Rein aus dem Bauch raus halt ich Net Neutrality für eine Gute Sache(tm) und wunderte mich seinerzeit, dass es so lange brauchte, bis die Debatte über den Teich schwappte. Inzwischen bin ich mir nicht sicher, ob ich für Netzneutralität in einem prinzipiellen Sinn überhaupt bin, und ich weiss auch nicht, ob ich da eine slippery slope aufmache. Kurz gesagt: ich kann das Allgemeinverdammen der Abkehr von net Neutrality nicht nachvollziehen.
Einschränkungen vorneweg. Angefangen hatte seinerzeit ja alles damit, dass manche Provider P2P-Traffic „geshaped“, unbeschönigender gedrosselt haben. Und natürlich war klar, was für Begehrlichkeiten solche Maßnahmen wecken, und was für ein Protokollchaos entsteht, wenn die einschlägigen Clients die Datenpakete entsprechend unerkennbar als Filesharingtraffic machen. Scheiss auf P2P-Trafficshaping, klar soll ein Esel-Paket ebenso zügig befürdert werden wie ein HTTP-Paket oder ein Päckchen Torrent.
Nun grade kriegt die Telekom ihren Shitstorm ab, weil sie laut über die Abkehr von Net Neutrality nachdenkt und – oh, wie unerwartet – die aktuell allseits beliebte Melkkuh Google anzapfen will. Ums auf die von mir bevorzugte drastische Weise zu sagen: Klarer Fall von Bullshit. Was zur Hölle soll ausgerechnet Google drauflegen, wo sie einen der (vergleichsweise wenig trafficintensiven) Dienste anbieten, der das Internet überhaupt benutzbar macht und für die fleißig zahlenden DSL-Kunden attraktiv macht? Klarer Fall vom Kohleabgreifenwollen, wo welche zu sein scheint, und scheiß auf die Begründung.
Was ist aber meinetwegen mit VoIP? Wenn Skype im Rahmen einer QoS-Initiative ihre Sprachpakete priorisiert übertragen haben will und dafür was drauflegt bei den Backbonebetreibern? Was, wenn sie das gezielt für 3G-Daten machen, damit endlich auch mobil VoIP eine echte und qualitativ hochwertige Alternative uzm Handy-.Ferngespräch ist? Was ist, wenn sich HD-Videostreaming durchsetzen könte, es aber dran hängt, dass dann auch die 1080p ruckelfrei beim Kunden ankommen – kann eine Online-Videothek dann nicht sagen, hey, ich brauchs ein wenig zuverlässiger?
Ich seh das, was in der Netzneutralitätsdebatte von vielen grade als ein „Alles bis auf Amazon, eBay und Google wird 15 Sekunden Zwangs-Lag kriegen oder auch zahlen müssen“-Szenario betrachtet wird, eher als eine Möglichkeit, massiv zeitkritische Dienste tatsächlich gegen Mehrpreis zeitkritisch nutzbar zu machen. Schon in den 90ern war gelegentlich die Rede von ferngesteuerten OPs über Internet, beispielsweise. Wenn sowas je kommt, dann würde mich der Gedanke beruhigen, dass die Steuersignale nicht verzögert werden, nur weil der jüngste YouTube-Viral grade Twitter und dann den Rest der Backbones plattgemacht hat. Ich vermute, dass im Businessbereich wie auch privat (haha, Porn!) durchaus Interessen bestehen werden, eine garantiert ruckelfreie Bild- und Tonübertragung zu haben, es wird die Kunden geben, die dafür zahlen werden und es wird die Angebote geben, die mit exakt dieser Qualität werben.
Wann gabs nochmal diese Highspeed-Ping-Angebote für Gamer? Ist das was anderes? Ich denke, „Net neutrality“ um jeden Preis ist eine möglicherweise insbesondere unflexible Sache, die mehr ausbremst, als dass sie gewährleistet. Und ihre Akzeptanz und Nützlichkeit steht und *steigt* mit den Protokollen und Diensten, die eben Priorität kriegen. Gern auch gegen Aufpreis, wenns nen Nutzen hat.
