Ich war gestern auf der koks.digital, es hat mir gefallen und ich hab ne Portion Kram mitgenommen. Für einen „Konferenzmenschen“ halte ich mich irgendwie gar nicht und mit dem härtesten Networking, das manche Konferenz und manche Party ja bekanntlich sein soll, tu ich mich schwer, insofern scheint dort vieles gut und richtig gemacht worden zu sein. Außerdem kann ich hier zum ersten mal ein „Disclosure: mein Arbeitgeber war Hauptsponsor, quatscht mir nicht rein, was ich selber so verblogge und ich beabsichtige, hier genau das gut und weniger gut zu finden, was ich gut und weniger gut fand“ einem Blogeintrag voranstellen. Es fühlt sich beim Tippen schon fast ein bisschen loboesk an.
Vorweg: klar ist das überfällig gewesen. Es geht verdammt viel in der Digitalwirtschaft im Pott. Die einschlägigen Leuchttürme in der Wahrnehmung sind trotzdem eben Berlin, Hamburg, München und dann sieht man mal weiter, und ich glaube, meine Zweifel an der Realitätsübereinstimmung dieser Wahrnehmung sind begründbar. Das macht mich natürlich positiv parteiisch gegenüber den Leuten, die sowas dann endlich mal lostreten, das scheint mir aber vollkommen angemessen und richtig. Mit koks.digital als Namensformat sollte ich eigentlich glücklich sein, haha, Koks, hau rein, aber ich muss zugeben, mein Usabilitynerv zwickte des öfteren beim „Ja, das ist eine Domain“-sagen. Das und die Ompott-Preparty waren so aber die einzigen Sachen, mit denen ich mich ein wenig schwertat, und bei letzterem wahrscheinlich einfach deswegen, weil ich halt kein Partymensch bin, denn schon da war eine sehr angenehme Durchmischung des Publikums zu beobachten (Online, Schnittbereich offline, eher Marketing/eher Internetherkunft, whatever, vor allem nicht die gelegentlich beobachtete Performance/SEO/SEA/Trackingfilterblase). Und überhaupt, Bermuda3eck geht immer.
Tags drauf dann im Riff. Ich bin viel rumgestiefelt und wir hatten parallel auch eine kleine VoiceSearch-Stichprobenanalyse gemacht, insofern nicht alles komplett mitgenommen, aber vieles zum Verdauen. Keynote von Bernd Tönjes (RAG/Initiativkreis Ruhr), hier und später bei Helge Guba hatte ich diesen Horizonterweiterungseffekt, der mir bei manchen anderen Veranstaltungen nicht so passiert: jenseits der reinen Marketinggeschichten eine Perspektive zu kriegen, wie sich eben auch ganze Branchen digitalisieren, wie Kooperationen und meh, Buzzword, Synergien zwischen digitalen Startups und Schwergewichten wie eben zB. der RAG laufen, dass es einiges an Bewegung jenseits der Venturekapitalpumpen und US-Klone gibt.
Über Markus Klöschen verbreite ich mich hier nicht: Contentmarketingtechniken, Planung, Erstellung, Seeding/Distribution gewohnt tiefgehend und inspirierend mit ner Menge Praxistools und -Tipps abgeliefert. Ein Feld, auf dem ich mich recht heimisch fühle und guten Gewissens behaupten mag, da konnte man bei beliebiger Branche/Tätigkeit was neues mitnehmen, das direkt nächste Woche mal losgetreten werden kann. Zu Lisa-Kristin Paschedag von Viovalu und Display Strategies auch wenig von mir, diesmal, weils wirklich nicht meine Baustelle/Expertise ist.
Helge Guba von der RUB machte mir den ersten „Oh, hoppla“-Moment. Ich muss zugeben, das war der erste Vortrag, wo ich zum Einstieg diesen Langeweileimpuls „Meh, jetzt kommt so eine angestaubte Old Economy-Bedenkenträgerei“ hatte und überhaupt, „Ecommerce für den klassischen B2B-Flächenvertrieb“, nun ja. Jetzt ist es zwar so, dass man natürlich die Beharrungskräfte und Rahmenbedingungen gerade in Großunternehmen/bei Großkunden kennt und sich damit arrangiert, aber ich kann mich nicht ausnehmen von der gelegentlich dabei über den Wassern schwebenden „Himmel, das muss halt durchgehauen werden, dass man x, y, z machen muss, ist doch vollkommen klar“-Denke. Ich wage die Behauptung, grade im Affiliatebereich ist das noch deutlich massiver der Fall, weil man da von der Sorte Probleme einfach nichts oder deutlich weniger mitbekommt. Selber hatte ich die Thematik schon auch bei ein, zwei Kunden, wo eine Digital/Onlinestrategie eben auch heisst, dass sich was in anderen Bereichen tut. Und ich glaube, es ist jedem ans Herz zu legen, dass man das sehr bewusst auch ins eigene Planen und Agieren einbezieht, nicht bloss, weil ich gelegentlich gerne für die gesellschaftliche Verantwortung der Branche plädiere, sondern einfach auch, weil man sich manchmal kaum ein Bild davon macht, wieviel Knowhow, Expertise und Erfahrung in den existierenden Offlinestrukturen zu finden ist, und es ist ein verdammt großer Unterschied, ob man mit Leuten arbeitet, die Expertise und Erfahrung einbringen und damit eine Onlinestrategie mittragen oder ob man irgendwo eine nett verpackte „Irgendwie müssen wir die Bedenkenträger raushalten, die sich nur Sorgen um ihren Old Economy-Job machen“-Strategiefolie in der Powerpoint hat. Wie gesagt, ein Thema, auf das man je nach Kundengröße früher oder später stößt, und zu dem ich mich nach dem Vortrag einen guten Tacken klüger? konstruktiver? fühlte.
