem
· muss der Werbekunde das Gefühl haben, er könnte, wenn er wöllte, unglaublich feingranuliert targeten, und
· ansonsten eine kostengünstige automatisierte Lösung nutzen, die das bestimmt(tm) mit Big Data mit Machine Learning mit Blockchain mit KI genausogut kann.
Grundsätzlich haben wir es hier aber zunächst mit einem Marketingversprechen zu tun, und das Marketingversprechen funktioniert ganz offensichtlich hervorragend, denn ironischerweise fragt Steffen selbst nebenan ganz explizit im Kontext von Mozillas Bemühungen, zur (datensparsamen) Ad-Plattform zu werden:
„Das klingt so, als wäre es einfach eine – für die Werbekunden – schlechtere Art von personalisierter Werbung. Warum sollte sich darauf jemand einlassen?“
Ja, warum? Ich bin hier natürlich versucht, mit auf Mozilla einzudreschen, verdient hätten sie es ja schon allein wegen ihrer KI-Scheiße und einer untrüglichen Trittsicherheit für ganze Fettkrüge, jetzt also ein datenschutzfreundliches Ad-Netzwerk bauen wollen statt endlich wieder einen RSS-Button im Browser, wie blöd kann man sein, aber hier haben sie witzigerweise einen Punkt: tatsächlich wäre ihr Ansatz – ähnlich wahrscheinlich zu dem, was Google erst mit FLoC und dann mit Topics probierte – datenschutzfreundlicher und (wie ich vermuten würde) weitgehend genauso effizient.
Genauso effizient? Das ist ein schmales Brett, denn hier spricht tatsächlich die Datenlage gegen mich. Wenn man den gleichen ROAS haben könnte, ohne ein teures Display/RTB-Netzwerk zu bezahlen, das ja auch seine Marge machen will, dann würde man selbiges als Admanager direkt einsparen. Dass Google noch immer an den 3rdParty-Cookies hängt, hat auch mit Testläufen mit Google Ads-Kunden auf Topics-Basis zu tun und da seien die Zahlen halt schlechter gewesen. Ich bin geneigt, ihnen zu glauben, denn an sich hat Google hier ein massives Interesse dran, die Datenschäfchen ins Trockene zu kriegen. Das einzige, was sie hindern könnte: dass sie dann weniger Geld verdienen. Dass sie es lassen, sollte mich davon überzeugen, dass sie so tatsächlich weniger Geld verdienen.
Außerdem sind alle anderen dagegen, aus verschiedenen Gründen, Steffen stieß mich auf diese Masterarbeit, in der das Mareike Lisker ab S.69 meiner Ansicht nach sehr präzise darstellt.
Allein, ich wage trotzdem mal
…starke Thesen, Teil 2:
· Ein Großteil des Profilings ist durch mit angefallenen Datenmüll bestenfalls grobe Richtschnur,
· ein Großteil der auf Profiling bauenden Kampagnen sind erbärmlich schlecht ausgesteuert und
· ein Großteil der schlussendlichen Entscheidungskriterien für/gegen das Spielen eines spezifischen Werbemittels besteht aus „Wer bietet mehr?“ und „was klickte besser?“
Letzteres ist mein privater Glaube und belegen kann ich den mit den eingangs beschriebenen Eindrücken, wie ich mich als Werbezielgruppe so wahrgenommen fühle. Aber ernsthaft:
Standard-Targetings sind breit und wo auch immer man guckt, der Art von Land/Region, Alter, Geschlecht, Kinder ja/nein, Gerät/Browser und dann wirds schon eng, weil sowas wie Einkommensgruppe ist nicht mehr trivial.
Interessen siehe das facebook-Beispiel. Die werden von den X Trackern analog versucht zu extrapolieren (wenn ich das refurbished-2022-iPhone angucke, werd ich unter Technik, Apple, iPhone, kaufbereite Zielgruppe, vielleicht gar sowas wie preisbewusst oder ökologisch einsortiert), und das machen eben „wir und unsere 217 Partner“, die man immer wegklickt, und vor allem machen das alle 217 Partner jeweils für sich und jeweils unterschiedlich schlecht.
Anschließend versuchen 217 Adtech-Klitschen, die von mir gewonnenen Daten ggf. mit anderen zusammenzuführen, mich in möglichst viele kaufbereite Zielgruppen einzusortieren und über diese möglichst viele klickende Adimpressions zu verkaufen. Dabei konkurrieren sie witzigerweise untereinander.
