Es ist tragisch, wenn man den Verlust liebgewonnener Technik hinnehmen muss. Noch bitterer ist der Abschied von den Geräten, wenn sie nicht am Ende eines langen, erfüllten Daseins die Welt ihres unermüdlichen Werkelns verlassen, nachdem sie mit den im Alter zunehmenden Zipperlein und Unzulänglichkeiten einen Abschied quasi vorbereiten und Stück für Stück vorwegnehmen, sondern wenn sie ohne Vorwarnung aus der Mitte ihrer Mitmenschen, -maschinen und Netzwerke gerissen werden. Dieses Schicksal hat mein teures Denkbrett erlitten, und diesen Verlust beklage ich.
Das Denkbrett – einiges über vier Jahre verrichtete es treu seine Dienste. Nach einer kurzen Jugend, in der das z60 wie viele andere Notebooks eine Phase des vorinstallierten Windows durchmachen musste, mauserte es sich zum Ubuntu-Denkbrett und reifte schnell in das klassische verratzte Erscheinungsbild eines ordentlich gebrauchten IBM-Notebooks heran. Schon nach dem ersten Besuch auf dem CCC-Congress zierte ein gelber „Defekt“-Aufkleber das Äußere, zu dem sich über die Zeit einiges mehr gesellte. Und darunter werkelte der Prozessor, rauschte der Lüfter, wie öfter bei den IBM- und Lenovo-Denkbrettern gelegentlich etwas laut, aber charaktervoll vor sich hin.
Mit dem Denkbrett habe ich das Bloggen angefangen, bin ich auf einigen Congressen, Camps und Konferenzen gewesen, wir haben uns zusammen im Zelt die ftps auf dem Chaos Communication Camp angeguckt und die Belgier nebenan ertragen ebenso wie den Spott böser Menschenvon Menschen mit komischen WLANs und die Angriffe ihrer Haus- und Kuscheltiere.
Irgendwann war für die Arbeit ein anderer Rechner fällig und wurde das Denkbrett die abends-Videoguck- oder im-Bett-Rechenmaschine. Der Akku war damals schon nicht mehr ganz das, permanenter Netzbetrieb hatte seine Spuren hinterlassen, aber nach wie vor war das Denkbrett einfach eine feine Kiste, deren DVD-Laufwerk und VLC noch fast alles fraß, was der DVD-Player als Fehlbrennung, Dreck- und Kratzerscheibe oder sonstige mediale Zumutung ignorierte.
Als wir das Westentor eröffneten, war klar, dass das Denkbrett wieder eine tragende Rolle spielte – Kassenrechner, Multimediazentrale und Nebenbei-Surfstation hinter der Theke waren die Aufgaben, die das tapfere kleine Ding weiter frisch bewältigte. Tagesabrechnungen, Speisekartenausdrucke und anschließende Laminiersessions und der eine oder andere Youtube-Abend im kleinen Kreis sorgten dafür, dass es 1,4 GHz und dem Gig Ram nicht langweilig wurden. In einer Dortmunder Kneipe mit einem Sticker zum Thema „Bochum-Fans gegen Rassismus“ friedlich mit allen Besuchern zu koexistieren, machte noch einen weiteren charmanten Reiz des Denkbretts aus. Nach über vier Jahren doch intensivem Gebrauch hätte nichts dagegensprechen sollen, dass ihm ein angenehmer, geselliger Lebensherbst angebrochen war, in heiterer Atmosphäre und viel multimedialer Unterhaltung. Aber es hatte ihm nicht vergönnt sein sollen.
Durch eine seltsame Elektrik im Westentor erlitt das Denkbrett gestern einen Stromschlag, der beim Anschluss eines Netzwerkkabels eintrat, welches wiederum an einem Hub hing, der an einem anderen Stromkreis als das Denkbrett hing. Nachdem zunächst nur die USB-Controller den Weg allen Irdischens gegangen zu sein schienen, stellte sich heraus, dass das Weiterlaufen des tapferen Notebooks nur eine kurze Blüte vor dem endgültigen Ende, ein Schwanengesang der todgeweihten Elektronik vor ihrem Dahinscheiden war. Wenige Stunden nach dem Stromstoß versagte das Innenleben des Denkbretts komplett. Seine Daten werden jedoch bei uns bleiben und leben bereits mit dem auf einen anderen Rechner aufgespielten Backup mit uns weiter. Die Erinnerung an die ganzen schönen Zeiten wird uns den Abschied irgendwann einmal leichter machen, als er uns heute scheint. Wir werden dich nicht vergessen, Denkbrett.
Um den Meister zu zitieren: „Ich sage nicht ‚Weinet nicht!‘, denn nicht alle Tränen sind von Übel.“
… ruhe es wuerdevoll im Sondermuell.
Mir schwant ein gar hinterhaeltige Gedanke. Ist ein neidvolles Attentat des kleinen Lenovo-Bruders schon ausgeschlossen?
Ja, das kann getrost ausgeschlossen werden. Das Ideenbrett ist ja nur am wlan, und ansonsten haben sich die beiden auch immer gut vertragen.
Sonermuell seh ich grade nicht so wirklich vor mir. ich ueberleg grade eher, wie man da ein wenig eine Nerdeckendeko mit Denkbrett machen koennte.
es ist immer beruhigend zu hören, dass dinge letztlich ihrer wahren berufung zugefuehrt werden.
Finde ich da eine vollkommen pietaetlose Doppelboedigkeit nicht oder ist das grade ein st.-untypisches „…denn alles, was besteht, ist wert, dass es zugrundegeht“?
ersteres. natuerlich :)
Haste schön geschrieben. Denkbrett, ruhe in Frieden!