38C3, Tag 3 und 4, Nachbetrachtungen

Was war noch? Beobachtungen und Gedanken lose gesammelt, es sollten auch ein, zwei lustige Bilder dabeisein.

Tor. Wie eigentlich jedes Jahr der State of the Onion-Talk. Einmal mehr tendenziell „erfreulich langweilig“ – es gab schon die mit schlecht handlebaren DDoSen aufs Netz, die mit Deanonymisierungsangriffen bei schwieriger Response usw., auch diesmal gabs welche im letzten Jahr, aber die Schutzmaßnahmen sind schon länger klar und verfügbar. Das Zentralisierungsproblem wird beobachtet und die Situation schien mir besser als vermutet. Klar konzentrieren sich Nodes nach Ländern (de, usa…) und ASen (Hetzner, OVH…), aber die Entropie insgesamt ist hoch, die Relays durchaus sehr breit gestreut. Mehr und besser geht immer, aber wenn man abwägen kann, ob man vermehrt über Südamerika routen soll, weil mehr Entropie, oder ob Hops über zwei, drei EU-Staaten und Provider auch ok und schneller sind – ich seh das gelassen und bin mit der Gesamtsituation diesbezüglich fein.

Installationen 1: „KI“ und „selbstfahrende Autos“. Es lief an einer Sitzrunde im Hackcenter ein Bericht eines Cklickworkers, der Bilder fürs Trainieren und Verbessern der Objekterkennung von Autos mappt. Dass man insbesondere fürs Training da präzise arbeiten muss, ist noch einigermaßen verständlich. Wie schlecht da das automatisierte Vordefinieren von Objekten, Arealen etc. funktioniert, ist, nun, erstaunlich. Geht man ins Detail, wirds vollends gruselig: man muss ja nicht nur erkennen, ob eine Person da steht, sondern auch, ob die beispielsweise Anstalten macht, auf die Straße zu treten. Hebt sie den Arm, um das anzuzeigen? Oder macht sie das aus einem anderen Grund? Legt die Straßenmarkierung nahe, dass man hier über selbige gehen wollen könnte?

Extrem vage Abwägungen, aufgrund derer am Ende die trainierte Kiste korrekt in die Eisen steigen oder weiterfahren soll. Und wie es bezahlt wird, will ich gar nicht wissen. Dass Clouds anderer Leute Computer sind, wissen wir, dass KI anderer Leute schlecht- bis unbezahlte Denkerei und Arbeit ist… wissen wir auch, aber viele andere nicht und vor allem wirds selten so anschaulich.

„Brauchbare Illegalität“ und die Vorbereitung von Organisationen auf menschenfeindliche Diskurse war als nicht aufgezeichnet/gestreamt angemeldet, was für ein gewisse Subversionspotential sprach. In der Beschreibung war aber auch von Luhmann die Rede, und nichts gegen Luhmann, sein revolutionäres Potential hat indessen aber Luft nach oben. Es stellte sich dann auch als durchaus fundierte, aber meiner Ansicht nach deutlich zu theoretische organisationssoziologische Analyse heraus. Handwerklich solide, ja, und nachdem Organisationssoziologie das einzige war, was ich wirklich mal hochoffiziell als Dozent an ner Hochschule gemacht hab, irgendwie ein sehr witziger Blast from the Past. Für alle anderen vielleicht etwas zu allgemein und aus einer Etage zu hoch betrachtet.

Deko- und Schildersitution. Fein, aber da eskalierten Congresse schon besser. Die Schlangen an der Brust feierte ich hart, witzigerweise wurde der Ausdruck in einer der ersten Nächte entfernt, aber hihi. Kam wieder, blieb da, alles gut.

Überhaupt rockte die Geheimorganisation in allen möglichen Beziehungen, mein persönliches Highlight war tatsächlich das GeheimVZ, das für den Congress aufgesetzt und anschließend wieder abgeschaltet wurde. Entwickelte eine allerliebste Dynamik, Gruscheln, als hätten wir 2008 und alles selbstredend vollkommen sicher, weil die Hacker von heute kein PHP5 mehr können. Tatsächlich hab ich das Framework nicht erkannt, hilfreiche Hinweise auf die Plattform gerne. Original in Rosa, ich musste trotz großer Rosaliebe aber in den Dark Mode schalten.

