Guz, unter anderem Aeronauten, ist tot, und das ist scheiße, weil wir ihn an sich weiterhin nötig hatten. Mit der Ansicht bin ich nicht allein, aber die Sterblichkeit auch der Leute, bei denen wir es uns anders wünschen, liegt bei den bekannten hundert Prozent. Und auch wenn ich sonst nicht wirklich Freund der Nachruferei hier im Blog bin, im Fall von Guz ist es notwendig, schon allein, weil mir alles nicht gefallen hat, was diesbezüglich in meine Blase fiel, Ausnahme die Woz, wo ein wenig das anklang, was ich bei Menschen wie Guz eigentlich das wichtigste finde, und das ist nicht das Aufzählen der bekannten Alben, Betonen der bedeutsamen schweizer Enklave der Hamburger Schule oder das Namedropping der Projektpartner. Was sie ausmacht ist, dass sie das Leben ganz vieler Menschen auf ganz unterschiedlichen Bereichen und in vielerlei Weise berührten und in der Regel zum besseren veränderten.
Ruppsel studierte seinerzeit in Tübingen, als er unter anderem auf die Aeronauten stieß, und es war natürlich die Hochzeit der Hamburger Schule und es gab ein gewisses Grüppchen seinerzeit, das sich bevorzugt in Liedzeilen verständigte. Wir waren jung, schön und dünn, das ist das einzige, was zählt. Die Aeronauten waren unterrepräsentiert, sie waren nicht so glatt wie die Sterne und nicht so resigniert wütend wie Tocotronic, aber sie blieben hängen, und als im damals erstaunlich neuen Internet ein kleines Liedzeilenrätselspiel bei uns populär war, hieß unser Team „Genforscher“, einmal, weil einer von uns in einschlägiger Richtung studierte, aber natürlich als die Hommage ans Lied von Guz, und Arschlöcher auf Genforscher reimen halte ich bis heute für noch feiner als das Fenstersims/Naziskins aus „Freundin“. Meine liebste gesprochene Zeile war das wunderbare „Wirf dein fettiges Netz nach mir“, die dahinter im Lied folgende Zeile „Wir sehen in den Fluss und denken ans Meer“ wäre auf Tübinger Neckaridyllen vielleicht auch gut zu bringen gewesen, aber die war schon wieder was zum ganz für sich denken, die musste man nicht groß rumerzählen.
Die „Gegen Alles“ und „Jetzt Musik“ sind bis heute die beiden Alben, die mich begleiten, und klar liegt es in der Natur der Sache, dass an vielen einzelnen Zeilen da eben viele kleine, eigene Geschichten und Erinnerungen hängen, aber ich denke, genau das machte einen Teil des Schönen an Guz‘ Mucke und Texten aus, sie konnten sich an die kleinen, bedeutsamen Momente hängen, sie auf den Punkt bringen. Auch die großen, natürlich – „Ich zünd mich an, vor deinem Haus, und du bist dran schuld“ scheint mir bis heute eine großartige Äußerung, und ein „Die Dummen haben zwar mehr Spaß, aber dafür sind wir schlau“ ist gar nicht so tröstlich, wie man denkt.
Mit der „Honolulu“ wurde ich nicht ganz so warm wie mit den Alben vorher, aber immerhin begann ich damit meine Sammlung von Liedern, die sich mit dem Abstreiten der Existenz bestimmter Orte beschäftigen. Es sind bis heute leider nur zwei, neben „Schaffhausen ist eine Illusion“ noch FleischLEGOs „Die Schweiz – ein virtuelles Land“, und es ist schon eigenartig, dass beide Lieder Schweizbezug haben. Nach der Boheme pas de probleme kamen die Aeronauten auch bei uns in der Gegend vorbei, und das war auch meine einzige Begegnung mit Guz, in der „Zelle“ in Reutlingen (diese im Übrigen gern referenziert mit „nach zwei Stunden in der Zelle dacht ich schon es hört jetzt auf“, Die Sterne).
Es war ein ganz extrem feines Konzert, auch wenn es mir zu der Zeit an sich beschissen ging. Sie spielten natürlich mehr die flotteren Sachen und „Freundin“ nicht, und nachdem ich mir mein gelbes Aeronauten-Shirt eingepackt, das zuvielte Bier getrunken und Guz beim Abbauen gesehen hatte, nahm ich mir ein Herz und fragte ihn, ob ich nicht noch kurz „Freundin“ spielen dürfe, bevor sie zusammenpackten, wenns sie schon nicht zur Zugabe gebracht hatten, und er lehnte freundlich, amüsiert und bestimmt ab.
Gelegentlicher Zeitvertreib war seinerzeit – unabhängig von den damals großartiges Internetz machenden Höflichen Paparazzi – das gelegentliche Angeben mit mehr oder weniger abstrusen Begegnungen mit Prominenz jeder Couleur. Und klar ist ein „Ich saß mal auf einem Klo, dessen Brille noch warm war vom Arsch von Arne Zank“ ganz charmant, aber das „Guz verbot mir, nach seinem Konzert noch „Freundin“ zu spielen, bevor er abbaute“ ist irgendwie das gewesen, was hängenblieb. Vielleicht wegen der „Es ist nicht immer schlimm und vielleicht gelegentlich sogar garnicht verkehrt, wenn man mit was scheitert“-Note, die da mitschwingt. Die schwingt bei einigen von Guz‘ Liedern auch, und die mag ich sehr gern.
Die Nacht, die um uns liegt, deckt uns zu wie ein Freund, den wir schon fast vergessen hatten. Danke, Guz, für viele kleine Dinge.