Das nicht nur beim Ads-Ausspielen, sondern auch beim Ads-Einwerben. Wenn man da nicht mit drölfzig Parametern und Datenpunkten und sophisticated Userprofiling auftrumpfen und drei Prozent mehr ROI protzen kann, gehen die Leute womöglich zu Mozilla. Aber nutzen „die Leute“ die ganzen verfügbaren Parameter? Ich mach mal ein paar Fässer auf:
– Location. Aber hallo! Ohne gehts nicht, und genau deswegen werden die in den Databroker-Files angeprangerten Standorterfassungen das letzte sein, was Adtech aufgeben wird. Auch wenn Knorr Griechenland pfuscht.
– Demografie. Geschlecht, Alter… sind überschaubar und wichtig. Hier Autos und Baumarkt, da Kosmetik und Lifestyle, ab 70 Treppenlifte und Inkontinenz. Sorry, ich mach die Regeln nicht, es funktioniert.
– „Interessen“. Ich weiß nicht, wer bei facebook auf „Kartoffel“ Ads schaltet, aber ja, selbstverständlich.
– Plattform. Es heißt ja, Apple-Nutzer haben mehr Geld, ergo, ja.
– Webseitenkontext. Hier höre ich die ersten Werbetreiber winseln, sie können doch nichts dafür, wenn ihre Ads auf Naziseiten erscheinen, weil das passiere ja automatisch.
– Kombinationen von alledem. Aber da sagt Facebook doch, das soll man nicht machen?
– Leute in Gelsenkirchen, die sich nicht nur für Fussball interessieren, sondern auch für dem Ernst Kuzorra seine Frau ihr Stadion (das macht nur noch Ben und sonst kein Mensch).
Nebenan schrieb ich schon mal über sehr spezifische Optionen: „Leute, deren Bilder laut EXIF-Daten von einem Smartphone älter als 5 Jahre sind“, „Leute, deren FB-Freundin in 14 Tagen Geburtstag hat“, „Leute, deren Geolocationdaten die letzten 48 Wochen auf Deutschland und davor zwei Wochen auf Griechenland zeigten“, das ist alles nicht sonderlich an den Haaren herbeigezogen und an sich sehr scharf: wolle Handy kaufe? Geschenkideen für die Teuerste!, Reiserücktrittsversicherung last minute buchen, hau rein – macht das wer? Ich vermute vermutlich, aber man kriegts wahrscheinlich kaum zu sehen, weil der Wettbewerb mehr für den Klick geboten hat. Vermutlich machens auch die wenigsten, weil für wirklich detailliertes, händisches Profiling ist meist die Zeit und das Geld nicht da.
Macht das irgendein hochintelligentes KI-Tool? Teilweise, bedingt, ein wenig… Die Anschauung zeigt mir das Gegenteil, und auch wenn hier tatsächlich mal ein Usecase für KI wäre (Mustererkennung! Große Datenmengen! Wenn mal was nur 80% passt, nicht schlimm!), das Ziel von Ad-Netzwerken ist nicht die optimal zugeschnittene Ad, die genau jetzt genau dir hervorragende Problemlösungen anbietet, sondern zuallererst Klicks und Interaktionen, weil damit verdient die Adplattform Geld; und dann (und erst! dann) ein zufriedenstellender ROI für den Adkunden, der ja merken sollte, dass er mit seinem jetzigen Dienstleister drei Prozent besser ist als mit dem vorigen.
Die drei Prozent besser sind das, worauf die ganzen Profilingdaten geschmissen werden und dann in der KI gerührt wird, bis das Ergebnis zufriedenstellend ist. Um mich selber zu zitieren: Alle sind zufrieden und das Geld bleibt in Umlauf.
Also: Tracking einstampfen?
Wem sich das jetzt alles gelesen hat wie „Alles Blenderei, um Adtech zu verkaufen“, dem ist nicht so. Meinem Eindruck nach haben wir ein paar Kategorien von Daten, auf die man nach Pareto teils gut, teils absolut nicht nicht verzichten kann, und selbst wenn man den unnützen Kram weghauen könnte, brächte es nur bedingt was, stehen dem erhebliche technische und soziale(!) Probleme entgegen und sehe ich aktuell keine neuen Pfade oder Akteure, über die man schneller in die gewünschte Richtung kommt.
Beispiel Location. Alle standortbasierten Unternehmen müssen locationbasiert Ads schalten, alles andere ist Schwachsinn. Das gilt für die Pizzeria in Wuppertal wie für den Finanzdienstleister in Deutschland, die eine will nicht in Stuttgart und der andere nicht in Belgien aufploppen, und dort wills auch niemand sehen. Arabische Daytrader-Ads seh ich, weil ich auf kinox.to war und damit ist bereits alles zu schlecht lokalisierter Werbung gesagt, was es zu sagen gibt.
