Warum sehe ich diese Werbung?

Auf FB warf ich letztens ein „kurzes“ Feedback rein, warum manche Werbemittel in mehr oder oft auch minder passender Kontextualisierung erscheinen. Ein „Kann ich auch mal länger verbloggen“ wurde gern angenommen. Nachdem mir die Wahrnehmung von Online-Werbung ein wenig in Richtung „Das sind so derart komplexe, personalisierte, hocheffiziente Superalgorithmen, die müssen doch geilst liefern“ zu gehen scheint, versuch ich mich mal in einem „Ja, die sind komplex, aber anders, als die meisten denken“. Es ist ja was dran, vor 50 Jahren brachten die klügsten Köpfe Leute auf den Mond, und heute bringen sie andere dazu, auf Links zu klicken.

Disclaimer:

Ich mach überwiegend SEO (Suchmaschinenoptimierung) und praktisch kein Paid/SEA/Display etc., manchmal muss ich den Kram tracken. Folgendes ist keine Einstiegsveranstaltung für Onlinemarketing, sondern eine eher grobe Übersicht über verschiedene Prozesse, die beeinflussen, wer was wo als Werbung ausspielt/sieht. Zielgruppe des Textes: die Opfer.

Kettensägen. Sie regeln gewaltig und erhaben die SERPs.

Kettensägen. Sie regeln gewaltig und erhaben die SERPs.

Was einfaches zum Einstieg…

SEA (Suchmaschinenwerbung)

Wenn wer nach „Kettensägen“ sucht, steht oben bei Google, wer top Ware und Infos zu Kettensägen abliefert. Das ist SEO (2). Über den normalen Suchergebnissen stehen aber noch welche mit „Anzeige“ davor. Wer ist das? Akteure, die Google Geld dafür geben, da zu stehen, wenn jemand nach „Kettensägen“ googelt. Das ist SEA (1).

Nun googeln Leute nicht nur nach „Kettensägen“, sondern vielleicht nach „Motorsäge kaufen“ oder „Kettensäge Forst 40cm“ oder was auch immer. Für den Fall kann man sagen, man will immer erscheinen, auch wenn „Kettensäge“ nur im Suchbegriff vorkommt.

Wie man mit Artikelrecherchen auf Gefährderlisten landet

Wie man mit Artikelrecherchen auf Gefährderlisten landet

Wir sehen bei (1), bereits sowas muss nicht immer gutgehen. Man kann auf „exakte“ Suchphrasen bieten (erreicht genau, aber nur wenige Suchen), auf engere und breitere Übereinstimmung und man kann auch Stopwörter angeben usw., aber man erreicht halt entweder nur einen Teil der Zielgruppe oder erwischt nicht jede schräge Anfrage. Nun wird Husqvarna wahrscheinlich ein größeres Budget raushauen, aber wenn ein kleinerer Shop mit 300 Ocken/Monat ein paar Klicks für 20 Cent holen will, dann kriegt er am Tag 50 Klicks für 10 Euro und macht vielleicht 3 Verkäufe. Wenn er nur 150 Budget hat, weil 150 fürs Feintunen draufgehen und er nur einen Sale hat, dann fragt er sich, warum 150 Ocken für zwei Sales *weniger* ausgeben. Long story short: da sehr fein/detailiert rumzufrickeln, lohnt nur in einem gewissen Maß. Es kann sehr lohnen, es wird ausführlich gemacht, aber eben in erster Linie in Richtung „Welche Suchbegriffe verkaufen besser (-> mehr bieten/ähnliche finden), welche nicht? (-> rausschmeißen)“.

Angemerkt: das hier ist grob unterkomplex. Tatsächlich rankt Google auch Anzeigen nicht nur nach gebotenem Preis, sondern auch nach „Qualität“, erwartbarer Klickrate usw. Ein Klick kostet/bringt Geld, daher hat Google ein Interesse dran, dass „gut geklickte“ Ads oben stehen. Wenn Stihl gesucht wird, kostets für Husqvarna mehr, oben zu stehen (denn sie waren nicht gemeint, dazu siehe auch mehr hier). Usw., im Folgenden werden solche Detailstufen eher fehlen. Hier reden wir aber durchaus über Einflussmöglichkeiten, die man als Werbetreibender hat (ich will zu KW x gefunden werden, ich biete für y mehr und auf z weniger, ich schreibe folgendes in meine Anzeige, ich biete auf die Marke eines Wettbewerbers oder lass es sein usw).