Wo ist mein Denkfehler?
aha, „wenns einen nutzen bringt“. der punkt ist doch, das personenkreise die geld besitzen sich dies locker leisten können und sich dann jeden furz mit höherer priorität liefern lassen.
aber was machen wir von der Piratenpartei z.b. bei Parteitagen die wir streamen wollen? wir werden einfach nicht soviel geld aufbringen können und wollen! von privatpersonen ganz zu schweigen.
und genau deswegen ist die netzneutralität wichtig, denn eine abkehr davon führt auf kurz oder lang zu einer massiven benachteiligung derer die wenig kapital zu verfügung haben, dem kapitalismus sei dank.
Dein Denkfehler ist der, dass im Grunde all deine „Forderungen“ heute schon so umgesetzt sind, nur sieht das Abrechnungssystem anders aus.
Ich versuche es einmal absichtlich simplifiziert zu erklären:
Zuersteinmal – Traffic wird heute schon immer doppelt bezahlt. Der Sender zahlt ebenso wie der Empfänger.
Wenn du dir nun einen dsl-As von Big-T kaufst, dann zahlst du ersteinmal dafür, dass aus deiner dsl-Bridge 16 Mbit/s Daten herausplumpsen.
Auf der anderen Seite ist die von dir skizzierte Online-Videothek. Die zahlt an ihren ISP auch – nur dass der wesentlich mehr Daten wegschaufeln muss. Deshalb bekommt der seinen Anschluß auch nicht für 19.95 (dafür muss er sich auch nicht mit Marcell D’Avis rumschlagen, der bei auftretenden Problemen ersteinmal eine Windows-Neuinstallation verlangt bevor er sich weiter damit befasst ;)).
Der Betreiber dieser besagten Online-Videotheke muss auch weit mehr zahlen als dedizierte Server mit einer beworbenen Flatrate an einem 100 Mbit Switchport kosten.
Er wird sich einen entsprechenden Dienstleister suchen, der die Leistung überhaupt erbringen kann – dazu zählen eben auch entsprechende „Anbindungen“ an die Netze der einzelnen AccessProvider (ich vermeide ersteinmal Begriffe wie Peering/Paid-Peering/Transit/Upstream).
Wir können ISPs ganz grob in Access- und Content-Provider unterteilen. Die einen haben die Endkunden, die anderen binden den von den Kunden gewünschten Content an.
Der eine ist ohne den anderen defacto nutzlos – wer wird schon Content anbieten, wenn ihn keiner abrufen kann – und wer will Access haben, wenns keinen Content gäbe?
Dir als Kunde, egal ob nun Access oder Anbieter, kann das aber fürchterlich egal sein, denn du zahlst für eine vereinbarte Leistung.
Nun müssen sich also ersteinmal diese beiden ISPs zusammensetzen und vereinbaren, wie sie zusammenkommen, im besten Fall vereinbaren sie nun ein Peering miteinander, das beudeutet, die Kunden des jeweiligen Partners erreichen die Kunden des anderen direkt – gelingt ihnen das nicht, werden sie den Traffic ins jeweils andere Netz über Dritte leiten (Upstreams).
To make a long story short – der Traffic ist in jedem Fall bezahlt.
Dann grundsätzlich – es geht hierbei keineswegs um Lags, du vermischst hier Latenz mit Bandbreite.
Die Forderung Big-Ts ist keinesfalls die, dass Google.de erst 100ms später erscheint, wenn Google nicht zahlen will – google.de soll gar nicht mehr erscheinen, weil google sich nicht an den Investitionen beteiligen will.
Dass Google im Umkehrschluß ebenso argumentieren könnte (Google baut sein Netz im Verhältnis ebenso intensiv aus, eher sogar stärker – und die bekommen dafür auch nicht einen Cent von Big-T) sehen sie nicht.