Nun kann man da von GPS-basierten Daten weg meinetwegen zur Funkzelle, damit man plausible deniability hat, wenn man im Swingerclub rumhängte. Dass die GPS-Daten bei Google, Apple oder facebook landen, wird man so nur nicht vermeiden können, denn Leute benutzen Maps/Navis, lassen sich Unternehmen und anderen Kram in der Gegend anzeigen, posten „Ich bin hier“-Gedöns auf den Plattformen der Wahl und man wird sich den Kopf zerbrechen können, warum Apple damit rumspielen darf und Pokemon Go nicht, witzigerweise wird das exakt einer diese Punkte, wo man mit der Nutzungseinschränkung die Big Player massiv bevorzugt, weil die die Daten so oder so kriegen und die anderen nicht mehr.
OK, verbieten wir die Werbenutzung. Ich zweifle, dass die Datenschutzbubble den Akteuren eine solche Praxis abnehmen würde, weil wirklich sicher prüfbar wirds nicht sein. Google hat trotzdem die Trackingdaten von Maps, Apple die vom iPhone, Niantic die von Ingress und Facebook/Insta alles, was eben beim Ich bin hier!-Posten so rumkam. Man muss alle Akteure davon überzeugen bzw. sie in irgendeiner Form drauf verpflichten, auf was zu verzichten, was in anderen Kontexten aus harten physikalischen Gründen anfällt und genutzt werden muss, und weiß im Vorfeld, niemand wird mit dem Ergebnis zufrieden(er) sein. Wer soll das wie durchsetzen und warum? Und was passiert mit den Exif-Daten in den ganzen hochgeladenen Bildern, werden die geflissentlich ignoriert und nur im Verdachtsfall dann meinetwegen unter Richtervorbehalt von den Strafverfolgern ausgelesen, bis dahin tut man so, als seien sie nicht da?
Beispiel Interessen. Man kann die 217 oder mehr Partner diese alle für sich aggregieren oder rausfinden lassen, oder man einigt sich auf eine browserbasierte Lösung, wie sie Google via FLoC versucht hat durchzusetzen. Das könnte vielleicht sogar eine „unabhängige“ Instanz wie die IAB mitdefinieren, aber sobald Mozilla mitmacht, stehen alle mit Forken und Mistgabeln vor der Hütte. Analog Demografien und Technik. Ab davon, wie flexibel die Altersermittlungen der allwissenden Datenkraken ausfallen, die Plattform/Browserdaten werden grundsätzlich kommuniziert und müssen aus trivialen technischen Gründen weiter kommuniziert werden, der Rest ist höchst grobes Raster. Sowas triviales wie Retargeting. Wenn einen die Zalando-Schuhe verfolgen, steht nicht der Untergang des Abendlands bevor, da wurde schlicht ein Browser markiert und eine Weile wiedererkannt. Die aktuelle Kiste mit „Facebook darf Targetingdaten nicht endlos aufbewahren“ – so sehr ich da Solmecke schätze, ich seh da nichts weltbewegendes. Dass Profildaten nicht ab 2004, sondern meinetwegen nur die letzten zwei Jahre für Werbung genutzt werden dürfen? Vollkommen egal. Was gleichblieb, lässt sich auch aus den letzten zwei Jahren Aktivität ablesen, was sich änderte, ist eh veraltet, danke fürs Bereinigen. Was aus dritten öffentlichen Quellen an sensiblen Daten zugänglich ist, darf nicht für Werbung verwendet werden? Ich fürchte, der Anteil an facebook-Ads, die sich aus Drittquellen zu sensiblen Daten speisen, ist lächerlich, und irgendwie frage ich mich auch, was Schrems hier beweisen wollte. Schützenswerte Daten seh ich grade konkret keine, gehts nur mir so?
Drin bevor „das ist billig, Ruppsel, und das weißt du“, ja klar, aber der beanstandete Usecase ists auch und daraus jetzt ein „Ha, Zucks Werbeimperium bricht zusammen“ zu machen, ist schlicht lächerlich.