Was aber ist mit den Produktanzeigen unter (2)? Das nennt sich PLA, „Product Listing Ad“, und die Alten erinnern sich: Google hatte mal eine kostenlose Produktsuchmaschine, an die konnte man per Feed seine Produkte plus Infos, Preis etc. anliefern und indexieren lassen. Das kann man immer noch, nur: erscheinen tut dort heute nur, wer zahlt. Und eindeutige Produktidentifikationsnummern anliefert. Google will hier genau wissen, wer welches spezifische Stihlmodell zu welchem Preis genau anbietet und entsprechend hart ist der Preisdruck. Weitere Infos anliefern ist hier weniger notwendig, die technischen Daten der MS170 gibts ja beim Hersteller.

Wir sehen: viel mehr als seine Produkte anliefern und einen Klickpreis angeben kann man hier nicht. Ob/wann Google PLA anzeigt, zu welchen Suchbegriffen, für wen, und ob man dort auftaucht, kann man nur sehr begrenzt beeinflussen.
Will man sich das geben? Man will, denn wer hier klickt, will halt meist halt auch was kaufen, verdammt. Bei Google stellt sich die Frage „PLA auf diesem Suchergebnis?“ auch weniger – wenns vage nach Kaufintention bei der Suche aussieht, go!, mit den Klicks auf PLA verdient Google was und schlimmstenfalls verdient Google halt nichts.

Aber halt, ich muss mich korrigieren: man kann die eigenen Chancen aufs Auftauchen dort steigern, wenn man sich auch gleich noch bei Idealo und Konsorten anmeldet. (P.S., das kostet Geld.)

Yo dawg i put a preisvergleich in your preisvergleich, so you can preisvergleich while you preisvergleich

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Denn Google kriegt in der EU eine Kartellklage an den Hals, wenn sie einen auf „Monopolstellung bei Preissuchmaschinen“ machen, und deswegen kommen Google-Wettbewerber (2) in den PLA (1, 3) immer gerne vor. Man sollte halt günstig sein, wenn man bei preis.de vorn stehen will. Oder kann man da auch was draufschlagen und prominenter sein trotz höherem Preis? Hmm, hmm.

Wir sind noch nicht über die Werbeplätze bei Google selber raus, wo es eigentlich nur um den Dreisatz Werber/Plattform/Geld gehen sollte, und schon grätschen diverse ungeahnte Akteure ins Geschehen. Be warned, es kommt schlimmer :) Betrachten wir…

Display

Alles, was auf irgend einer Webseite an „Werbeplatzierung“ eingeblendet wird, ist grob gesagt „Display“. Was haben wir in der Konstellation?

(1) den Besucher, der eine Webseite aufruft
(2) den Seitenbetreiber, der mit Werbeeinnahmen was einnehmen will
(3) den Werbetreibenden, der seine Anzeige platzieren will
(4) jemand dazwischen, der ein für (1) optimales Werbemittel von (3) bei (2) platzieren will.

In der Praxis hat man üblicherweise die DSP (Demand Side Platform), eine Plattform, die eine Menge (2) Seitenbetreiber einsammelt und die gesammelt vermarktet. Weiter die SSP (Supply Side Platform), die eine Menge (3) Anzeigen von Werbetreibenden einsammelt und bestmöglich platzieren will. Ziel in beiden Fällen: mehr davon, denn je mehr verschiedene Werbeplätze bzw. Werbekunden man hat, desto genauer kann ausgespielt werden, desto besser die Zielgruppenerreichung.

Und wenn Cyriak ein YouTube-Video baut, in dem es offenkundig um Kühe geht, dann blendet daher ein britischer Melkmaschinenhersteller seine Werbung drauf ein.

Kühe, ergo Melkmaschinen. Leuchtet unmittelbar ein.