Anyway – schauen wir mal, warum Big-T investiert. Das machen sie, damit sie ihren Kunden Konnektivität in der beworbenen Art und Weise verkaufen können. Dafür zahlt der Kunde auch – ein VDSL50-As ist nunmal teurer als ein 768kbit-dsl-As. Diese Mehrkosten begründen sich damit, dass die nötigen Investitionen, um dieses Produkt überhaupt anbieten zu können, halt irgendwie reingeholt werden müssen. Wenn sich Big-T da verkalkuliert haben sollte (was ich nicht glaube), dann können sie jetzt nicht versuchen, an anderer Stelle zusätzlich abzukassieren. Das heisst – versuchen können sies natürlich, aber wohl erfolglos. Erfolglos deshalb, weil Google sie im besten Fall auslachen wird, aber auch deshalb, weil die Argumentation schlicht falsch ist, denn nicht Google muss für eine Leistung zahlen, die die Telekom ihren Kunden verkauft.
Auch hier wieder interessant – mans telle sich vor, Google dreht den Spieß rum und will von der Telekom Geld dafür, dass sie überhaupt die von ihr verkaufte Konnektivität mit Content befüllen.
Die frage, wer da am längeren Hebel sitzt, ist überaus spannend (verliert Google mehr, wenn keine T-Onlinekunden mehr auf Google/YouTube/GMail usw. zugreifen, oder verliert die Telekom, wenn deren Kunden nicht mehr darauf zugreifen können?).
Es gilt das, was ich oben schon sagte – es ist ein symbiotisches Verhältnis zwischen Access- und Contentanbietern, der eine kann nicht ohne den anderen. Ich möchte es nun nicht verkomplizieren, denn in der Praxis unterscheidet man auch noch die Qualität des Contents (und die Qualität Googles ist unglaublich hoch – wie gesagt, man stelle sich vor, morgen könnte kein T-Online Kunde mehr auf Google zugreifen – das kann man keineswegs mit anderen großen Anbietern wie Starto/Hetzner usw. auch nur annähernd vergleichen).
Ich vermute ganz stark, bei Big-T ist in den oberen Etagen auch noch nicht bekannt, dass man Paket- und Leitungsvermittlung (wie bei klassischer Telefonie) so nicht vergleichen, und erst recht nicht bepreisen, kann.
Bei Telefonie ist es wirklich so, dass beide Seiten jeweils für erbrachte Leistung bezahlt werden – man nennt das Terminierungsentgelt. Rufe ich dich an, und wir sind bei unterschiedlichen Dienstleistern, erhält dein Dienstleister dafür von meinem Geld, auch wenn ich als einziger von uns beiden für das Gespräch zahle (ich simplifiziere und mische mal Durchleitungsentgelte, InterConnection usw. wild durcheinander – an der Aussage ansich ändert das aber nur wenig).
Im Internet bauen wir aber keine stehende Leitung zueinander auf, sondern da geht jedes Paket für sich auf die Reise (was auf höheren Schichten passiert ist erstmal egal – Access- und Contentprovider bieten nämlich nur IP-Konnektivität).
Um das mal weniger Abstrakt zu beschreiben – ein IP-Paket ist wie ein Brief mit der Post. Du schickst mir einen, wenn ich dir antworte stecke ich den Brief nicht in meinen Briefkasten, und der Postbote läuft dann rückwärts zu dir zurück, sondern mein Brief geht einen anderen Weg wie deiner; es kann durchaus passieren, dass er über weite Strecke auf der gleichen Straße transportiert wird, aber das ist eher zufällig denn so designed.
Bei einem Telefonat hingegen hängen wir während des Gespräches an ein und derselben (logischen) Leitung; in der Anfangszeit wurde diese sogar physikalisch so geschaltet.
Aus diesen Gründen kann man beide Kommunikationsverfahren nicht miteinander gleichsetzen, erst recht nicht auch nur ähnlich bepreisen.
Das was Big-T vorhat wird vielleicht an einem anderen Beispiel deutlicher.
Stell dir vor, du kaufst dir einen E-Herd. Der wird mit 3 Phasen à 16-25A an 220V angeschlossen (in der Regel).
Jetzt schreibt dein Energieversorger einen öffentlichen Brief an Miele, deinem Herdhersteller „Örks, wir haben ettliche Milliarden in den Aufbau eines effektiven Niederspannungsnetzes gesteckt, damit überhaupt solche Energiehungrigen Geräte betrieben werden können – jetzt sollen die eigentlichen Verurscaher, also diejenigen, für die wir das schöne Netz ausgebaut haben, auch mal mitbezahlen.