Stadt.Land.Klima! war die Vorstellung einer spannenden Plattform, um Klimaschutz- und Resilienzmaßnahmen auf kommunaler Ebene zu sammeln und zu bewerten und im Bestcase da voneinander zu lernen, mehrfaches Rad-erfinden zu vermeiden und Best Practises zu entwickeln. Ich hatte mir es natürlich mit dem Gedanken an einige diesbezüglich aktive Gruppen in Wuppertal angesehen und war von der Plattform und ihrer technischen Umsetzung durchaus angetan. So wirklich die Hands-On-Erfolgsprojekte aus verschiedenen kommunalen Beispielen/Maßnahmen gabs dann aber nicht so richtig. Ich denke aber, es lässt sich alles auf der Plattform selber recherchieren, und wahrscheinlich sollte man das eh tun, bevor man sich dranmacht, da die jeweiligen Vor-Ort-Maßnahmen zusammenzutragen und einzupflegen. Ich mag vor allem, dass sich da eine wirklich rein zivilgesellschaftliche Initiative kümmert, die mit Ansage keinen Bock auf Greenwashing-PR-Scheiße hat und die unabhängige zivilgesellschaftliche Akteure in den jeweiligen Ortsgruppen für die Doku einfordert, und dafür scheint mir die Sache gut und weit gediehen.

Installationen 2. Im Kidspace hab ich nur einmal vorbeigeguckt, ich hab immer noch ein gewisses Trauma von der „Wir kochen Mittagessen und schneiden das Gemüse mit Lasercuttern“-Geschichte vor X Jahren in NL. Stellt sich raus, dass dort die geilsten Synthesizer standen. Ich weiß, ich bin jetzt in der Bevölkerungsgruppe, die sich sowas selber kaufen soll, wenns sie interessiert. Aber wenn ich irgendwo vage Sozialneidpotentiale auf Chaosevents fühle: die Kinder könnten ne Zielgruppe werden.

Retrotech. Eine latente Faxbegeisterung klang auch in der 0,1 oder 2-Quizshow an mit Live-Faxbesendung der Bühne. Auch die einschlägigen Cybercafes waren gut ausgerüstet und der ISDN-Schrank kein isoliertes Museumsrevival, tatsächlich war großflächig ISDN gelegt. Es dauerte nur ne Weile, bis man das „man muss für die Faxweiche beim Anrufen ne Null anhängen“ rausgefunden hatte.

Apropos Quizshows: ich bin eigentlich durchaus Fan mechanischer Tastaturen, mein Problem ist nur, dass ich mir vor X Jahren ein das keyboard kaufte, seitdem einmal im Jahr einen halben Kater unter den Tasten rausputze und sie dann weiterverwende. Unkaputtbar und klasse. Dass es neben Cherry Brown silent noch ein paar weitere Tastertypen gibt, war mir durchaus bewusst, die Breite des Angebots wurde mir erst richtig klar, als ein Tastentypentester an der Assembly auftauchte. Not sure if nerdsniped, ein paar Tasten fühlten sich schon irgendwie ganz besonders angenehm an. Aber ich träume da eher von irgendwann mal einem „Wir erkennen die Tasten per Tasten“-Hacken-Dass.

Installationen 3: Neben der cBase gabs einen Produkttisch, wo diverse mehr oder weniger abstruse Konsumgüter plus Scanner auslagen. Wenn man was scannte, wurden passende Tiktok-Videos zum Produkt gespielt, wo zweifellos ganz normale Leute aus Nächstenliebe und zur Verbreitung von Praxis- und Handlungswissen uneigennützig erläutern, warum genau dieses Produkt auf verschiedenste Weisen das Leben besser, schöner und aus Holz macht.

Ich komm auf Tiktok nicht klar, die Videos sind auch alle nicht wirklich überraschend, aber schon wieder irgendwie angenehm skurril bis cringe. Seid nicht in solchen Videos. Im Übrigen war Halle H und cBase mal wieder wirklich schön und zum gerne öfter durchgehen, aber dass die ganzen Shitcoindeppen immer noch geduldet werden und auch noch fette Assemblys haben… BTC, Monero, noch ein paar „Dezentralisierung!“-Verschwurbelungen mehr, ich weiß, all creatures welcome, aber nun. Vielleicht ists einfach eine Prüfung unserer Fähigkeit, ein gewaltfreies Nebeneinander auszuhalten, und das ist eine nicht unwichtige Sozialkompetenz, die geübt sein will, aber… na gut, ich hör auf.

Wenn ich grade auf hohem Niveau jammere: es war alles klasse, viel viel schönes, spannendes, informationsdruckbetankendes, mutmachendes, you name it, persönlich hatte ich gefühlt häufiger den SEO-Konferenzen-Effekt: kenn ich, weiß ich, braucht man mich nicht abholen zu, alles klar, ich bin noch auf dem Stand. Das ist OK. Ich glaube, für den nächsten Congress muss ich mir aber einfach auch mal wieder wirklich was projektiges vornehmen. Wenn man dann doch nur frei umhertreibt und „oh guck mal, ein Eichhörnchen eine Stickerbox“, auch vollkommen fein, aber einfach auch mal wieder was dickeres für sich selber planen, ich glaub, mir täts gut.

Tja, und über diese Geschehnisse und Gedanken war die Nacht zwischen Tag 1 und 4 irgendwie rum, kaum dass mans sich versah. Draußen ist feindlich, gebt auf euch acht, Nazis aufs Maul, und eine okaye Bewältigung von 2025 allerseits.