Kühe, ergo Melkmaschinen. Leuchtet unmittelbar ein.

What could possibly go wrong? Aber werden wir ernsthaft.

Ein einfacher Fall. Vor einigen Jahren baute ich noch etwas mehr Palettenmöbel als heute, und setzte auf der palettenbett.com Google Adsense ein. Ruppsel ist also (2), der Seitenbetreiber. DSP ist Google (Adsense), die eine ganze Latte Webseiten mit Adsense versorgt. SSP ist auch Google (Google Ads), wo Werbetreibende Anzeigen schalten können. Im konkreten Fall schmiss die Seite eine Zeit zwischen 30 und 50 Euro im Monat ab und zahlte meine Servermiete.

Das Venturekapital ist nicht verbrannt, es ist nur woanders

Das Venturekapital ist nicht verbrannt, es ist nur woanders

Dann meinten die Samwer-Brüder, sie müssten nach Zalando im Modebereich auch ein Möbelgeschäft im deutschen Markt durchdrücken, nannten das ganze home24 und verbrannten große Mengen Geld. (Hintergrund). Auf einmal machte die Seite 200 Euro im Monat, weil home24 auf alle Werbeplätze Geld schmiss, die nach Möbel rochen und nicht bei drei auf dem Baum waren. Ich konnte mir einen Bosch-Grün-Bohrhammer und ebensolchen Bandschleifer kaufen, letzterer tut nun in der GPA Dienst, die sind finanziert mit Venturekapital von Rocket Internet.

Ein paar Monate hielt das an, dann stellte Rocket Internet fest, dass sie auf die Weise Ikea doch nicht plattkriegen, wie sie mit StudiVZ auch schon Facebook nicht plattgekriegt haben. Sie ließen die Geldverbrennerei wieder sein und die Normalität kehrte zurück.
Ich bin abgeschwiffen – im Beispiel ging es nun nicht um gute Zielgruppenansprache, das war simples „Wir schauen mal, ob wir die Kleinkonkurrenz aus dem Markt drängen, wenn wir ein halbes Jahr lang massiv Geld auf alle verfügbaren Werbeplätzen werfen“. Sowas passiert, bei Zalando hats funktioniert. In meiner kleinen Welt gab Rocket Internet (Werbetreibender) viel Geld an Google Ads (SSP), der uber Adsense (DSP) Werbeinventar auf diversen Seiten einkaufte (u.a. Ruppsels Palettenseite). Ich bring das Rocket-Venturekapital zum Bosch-Fachhändler, alle sind glücklich.

Nun mag jemand kommen und sagen „Ruppsel, Google sammelt in der Konstellation mit der einen Tochter Werbekunden und mit der anderen die Publisher ein und handelt quasi mit sich selber die Werbepreise und ihren Anteil aus, sollte es da nicht Wettbewerb geben, sollte nicht ein anderer Player da zumindest die Möglichkeit haben, da auf der einen oder anderen Seite mitzuspielen?“ Und ich antworte, Fick, ja.

Onlinemarketing (Symbolbild)

Onlinemarketing (Symbolbild)

Das ist die 2019er-Übersicht der Adtech-Branche, weil die 2020er noch unübersichtlicher ist (Detailierter/lesbar alles hier). Und das ist jetzt etwas übertreibend, weil da natürlich viele andere Bereiche jenseits von Display noch aufgeführt sind, aber nun. Ich will an sich ja nur den „Ja, da gibts schon auch andere, die auch mitspielen, sich einklinken etc.“ Punkt machen.

Wir fügen also ein wenig Wettbewerb hinzu, und an der Stelle die Anmerkung: praktisch alles, was ich hier so anspreche, *funktioniert*. Es funktioniert in dem Sinn, dass die komplexeren, gezielteren Lösungen in der Regel höhere Konversionsraten haben und für den Plattformanbieter bessere Preise bringen. Wer gut profilen kann und seine Zielgruppe genau anspricht, muss weniger Ads schalten, um sich zu finanzieren. Wer Müllwerbung mit der Gießkanne über alles auskippen muss, weils kein Targeting gibt, sieht aus wie kinox.to, wir kommen da noch drauf. Vorher aber: Targeting und Retargeting.