Nicht falsch verstehen – wir erpressen niemanden, und wir stellen die Grundversorgung sicher – 2 von 5 Platten werden immer funktionieren, das kostet round-abot 1*16A, aber damit alle 5 und der Backofen gleichzeitig angehen können, da muss Miele mal ein paar Dineros übern Tisch reichen“.
Nichts anderes macht Big-T.
Hoi, Toady,
jetzt hab ich ein etwas schlechtes Gewissen, weil du da eine Menge Infos zusammengetragen hast, die zumindest mir in der Form durchaus zum groesseren Teil bekannt bzw. klar waren.
Mir leuchten deine Argumente bzw. Darstellungen voellig ein, mir ist auch klar, dass die TKom hier grade billigere Abzocke versucht, danke btw. fuer ein paar herrlich veranschaulichende Beispiele.
Was mir nur nicht ganz klar ist, ist die Frage, warum *generell* so pauschal von Net Neutrality gesprochen wird. Priorisierte Dienste gibt es bereits schon, Beispiele hab ich ein paar gebracht, und ich denke, dass da auch noch „ausbaufaehigkeit“ vorhanden (und von Fall zu Fall durchaus sinnvoll) ist.
Stattdessen wird von Verfechtern der Net Neutrality aktuell so getan, als *haetten* wir selbige. Faktisch ist aber durchaus schon das eine oder andere Datenpaket auf der, hihi, Ueberholspur der Datenautobahn unterwegs. Ich weiss nicht, ist das eine Strategie, um die Dinge nicht unnoetig zu verkomplizieren? ich bin von der Seite eben immer recht differenzierte Argumentationen gewohnt und mach mir grade ein wenig gedanken, ob es nicht irgendwann ziemlich zurueckschiessen koennte, wenn jetzt angesichts der – da sind wir, wie gesagt, ganz beieinander – aktuellen Abzockplaene der Telekom irgendwann der Punkt kommt, dass es doch schon laengst priorisierte Datentransfers gibt und weder die Welt unterging noch Google unerreichbar war (was gelegentlich ja synonym gesehen wird).
Moin!
Moment – jetzt vermischst du einiges.
Zuersteinmal – jedwede Form einer QoS-Implementierung bedeutet im Endeffekt, dass Pakete gedroppt werden (OK, sobald die queue vollgelaufen ist – auf der Schicht, von der wir gerade sprechen, ist sie das *sehr* schnell, wenn da überhaupt noch gequeued wird).
Ich muss dafür wieder etwas weiter ausholen.
Zuersteinmal – sagen wir, du hast 100 Mbit Bandbreite, und du willst diese auf 20 Mbit begrenzen, dann passiert das in der Regel dergestalt, dass du nur zu 1/5 der Zeit das Senden gestattest (gesetz dem Fall, die 20 Mbit liegen dauerhaft an) – die restliche 4/5 der Zeit werden die Pakete gespeichert, ist dieser Speicher voll, werden später eintreffende Pakete an der Stelle weggeworfen und müssen neu gesendet werden.
Es ist also ein gedanklich weit verbreiteter Irrtum dass man eine Art „Höchstgeschwindigkeit“ vorgeben kann, und das Paket, das sich auf der Reise befindet, könnte eigentlich schneller „fahren“, aber darf es nicht.
Dementsprechend kann man dieses Geschwindigkeitslimit auch nicht aufheben, und es saust dann davon.
Also – Drosselung bedeutet immer, dass man ein Paket -in diesem Gedanken- komplett anhalten, also Parken, muss. Ist kein „Parkplatz“ vorhanden, kommt der große IP-Disruptor und dampft es weg.
Gedankensprung zum nächsten Komplex – es gibt nen Art „Bauernweisheit“:
Bandbreite ist wie Hubraum, durch nichts zu erstetzten, nur durch mehr Hubraum.
Wir sind nun im CoreNet des jeweiligen ISP. Läuft das am Limit, dann muss es ausgebaut werden. Das ist heute nicht mehr so unglaublich teuer.
