Gunnar Sohn kommentiert recht ausführlich meinen Text zum Thema Leutheuser-Schnarrenbergers Apple-Kritik und Datenschutz auf Macnotes und bringt mich nebenbei drauf, dass ich die sozialpolitischen Anschlussmöglichkeiten der Debatte völlig ausgelassen habe. Das mag ich hiermit nachholen. Achtung, ein, zwei größere Bögen.
Kurzgefasst: Google und Apple kriegen grade von der Politik aufs Maul, weil sie Datenschutzgesetze in Deutschland unterlaufen würden. Der Vorwurf ist teilweise richtig und meist (insbesondere, wenn er von staatlicher Seite kommt) derbst undifferenziert. Das Street-View-Bashen ist von anderen schon ordentlich zerlegt worden, ich hatte mich an der Leuthäuser-Schnarrenberg-Kritik an Apple ein wenig abgearbeitet und mag noch voranschicken, dass ich Rolfs Einwand nebenan durchaus verstehe und nachvollziehen kann, aber nicht als den eigentlichen Kern des Problems sehe, sondern eher als einen Nebenkriegsschauplatz. Mir persönlich ist es relativ egal, wie weit eine Datensammlung geht, solang ich mein Opt-Out habe (bzw. ein Opt-IN vornehmen muss).
Gerade im Fall von Apple sehe ich eine Reihe AGB/Lizenzbestimmungen, über die man sich durchaus streiten kann. Sie ermöglichen die Dienste, die Apple via iPhone und Standortdienste zusammen mit Apps von Drittherstellern anbietet. Wie auch nebenan gesagt: ich hab sowas gern transparent, ich würd gern genauer wissen, was Apple da weitergibt zur „Verbesserung“ der Dienste usw. und an wen, und ‚zig Seiten iTunes-Lizenzbestimmungen zwischenrein akzeptieren, nun ja. Aber *man kanns lassen*.
Jetzt kommt LS und findet das alles furchtbar. Ebenso wie Aigner Google Street View und Facebook. Das ist der Punkt, wo ich anfange, mich ein wenig gegängelt zu fühlen.
Das Missverhältnis zwischen den Angriffen auf Apple, Google und Co. und den Interessenslagen eines Staats (bzw. einer EU) im Sicherheitswahn hab ich nebenan schon aufgemacht. An dieser Stelle der andere Aspekt mit dem großen Bogen.
Wenn *ich* jetzt sage, hey, ich kann diese verdammten Standortdienste ausmachen, wie es mir beliebt, wenn *ich* meinetwegen durch das Facebook-Privacy Feintuning durchsteige (nein, tu ich nicht), wenn ich einigermassen verantwortungsvoll im Netz agiere (tu ich eher bedingt) – dann kann natürlich jeder kommen und sagen, nun ja, Ruppsel, du bist auch ein Nerd. Dann sag ich, Meinetwegen, geschenkt. Heißt das, dass die meisten anderen halt blöde sind und von einem fürsorglichen Staat vor sich selber und den bösen Kapitalisten geschützt werden müssen, die sie ausspähen?
Wenn dann ein etwas verlegenes „…naja, eigentlich ja, genau das“ kommt – dann kann ich die Verhältnismäßigkeiten schlicht nicht mehr begreifen. Es ist *nicht* möglich, diese ach so unmündigen Trottel vor dem Zugriff der Verwertung im Billiglohnsektor zu schützen, es ist nicht möglich, ihnen im Zuge des wachsenden Zwangs zur Selbstvermarktung und -veräußerung den offenbar notwendigen Schutzraum zu geben, es ist nicht möglich, die Wettbewerbsbedingungen in Sachen Arbeitsmarkt ein wenig zu den Gunsten dieser Armen und Unselbständigen zu verschieben, die man stattdessen aber immerhin davor schützt, dass ihre Navigationsapp ungefragt den nächsten Starbucks einblendet. Weil *damit* kann ja wirklich kein Mensch klarkommen.
Das ist die andere Seite dieser in meinen Augen schlicht und ergreifen verlogenen Doppelmoral, die hier grade an den Tag gelegt wird. Und das ist ein Wesenszug eines paternalistischen Staates, der aber eben nur in ganz bestimmten Bereichen einen auf väterlicher Freund, Gönner und Beschützer macht, und in anderen (und ich wage zu behaupten, lebenswelt-relevanteren) permanent Eigenverantwortung und Wettbewerb einfordert Weil das einfach jeder zu leisten *hat*, verdammt noch mal, wir sind hier ja nicht im Streichelzoo oder im Sozialismus. Aber wie gesagt, vor der Starbuckswerbung per Augmented Reality, davor muss man die armen, unmündigen Hascherl von Bürgern schützen. Weil wer bitteschön soll damit klarkommen? Oder gar ein „Nein“ klicken, wenn ne App fragt, ob sie auf den Standort zugreifen darf? Arschlecken.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass in genau diesen „selektiven Paternalisnus“ alle möglichen Staaten und Regierungen in der jüngeren Vergangenheit gesteuert sind. Dieser „mitfühlende Konservativismus“, von dem Bush Junior zu Beginn seiner Amtszeit faselte, die „neue ’soziale‘ Marktwirtschaft“, die grade von gewissen Akteuren ob ihres unglaublichen Nutzen für die Allgemeinheit seit einiger Zeit gepusht wird und so weiter. Ich ertappe mich gelegentlich bei der grade bei Linken manchmal aufscheinenden Orientierung hin zum Etatismus, weil die Politik ja die Auswüchse des Kapitalismus bändigen soll. Um die These abschließend zuzuspitzen: sie tuts halt nur höchst selektiv, und ebenso selektiv nicht. Und das nach dem grade beschriebenen Muster.
One Response to Apple, Google, Datenschutz und ein gelegentlich paternalistischer Staat