OMR13, Nachbetrachtungen

So, das Gender-Unbehagen hatte ich ja schon, nun mal zu einigen inhaltlichen Eindrücken (und ein paar teilweise auch recht sozialwissenschaftlich geprägten Gedanken dazu). Be warned, das ist teilweise reichlich unsortiert und einfach mal Gedanken ausprobiert.

Big Data

Daten, Daten, Daten. Entweder überhaupt große Datenmengen analysieren und gezielt nutzen/aktivieren (siehe Obama-Wahlkampf), im Vorfeld der eigenen Site alles analysieren, auswerten, evaluieren, was geht (Customer Journey) oder nach dem Besuch oder Sale dasselbe (Retargeting, Real Time Bidding und natürlich CRM). Wenn man diese Daten nicht hat, dann sollte man sie so schnell wie möglich generieren – anfangs eben etwas ungezielter vorgehen, und umso mehr „targeted“ auf allen Ebenen von der Werbemittelerstellung über die Channel-Analyse und -optimierung bis hin eben zum CRM machen, je mehr Daten man dann sukkzessive kriegt.

Die Faszination dessen kann ich hervorragend nachvollziehen – einmal ist da der bereits erwähnte Aspekt, dass es immer gut ist, wenn die Leute das finden, was sie auch tatsächlich interessiert – und die Klickraten sprechen in der Regel für sich. In der Praxis ist mein Eindruck von allem, was mit Retargeting und Profiling zu tun hat, ein wenig durchwachsener – redet man mit den Leuten, dann fallen oft die Sprüche von den „verfolgenden“ Anzeigen oder der „Gruseligkeit“ dessen, was da offenbar von verschiedenen Stellen offenbar gewusst wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass die „Gründe für Misserfolge“ schlicht wenig interessieren und es im Endeffekt vollkommen wurst ist, wenn bei 8% Klickrate von den 92% Nichtklickern noch ein gewisser Anteil Gruseln empfindet oder sich verfolgt fühlt. Wer weiß, vielleicht wirds irgendwann wirklich auch überwiegend als nützlich und sinnvoll gesehen. Und wenn man statt 0,2% nun auf einmal 8% der Leute mit etwas sie offenbar interessierenden erreicht, dann ist der Preis vielleicht auch gerne bezahlt.

Afrikakicker auf der Warmup: Symbolbild für die soziale Verantwortung der Branche.

Afrikakicker auf der Warmup: Symbolbild für die soziale Verantwortung der Branche.

Zwei Sachen dazu. Einmal brauchts in der Regel wirklich „Big Data“ und große Zielgruppen. Das ist trivial. Das andere klang im vorigen Text schon an: mir gruselt ein wenig davor, dass mit diesen Mitteln (nicht zwingend, aber oft genug) trotz allem „Individualisieren“ eben nach wie vor und zwangsläufig Stereotype angesprochen, erschaffen, reproduziert werden. Ist Single auf Facebook, kriegt die Flirtportale reingeschmissen. Ist weiblich, kriegt Mode. Ist vierzehn, kriegt Lady Gaga, und ist egal was, kriegt Schlankheitsstrategien. Auf was will ich raus? Auch hier a) vages Unbehagen einerseits, b) die Frage, ob nach der überfälligen Kritik am Menschenbildgestalten der Printwerbung und dem notwendigen Überdenken beispielsweise von transportierten Schönheitsidealen eine ähnliche Bewusstseinsschaffung auch mal im Onlinebereich notwendig ist (ich denke, ja), und b) ob es analog zur (vermutlich überbewerteten „Filterbubblethese“ in Sachen Social Networks und personalized search auch eine analoge Abschätzung von Situation und Aussichten im Werbebereich nicht sinnvoll wäre.