Früher waren die Linien selbst, also das im Boden verbudelte Kabel, sehr teuer. Heute kann man auf einer einzigen Farbe mehrere logische 10 GBit-„Kanäle“ fahren, das nennt sich Wellenlängenmultiplexing (WDM) – und bald[tm] wird sich das auch noch verzehnfachen können.
Rein praktisch kann man sich das so vorstellen, dass man gleichzeitig blaues, grünes und gelbes Licht dareinleuchtet, und der Empfänger kann die einzelnen Farben sehr zuverlässig trennen. Früher war das eher binär – also Licht an oder aus.
Hinzu kommt, dass -je nach Schätzung- gerade einmal 20-45% der verbauten Fasern überhaupt beleuchtet sind – das nennt man dann DarkFiber. Da liegt also Kabel im Boden, das gar nicht benutzt wird.
Worauf ich hinaus will – es ist ein Irrtum wenn man annimmt, dass Bandbreite ein knappes Gut ist. Es ist teuer, klar – aber keineswegs knapp.
Von daher besteht an der Stelle (im Core) keine Not, Banbreite zu verknappen.
Die von dir genannten Beispiel erschlagen andere Probleme.
Das erste war die Priorisierung von Sprache.
Diese wirkt nur auf der Strecke, an der Bandbreite wirklich knapp ist, in erster Linie auf der letzten Meile, und da vorallem im Upstream.
Bei ADSL wird Sprache meist in einem zusätzlichen ATM-VC übertragen, bei VDSL in einem eigenen VLAN (OK, noch nicht, aber Big-T wird sich was dabei gedacht haben VLANs drüberzulegen – es liegt mehr als nur nahe, dass man Sprache, Videostreams usw. in verschiedene VLANs packen will).
Das tangiert den Bereich Netzneutralität allerdings nicht, denn zum einen könnte ich nun Erbsen zählen und sagen, dass das kein über das Internet bereitgestellter Dienst ist, sondern ein Intranet-Dienst (die VoIP-Pakete verlassen das Netz des Anbieters ja nicht – siehst du daran, dass du alterantive Anbieter nicht über einen separierten VC erreichen kannst), aber viel wichtiger ist, dass du das selbst entscheidest.
Im IP-Header ist auch ein spezielles Feld vorgesehen, TOS (TypeOfService). Da kann der Sender festlegen, wie das Paket behandelt wird, besser – behandelt werden soll (niedrige Latenz, günstigste Kosten, hohe Bandbreite usw.).
Im Regelfall wird das Feld von Routern im Internet schlicht ignoriert.
Auch hier ist wichtig – der *Sender* setzt dieses Flag, nicht der ISP, der es transportieren soll.
Der ISP entspricht also -in dem Beispiel- *deinem* Wunsch, konkret dem, dass IP-Pakete, die für Sprache genutzt werden, bevorzugt (besser – verzögerungsfrei) übertragen werden, damit der von dir in Anspruch genommene Dienst in besserer Qualität nutzbar ist.
Drosselt bzw. droppt er allerdings konsequent deine Eselpakete, dann entspricht das eben nicht deinem Wunsch.
Die Mechanismen, die Big-T einführen will, greifen ja auch an einer anderen Stelle.
Big-T geht es keinesfalls vorrangig darum, YouTube aka Google *innerhalb* des Cores (oder meinetwegen dahinter, also zum Empfänger hin) irgendwie anders zu behandeln – sie wollen es an der Netzgrenze machen, also da, wo die IP-Pakete von Google ins Netz Big-Ts kommen, alles andere wäre technisch unsinnig.
Muss ich wieder ein wenig ausholen.
Zum einen verkauft dir Big-T IP-Konnektivität. Das umfasst nicht nur den Weg von dir zu Hause bis zu dem Punkt, an dem du ins Netz der Telekom kommst, sondern auch den An- und Abtransport der Pakete zum jeweiligen Ziel.
Verkauft dir Big-T nun einen VDSL50 Anschluß und garantiert dir, IIRC mindestens 30 MBit, dann umfasst das auch die dafür nötigen Kapazitäten auf allen Netzebenen.
Wenn du dir nun mit angenommen 10 Mbit/s ein Video von YouTube anschauen willst, und Google sendet das mit 10 Mbit/s bis zur Netzgrenze der Telekom, dann ist es ab dem Punkt das Ding der Telekom, diese 10 Mbit zu dir zu transportieren, dafür zahlst du.