Christian Gleichs „Touchpoints im Cross-Channel“ war ich teils da, teils nicht – solide Info zur Customer Journey, die gern vergessene Offlinewelt mit einbezogen und eine wichtige Schwerpunktsetzung auch auf die Zeit *nach* dem Ende der Reise. Auch nicht mein Schwerpunktthema, aber dass die Zeiten von „Wir schaufeln Traffic auf die Seite/Wir kloppen die Conversions hoch“ rum sind und sich die Leute viele Gedanken drüber machen, wie man online eine gute und langfristige Kundenbeziehung aufbaut und zur beiderseitigen Zufriedenheit pflegt, das gefällt mir sehr gut. Nach etwas nach hinten geschobener Mittagspause muss ich drei Slots dann schnell überspringen: einmal Axel zu SEO-Controlling/Analytics, denn was soll ich sagen, ich hab einen großen Teil meines Handwerkszeugs von ihm gelernt, klar wars fein. Bei „New Platforms and Advertising“ von Jan Stanghöner war ich größtenteils in anderen Gesprächen unterwegs und tu mich zugegebenermaßen schwer mit Snapchat und Co. Christian Zengers „From Mechanics to Hackers“ fing mit einer schlimmes befürchten lassenden Erklärung von Surface/Deep/Dark Web an, war dann aber eine durchaus informative Reise durch die Blackhat-Welt, von der ich annehme, dass viele was gelernt haben über typische Angriffsvektoren/Bedrohungsszenarien und der Notwendigkeit einer umfassenden Securitystrategie, die eben nicht nur ein irgendwann draufgeflanschtes Todo sein kann. Dass mir das ein wenig schwächer schien als die Slots bis dahin, liegt wahrscheinlich in erster Linie daran, dass ich auf den letzten CCC-Congressen seit 2012 immer die Scada Strangelove-Talks mitgenommen hab zum Thema „Hacken großindustrieller Systeme“ und die einfach ganz schwer zu toppen sind. Denn an und für slich lief dieser Slot auch unter oben schon angemerkten Horizonterweiterung: es spielen ne Latte Themen in unser Feld rein, und man ist immer besser dran, wenn man ein Bild von den Gegebenheiten nebenan im Hinterkopf hat.
Die nächsten beiden Talks war ich wieder raus und anderweitig beschäftigt – mit Marcel Schöne hatte ich aber schon im Vorfeld ein angenehmes kurzes Gespräch, ich hätte dann auch gern die „Customer Journey Analysis“ angehört, weil da ein paar interessante Infos fielen in Sachen Erkennung der „Phase kurz vor Conversion“ und ich hier einiges an Diskussions/Klärungsbedarf der einschlägigen provisionierten Zuträgerkanälen und Attributionsmodellen vermute. Zugegeben einer der Themenbereiche, bei dem ich verdammt froh bin, dass ich da nicht oder kaum involviert bin. Martin Kulik muss ich nachbetrachten, weil das nochmal ein Fall von „großer Perspektive“ aufs Feld war, und die ist meiner Ansicht nach jenseits der disruptiven Techvisionen der einschlägigen Gurus/Apologeten/Evangelisten/whatever etwas unterbelichtet.
Tja, und Ben mit den Advanced Facebook Targeting Tactics. Ich hatte die Fallgeschichte seiner Bang Bang Burgers-Kampagne schon im kleineren Kreis gesehen, aber das war einer der klassischen „Kann man zweimal anhören“-Geschichten. An sich mach ich ja kein Display/SEA, aber sein Facebook-Targeting ist einfach verdammt gut gemacht und zeigt jenseits des taktischen Handwerks einfach verdammt gut, wie man sich auf Zielgruppen einlassen, in sie reindenken und sie eben handwerkllich sauber und effektiv adressieren kann. Zu guter Letzt ist er einer der Kandidaten, bei denen ich mir sicher bin, dass Macher wie Rezipienten sowohl von Werbung als auch Produkt einfach durchgehend gleichermaßen Spaß dran haben, und ich glaube, das ist ein Kunststück, das man sich in mehr Kontexten einfach mal vornehmen sollte.
Und das große Ganze? Heiß wars, aber ok. Mittag war später als geplant, aber haute trotzdem alles hin. Die Tracks waren spannend und mit fitten Leuten besetzt, die in dem Umfeld eben noch nicht bei jeder zweiten Konferenz am Start waren und ein Standardfolienprogramm abfackelten. Über die Publikumszusammensetzung äußerte ich mich bereits, und Location, Atmosphäre und überhaupt das Drumrum war klasse. Angemerkt: *ich* fands klasse, und das mag schon wieder was sein, was andere anders sehen, aber mir ist ein gut angerocktes Riff mit seinem Personal wirklich lieber als Konferenzort als ein Messesaal mit devoten Hostessen. Ich mags, wenn man halt die Notausgänge aufmacht und man mit Kippe auf der Treppe noch den Talk mitbekommt, ich mags, wenn im Seitenfooter ein „Wir ♥ deine Mudda.“ steht. Das mag jemand anders anders sehen, geschenkt.
Von daher: ich wünsche mir nachdrücklich eine Wiederholung. Gern auch mit zwei parallelen Slots, weil die Themen/Perspektivendiversifizierung finde ich gerade im Pott-Umfeld für eine deutlich bessere Sache als die scharf „taktische“ Beschränkung aufs Handwerkszeug. Haut rein, machts nochmal, und Danke!
4 Responses to koks.digital – Recap von der ersten Konferenz für Digitales Marketing im Pott