Aber Ruppsel, das wird alles zusammengeführt und zur Deanonymisierung verwendet! Ich bin einigermaßen sicher, dass der Großteil solcher „Zusammenführungen“ die plausible deniability der zugehörigen Daten eher verbessert. Die Daten werden eine mehr oder weniger große Müllhalde sein, es sei denn, sie sind komplett anmelde- oder accountbezogen und damit bereits aggregiert bei einem Player, der Rest ist Voodoo mit einem sehr gut gerührten Topf Gumbo, in dem alles drin ist. Der hat zwei Vorteile: er funktioniert messbar besser wie kontextbasierte Werbung und er verkauft sich bei den Werbetreibenden besser wie was langweilig datenschutzfreundliches wie das, was Mozilla plant.
Zuletzt: die Praxis
In der Praxis haben wir Pareto: wenn die Ad 80% griechische Knorr-Interessenten erreicht, interessieren die 20% mitgenommenen deutschen Urlauber einen Dreck. Weiter haben wir Wettbewerb: deine super-zugespitzte Zielgruppe für nichtbinäre Birkenstock-Fetischisten im Großraum Köln zwischen 20 und 30 ist eine Bauchlandung, wenn Zalando zeitgleich die neue Frühlingskollektion vorstellt. Wenn deine fünf hochspezifischen Targetgroups für die Facebook-Kampagne eine CTR von 8% und 30 Sales haben und du dafür vier Stunden rumklicken musstest, wirst leider nicht du Mitarbeiter des Monats, sondern der faule Kollege, der für einen Bruchteil des CPC eben kaufkräftige Zielgruppen in Deutschland zwischen 30 und 40 mit nem edgy Visual eingebrieft hat.
Der kriegt später wiederum aufs Dach, wenn sein Budget immer teurer wird, weil die Russenpropaganda mehr klickt und Facebook da lieber auf Masse und Interaktion setzt und eine langweilige Produktanzeige halt nicht so der Hinklicker ist wie ein Habeck, der seit den Siebzigern alles zerstört, was jeder aufrechte Deutsche lieben muss. Im Übrigen gilt, was ich an anderer Stelle schon mal über Newslettermarketing geschrieben hab, sinngemäß auch hier: „So manch einer in unserer Branche wird schon was in der Art analysiert haben, dass die drei Textboxen rechts beim Märzmailing an die XY-Interessenten überdurchschnittlich performten, besonders die mittlere bei der Hauptzielgruppe, und irgendwer anders mit Entscheidungsbefugnis sagt dann aber: „Das penetrante Vollbild-Aprilmailing an alle hatte aber mehr Umsatz, den Mai-NL machen wir genauso, EOD.“ Ersetze das „Vollbild-Aprilmailing“ durch die smarte autooptimierte KI-Kampagnenaussteuerung per SaaS mit schickem Namen, die nur gering höheres Invest benötigt und kostbare Mitarbeiterzeit fürs Monitoring und Kurvenmalen freischaufelt.
Wirklich gutes Targeting ist ein Werbeversprechen. Es ist ein Werbeversprechen von Adtech-Anbietern an Werbekunden und es hat mit der Realität soviel zu tun wie die glücklichen Hühner der Eierkartons mit der Geflügelindustrie Deutschlands.
Und nun?
Wir haben seit Jahren einen scheibchenweisen Prozess, der an ein paar Ecken den Datenschutz …nun, verbessert hat? Die DSGVO und das langsame Sterben von 3rdParty-Cookies mögen da wirklich einige kräftige Effekte gehabt haben, und es wird noch ein paar Ecken geben, in denen man fegen kann, aber das Grundprinzip Targeting scheint mir weder totschlag- noch wegwünschbar, ein Netz voll ungerichteter Werbung wäre eine Vollkatastrophe, niemand will das, es scheint mir auch bestenfalls ein Nebenkriegsschauplatz. Wer damit ein Problem hat, kann sich nen Adblocker installieren. Viel einfacher und zuverlässiger als AGB und DSEs lesen und dann von 112 Cookies die 8 akzeptablen annehmen, denn das tat noch nie wer und wird niemals irgendjemand tun.
Die Daten, um die es geht, sind nicht privat oder geschützt, was genutzt wird, steht wahlweise eh öffentlich im Netz oder ist problemlos ermittel- und ggf. für Repression nutzbar. Wenn irgendein Akteur damit droht, dir auf der Basis eine Werbeanzeige einzublenden, ändert das daran absolut nichts. Da kann man sich ruhig auch mal ehrlich machen und sagen, man hasse halt Werbung und überhaupt das kapitalistische Schweinesystem, da kann ich sogar mitgehen, aber mit Datenschutz zu kommen, ist dabei halt lächerlich.
Um es binär zu sagen: 1