Nun folgendes Szenario mit bewusst einfachen Zahlen:
Sagen wir, die Netze der Telekom (AS3320) und Googles (AS15169) treffen sich in Hamburg. Die Telekom wirft Google ein Ethernetkabel rüber, beide stöpseln es in ihre Router, und ab da gibts eine 100 Mbit-Verbindung.
Googles Job ist es nun, die Daten bis dahin zu bringen, und der der Telekom, sie von da zum Kunden zu transportieren. Für ersten Weg zahlt Google, für den dahinter zahlt die Telekom.
Rufen nun 20 Kunden der T-Com bei Google ein YouTube-Video mit je 10 Mbit ab, dann hat man hier 50% PacketLoss (jaja, in der Praxis hat man das nicht – wie gesagt – will hier was vereinfacht klarmachen).
Da trifft nun ersteinmal niemanden eine Schuld – Google und T-Com sagen jetzt komm, lass uns mal auf 1 Gbit gehen – gesagt, getan.
Der Fakt hier ist nun, dass die Telekom meint, Google müsste sich nun zusätzlich an den gesteigerten Kosten, die bei der Telekom entstehen, beteiligen. Google hat aber eigentlich den gleichen Aufwand, schließlich muss Google ja auch die Daten erstmal dahin transprtieren.
Der wichtige Punkt aber ist der, dass die Telekom hier falsch argumentiert – und du auch:
Es ist keineswegs so, dass nur Google ein Interesse daran hat, dass deren Daten da nun weggeschaufelt werden. Es ist ebenso das Interesse der Telekom, denn schließlich verkaufen sie ja diese angefragte Bandbreite an ihre Kunden, ergo ist es das Ding der Telekom, diese Daten in der angeforderten und an die Kunden verkauften Bandbreite auch zum Kunden hin zu transportieren.
Aus diesem Grund geht eine wie auch immer gemachte Forderung bzw. Angebot an den Sender, die Daten in der von den Kunden angeforderten Qualität auch zu transportieren, an der Realität vorbei.
Das trifft eben auch auf dein Skype-Beispiel zu – warum sollte Skype für eine Dienstleistung zusätzlich zahlen, damit sie dem Kunden erbracht wird, obwohl dieser doch schon genau dafür gezahlt hat?
Es ist schwer, da übertragene Beispiele für zu finden, aber stell dir vor, du bist an der Tankstelle, und willst 30l tanken.
Statt 30l Benzin kommen nun 20l Benzin und 10l Luft aus dem Hahn – du sollst aber für 30l zahlen – weil der Tankstellenpächter die restlichen 10l vom Mineralölproduzenten haben will – schließlich sei die ganze Logistik ja fürchterlich teuer, gerade erst hat man ne neue Transportflotte anschaffen müssen, und der hat sich jetzt mal an den Kosten zu beteiligen.
Da sagst du doch auch nicht „Hmm, eigentlich stimmig, war ja auch teuer, und gerade erst die neue Pipeline…“.
Du sagst doch auch „Haste se noch alle? Ich hab 30l bezahlt, dann will ich auch 30l haben – wie du das Benzin hierhin bekommst ist mir doch Schnuppe!“.
So ist es übertragen auch – du zahlst dafür, dass x Mbit aus deiner leitung plumpsen, und wenn Big-T das nicht schafft, dann erfüllen sie ihren Vertrag mit dir nicht.
Hier schließt sich auch der Kreis zu meiner eingangs gemacht Erklärung, wie QoS wirkt.
Es geht nicht darum, dass Pakete irgendwie schneller von A nach B kommen – es geht schlicht darum, dass sie überhaupt übertragen werden. Hier haben Sender-ISP und Empfänger-ISP jeweils ihren Part zu übernehmen.
Google (und sicher auch Skype, wie in deinem Beispiel) erfüllen den auch, sie transportieren die Daten bis zum Übergabepunkt mit Big-T.
Hier gehts darum, dass Big-T nun für den ihrigen Part zusätzlich Geld haben wollen, Geld für eine Dienstleistung, die sie ihren Kunden verkaufen, und die sie von ihren Kunden bezahlt bekommen.
