Gestern war Kurdistan-Demo in Wuppertal, wir waren da mit geschätzt 300-400 weiteren Leuten. Einmal gut, andererseits irritiert mich das Untergehen des Themas angesichts der durchaus möglichen bis naheliegenden Handlungsmöglichkeiten Deutschlands/des Westens/der NATO grade sehr. Themen der Demo: Solidarität mit den kurdischen Kämpfern, Protest gegen das Vorgehen der türkischen Regierung, die aktuell mehr die PKK als die IS zu bekämpfen scheint, Kampf gegen IS. Mit alldem kann ich mich an sich prima identifizieren.
Die Situation: Der IS führt Krieg insbesondere auch in den Kurdengebieten im Nordirak, gegen die dortige kurdische Bevölkerung und ihre Streitkräfte, insbesondere Peschmerga und YPG. Unterstützung gibt es für die Kurden teils von den Westmächten, auf der anderen Seite nutzte die türkische Regierung den jüngsten Anschlag in der Türkei, zwar auch einzugreifen, das aber nicht unbedingt gegen IS, sondern eben auch gegen die PKK, die an der Seite anderer kurdischer Verbände gegen den IS kämpft. Einen Überblick der verschiedenen Gruppen hat Enno hier zusammengetragen.
Ich sag mal so: eine Gesellschaft, in der selbstverständlich Frauen für ihre Freiheit und ihre Rechte an der Front kämpfen und ein radikalfundamentalistischer Gegner, der selbige vergewaltigt, versklavt oder tötet: Wo da die Sympathien liegen, ist klar, und rationales Nachdenken bringt einen an sich auch kopftechnisch zum gleichen Ergebnis. Ich bin nun gelinde gesagt erstaunt, dass der NATO-Partner Türkei hier recht unverhohlen dessen Gegner bekämpft, die auf der anderen Seite vom Westen unter anderem militärisch unterstützt werden.
An der Stelle nochmals die dringende Leseempfehlung generell von Ennos Kurdistanberichten. Er ist regelmäßig dort vor Ort, stellt ebenso regelmäßig Infos aus erster Hand und oft genug Korrekturen der mehr oder öfter weniger zuverlässigen Berichterstattung andere Medien zur Verfügung und engagiert sich auf eine Weise und mit einem Einsatz, vor dem ich nur den Hut ziehen kann. Sein jüngster Reisebericht von letzter Woche. Schauts euch an, macht euch ein Bild, und spendet für Wasser für Kurdistan.
Und im Übrigen: Mir fehlt grade massiv die Kritik am Vorgehen eines verdammten NATO-Partners, der nichts besseres zu tun hat, als den Menschen in den Rücken zu schießen, die sich gegen den ansonsten gern herbeidämonisierten islamistischen Terror wehren. Ich bin bei allem Zynismus noch nicht ganz so weit zu sagen, nun ja, das Gerede von Werten und Menschenrechten, umso besser, wenn mal wieder klar wird, dass im Zweifelsfall halt auch und gerade von der „westlichen Wertegemeinschaft“ drauf geschissen wird, aber einfach nur hinnehmen, das ist ein Unding. Einfach laut sagen, dass alles Gerede von humanitären Einsätzen, Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten und so weiter eben reine Fassade ist, und es deswegen kein Schwein zu interessieren braucht, wenn grade NATO und IS gemeinsam die Kurden plätten. Das ist zwar ekelhafte Scheiße, aber es ist zumindest nicht geheuchelt.