Man verzeihe die folgende Ansammlung von Text und weitgehend unrelatierten Bildern. Es liegt in der Natur der Sache, dass man tolle, schöne und wundersame Dinge sieht, während die Diskussions- und Workshopinhalte gelegentlich tendenziell düster ausfallen. Eines meiner Learnings von gestern hatte ich ja schon verbloggt, ich mag an dieser Stelle noch einen anderen Aspekt herausstellen, der mir bei einer der Opening Keynotes in einer mir bisher nicht bewussten Drastik klar wurde:
Eine der Grundlagen für weltweite Regimes von Überwachung und (militärischer) Kontrolle und Kriegsführung besteht im Aufrechterhalten von an sich primitiven rassistischen Stereotypen, ohne diese wäre das nicht mit der aktuellen Leichtigkeit möglich.
Wie gesagt, unbenommen, dass Rassisten Arschlöcher sind und Alltagsrassismus verbreiteter, als man an sich denkt, auch wenn man denkt, er sei verbreiteter, als man denkt. Mehr gleich.
Die Session war die von Ray McGovern, der nach einer langen und hoch hinaus führenden Kariere bei der CIA den Bettel hinwarf und sich zum Aktivisten wandelte. Ein engagierter Kerl, der einfach auch Mut macht dahingehend, dass es an sich für niemanden zu spät ist, Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen.
Seine Statements, die bei mir hängenblieben und auf Erfahrungen bis zurück zur Öffentlichkeitsarbeit während des Vietnamkriegs zurückgehen: Whistleblowing gabs schon öfter, aber zu selten. Leute, die es sich überlegten, sowieso. Und einige gehen dran kaputt. Das wurde nicht beschrieben, um auf Mitleid zu machen, sondern um zu zeigen, man hat hier Möglichkeiten und Ansatzpunkte, auf diese Menschen einzuwirken.
„Ethik“ ist demnach durchaus vorhanden, aber viele haben einfach nicht die Eier dazu (er selber lange Zeit inbegriffen).
Was mich als erstes erschreckte: die gar nicht zu überschätzende Rolle der Kontrolle und Steuerung etwaiger kritischer Diskussion in der Presse. Wenn hier Kanäle abgedichtet werden, kann öffentliche Meinung sehr gut gesteuert werden. Klingt trivial, ist es wohl auch, aber die Auswirkungen in die eine oder andere Richtung können einfach extrem drastisch sein.
Das eine solche Lenkung der öffentlichen Debatte auch und gerade mit Täuschungen und mit platten Stereotypen funktioniert, auch klar. Er stellte als eines der kritischsten Elemente aber nicht beispielsweise die nicht gefundenen WMD im Irak raus, wo die Lüge offensichtlich war, sondern den permanenten Transport von rassistischen Klischees, mit denen Kriege gerechtfertigt und „zur allgemeinen Akzeptanz gebracht werden“. Konkret wurde das seit Vietnam so gehandhabt: Die „Orientalen“ haben ein anderes Verhältnis zum Leben, ein Leben ist da einfach weniger wert, es wird als weniger schmerzhaft wahrgenommen, das eigene und das von Angehörigen zu verlieren. Das spielt seit jeher eine immense Rolle in der Wahrnehmung von Kriegen in Nah- und Fernost, schlicht, weil damit einerseits das Morden, zum anderen der fehlende „“Kriegsfortschritt“ trotz immer höherer Leichenberge beim Gegner gerechtfertigt wird. „Klar, wir bringen massig Irakis um, und kommen dabei nicht weiter, aber das ist eben, weil die Orientalen einen Dreck aufs Leben geben.“
Der Witz/der Zynismus: viele Akteure glauben da selber dran. Es scheint häufiger als gedacht die Einstellung zu sein, dass „die Orientalen“ eben so und so ticken und das Leben einen anderen Wert hat usw., dann *irgendwann* vielleicht, dass sie eben keinen Bock auf ungleichen Tausch mit Westmächten auf dem „freien Markt“ haben und uns das Öl/die Rohstoffe halt so nicht verkaufen wollen und die Gründe auch wieder a) scheisse und b) mentalitätsbedingt sind. Und dann erst kommt ggf. die Überlegung, ob doch nicht alles viel normaler und wie „bei uns“ auch ist. Weisser Rassismus als notwendige Grundvoraussetzung zur Legitimation von Kriegen.
Was mir in dem Kontext wichtig scheint: Normalität schaffen, die Opfer dieser Politik *normal* zu Wort kommen lassen. Ich hätte gern, dass diese Menschen ebenso in unsere tägliche Netzkommunikation eingebunden sind wie das verdammte Frühstück auf Instagram. Wenn die Leute, die von den Westmächten zusammengebombt werden dieselben sind, die wir morgens auf Twitter lesen, dann wird es schwieriger, sie zusammenzubomben und es wird schwieriger, sie als Kollateralschäden ohne nähere Eigenschaften in der obligatorischen „Oh Gott, es ist ganz schlimm (nur halt leider notwendig)“-Schlechtes-Gewissen-Einblende in den Medien zu reduzieren.
Ich denke, da machen Telecomix was sehr feines, und ich denke, wir bräuchten Leute, die sowas weiterverbreiten, die Tweets übersetzen, die die Statements der Menschen von dort ebenso normal in unsere Gespräche einbinden wie eben auch beispielsweise die Statements der einschlägigen Social Media-Beauftragten der Parteien in unsere Diskussion und damit unsere Weltwahrnehmung eingebunden wird.
Tja. Wenig spassbezogenes Thema. Ich glaube, Trolling the Web of Trust und ein paar erfreuliche Entwicklungen in Sachen TOR-Gamification schreib ich mal separat was zu.