Eine Argumentation wie „Ja, is ja alles so fürchterlich teuer“ zieht da nicht – dann müsen sie ihren Kunden mehr Geld für die vereinbarte Leistung in Rechnung stellen.
Wenn Big-T nun sagt „Ja, dann leiten wir nur noch 100 Mbit statt der aktuell angefragten 2 Gbit durch unser Netz, für alles darüber müsst ihr zahlen“ dann bedeutet das ersteinmal, dass sie dich als Kunden übers Ohr hauen wollen, weil sie die mit dir vereinbarte Leistung nicht erfüllen. Für diese Leistung nun zusätzlich den Sender abkassieren zu wollen, ist einfach nur lächerlich.
Alleine schon die Ankündigung, die mit den Kunden vereinbarte Leistung nur noch dann zu erbringen, wenn der Sender sich „angemessen“ beteiligt, ist doch einfach nur schäbig.
Aus dem Grund gehen alle Forderungen, der Sender kann ja für „Premiumleistungen“ zusätzlich zahlen, am Thema vorbei. Das ist nämlich keinesfalls eine „Premiumleistung“ – das ist nicht mehr und auch nicht weniger das, für das die Telekom ihre Kunden zur Kasse bittet.
Weder Google, noch sonstjemand, verlangt eine Art „Premiumleistung“ – da ist der Denkfehler, und damit fällt auch die ganze Argumentation der Telekom.
Noch kurz zu VoIP über GSM:
VoIP (auch Videotelefonie, für die es unter Android einige Apps gibt, die das können) funktioniert wirklich gut, nutze ich recht häufig.
Allerdings nur dann, wenn man „ortsfest“ bleibt. Das liegt hauptsächlich daran, dass es bei HSPA kein SoftHandOver gibt (HandOver ist im GSM-Netz das Verfahren, dass bei einem Wechsel der Zelle dafür sorgt, dass der Datentransport nicht abreisst, vorallem der Transport der Sprachpakete, denn Sprache im GSM-Netz wird eh Paketvermittelt übertragen, das ist de facto VoIP).
Man mag nun darüber spekulieren, warum das so ist – ohne da nun Verschwörungstheorien zu schüren könnte ich mir durchaus vorstellen, dass das absichtlich sod esigned wurde, um eben VoIP zumindest dann wirkunsgvoll zu verhindern, wenn man beispielsweise im Auto/Zug/sonstwie in bewegung ist.
Off-Topic(scnr):
Ich liebe Toadys Beiträge. Sagte ich im g:b schon x mal und schrob es ihm auch schon per PN. Zuletzt glaub für den „Firewall“/“Helm-auf-und-ab-durch-die-Tür“-Vergleich.
Ich brauch mal irgendwas nerdiges, das sich signieren lässt und dann komm ich bei Korrupt, Missi, Kugelfisch, aNtiCHrist, Toady und Konsorten vorbei… ja ja, ich geh mal weiterträumen. :o)
Back to Topic. :-)
Gar nicht so OT, wei das ist ja grade der Punkt… thx, Toady, jetzt hab ichs kapiert.
Und das mit dem gerne lesen – jepp, das ist was, was mich am Netz so begeistert. Man kann was dazulernen, die ganze Zeit, und ich finds immer wieder grossartig, wenn sich jemand mit dem entsprechenden Knowhow die zeit nimmt und da die Dinge erklaert. Grossen Dank dafuer.
Ich schließe mich an: danke! Die Trennung von Sender- und Empfänger-ISP bzw die Trennung der beiden Netze war mir so nicht ganz bewusst. Und wer bisher für was zahlt. Hab mich schon gefreut, als ich Toadys Namen in seinem 1. Kommentar gelesen habe. Kenne ich auch noch aus dem g:b, dass da meisten viel Know How zu Netzen drin steckt.
Fänd ich echt gut, wenn du mal bloggen würdest, Toady. Sowas vernünftig erklärt findet man leider nicht oft und das ist für die Debatte wichtig, damit alle in etwa auf dem gleichen Stand sind ohne das studieren zu müssen.