Content und Context

Content. Und Kontext. Das Ding auf der OMR13

Content. Und Kontext. Das Ding auf der OMR13

Der schöne Satz von „Context is King“ spielte ja schon oben mit rein. Hier wirds auch schon wieder spannender, weil die Überlegung, weitaus stärker einfach in die Bereiche zu gehen, die die Leute inhaltlich interessieren und diese allenfalls noch zu branden, der ist an sich spannend und gefällt mir einfach auch vom „Geben und Nehmen“ Prinzip her gut. Da kann man dann natürlich a la Pepsi eine Wall machen, die an sich nur noch aus den Statements der User besteht und per se inhaltlich gar nichts mehr mit Pepsi zu tun hat, man kann auch die „Ansätze“ dessen in der ganz platten Displaywerbung sehen, die eben den eigentlichen Kontext „sponsort“ und sich ansonsten nicht einmischt, und die Bandbreite dazwischen kann ja nach Belieben aufgefüllt werden. Das Prinzip hat man ja auch beispielsweise beim Barcamp-Sponsoring oder Himmel, wenn Adobe eben die OMR mitfinanziert. Man unterstützt Inhalte mit passendem Kontext und holt sich Sympathien ab. Wobei das ganze „neue“ Prinzip, in diesen Kontext (hihi) gestellt, schon wieder recht altbekannt wirkt, aber das machts ja nicht schlecht. Kann auch sein, dass ich da irgendeinen Kernpunkt nicht verstanden habe, aber ich glaubs nicht mal. Eher, dass die „Durchdringung“ eben intensiver wird, dass statt der in den bisherigen Formen weitgehend „interaktionsfreien“ Content-Sponsorings eben eine aktive Miteinbeziehung in beide Richtungen steht – dass die Sponsorenseite eben zur Userplattform wird oder der Sponsor verstärkt in den Dialog eingebunden, siehe Adobe-Sicherheitslücken als Thema beim Blackhat-Vortrag auf der OMR und so weiter.

Da sehe ich auch viel Zukunft, weil vieles zusammenkommt – die Dynamik der Kunden/Nutzer, der Dialog Hersteller/Konsument usw., beispielsweise Steam scheint mir hier sehr viel gut und richtig zu machen. Schade fand ich hier, dass dann doch einiges ein wenig vage blieb – wie verhindert man, dass sowas wie die Pepsi-Wall dann eben doch eine sterile und bereinigte Best-of-Testimonial-Geschichte wird? Wie bringt man das zusammen mit der allgegenwärtigen Interaktion, sei es auf Bewertungsplattformen, bei Facebook, via Google Plus und Places? Die für mich spannendste konkrete Frage beispielsweise: wie bringe ich Kunden/Nutzer als Google Plus-Autoren auf eine Anbieterseite? Bisher keine funktionierenden Konzepte, die mir aufgefallen wären. Was mich angesichts des G+-Hypes ein wenig überrascht. Aber das hängt vielleicht mit dem Folgenden zusammen…

SEA vs. SEO

Alles wirklich sehr SEA-lastig. Das scheint mir zum Teil der Sexyness eben erwähnter „Big Data“ geschuldet zu sein, die eben verstärkt bei Analysen von gezielten Adschaltungen und den Customer Journey-Auswertungen über Affiliate und andere Kanäle anfallen. Einige Datenquellen sind in der Form bei SEO eben nicht verfügbar. Nach ein wenig drüber schlafen schient mir das aber weitgehend kein Problem zu sein. Ich nehm gerne alle Informationsquellen, die sich bieten, und was über SEA an Daten anfällt, kann seit jeher auch bestens für SEO genutzt werden. Weiter kommt mir die ganze Geschichte des Zusammenrückens von Anbietern und Kundschaft sehr entgegen, und alles, was mit öffentlichem Dialog zu tun hat, ist für SEO in der Regel prima, man muss es nur nutzen und gegebenenfalls eben anstoßen.

Dass dabei tatsächlich auch ein Mehrwert für den Kunden rausspringt, mag dann dabei Nebeneffekt sein, aber das halte ich – unter Verweis aufs eingangs geäußerte Unbehagen – für einen der wichtigsten Aspekte an der ganzen Kiste. Was individuell oder gesellschaftlich keinen konkreten Nutzen bringt, ist weitgehend sinnfrei und auf alle Fälle eben nicht nachhaltig. Da steckt für mich der Hauptknackpunkt drin, was den Unterschied zwischen vernünftiger Online/Crossmedia-Aufstellung angeht und irgendwelchen „Hauptsache Reichweite, Hauptsache schnelle Sales“-Ansätzen ausmacht.

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