Ich guck im Herbst wieder vorbei, versprochen.

Ich guck im Herbst wieder vorbei, versprochen.

Retargeting

…kennen wir alle. So im Halbjahreszyklus komm ich auf die Idee, die Gebrauchtpreise von Lenovo-Thinkpads nachzuschlagen und beschließe dann, das X230 tuts noch ein Jahr. Die Wochen drauf verfolgt mich dann die Luxnote-Werbung. Das ist Retargeting. Dieses mal fiel mir nebenher ein, dass der Akku vom Gebraucht-iPhone langsam wirklich den Geist aufgibt und auch hier die Refurbished-Preise gefallen sind. Das hier beworbene iPhone SE 2020 liegt leider hier schon neben mir, ich weiß nur immer noch nicht, wie ich Criteo das erklären soll, denn das Problem haben sie seit sechs Jahren…

Tipp: das geht günstiger!

Tipp: das geht günstiger!

Hab ich eigentlich noch genug Lötspitzen?

Hab ich eigentlich noch genug Lötspitzen?

…ich zitiere mich aus 2015:

„Wenn ich mir bei conrad.de meinen Fünfjahresvorrat Lötspitzen ansehe, aussuche und kaufe, schaltet sich ein Remarketingalgorithmus ein, der glaubt, ich kaufe alle vierzehn Tage einen Fünfjahresvorrat Lötspitzen und zeigt mir deshalb auf allen Werbeplätzen, die nicht bei drei auf dem Baum sind, Werbung für Lötspitzen bei Conrad. Es wird der Tag kommen, an dem meine Großneffen und -nichten auf Facebook via Criteo Werbung für Lötzinn kriegen, nachdem sie sich Lötspitzen gekauft haben, aber DIESER TAG IST NOCH FERN!“

Die Erklärung ist aber relativ einfach. Wenn ich bei asgoodasnew refurbished iPhones durchschaue, dann denkt asgoodasnew, ich will eins kaufen. Wenn ich das dann günstiger bei refurbed.de einpacke, weiss asgoodasnew davon exakt gar nichts, woher auch. asgoodasnew hat Criteo bei sich auf der Seite, die markieren mich beim iPhonesgucken. Bin ich drei Tage später auf SpOn, wo Criteo Werbung ausspielt, erkennen sie mich, sagen „Ach, der wollte doch gebrauchte iPhones“ und erinnern mich an das schicke SE 2020 bei asgoodasnew. Same bei Luxnote, und die Zalando-Schuhheimsuchung ist ja bereits sprichwortreif.

Ich wills nicht beschwören, aber ich bin recht sicher, dass die „Ey, ich hab dieses iPhone schon gekauft, ich brauch keine zwei!“-Effekte unter anderem datenschutzrechtliche Gründe haben. Dass ich (bzw. mein Browser) bei asgoodasnew waren und iPhone-Angebotsseiten aufgerufen haben, ist problemlos anonymisierbar, es reicht, diesem Browser drei Tage später passend Werbung zu zeigen. Den *Kaufprozess* zu tracken, ist ein anderes Kaliber, daran hängen der Warenkorb, meine Adress- und Paymentdaten und die können nicht eben mal mitgetrackt werden. Criteo kriegt auf asgoodasnew mein Rumgucken mit, den Kauf aber nicht. Dass man deswegen neben den 97% Nichtkäufern halt auch 3% Käufern hinterherwirbt, frisst nicht wirklich Brot. Aufwand, Nutzen, Pareto.

Streichen wir das Re in Retargeting.

Es gibt wahrscheinlich viele Menschen, die ggf. ein Gebraucht-iPhone bei asgoodasnew kaufen wollen. Es gibt aber weit weniger Menschen, die schon mal beim Gebraucht-iPhone-Gucken auf asgoodasnew beobachtet wurden.
Können wir die viel größere Gruppe der Gebrauchtphone-Interessierten irgendwie finden, die noch nicht bei asgoodasnew, refurbed, egal waren? Können wir sie ansprechen? Das wäre „Targeting“, die Antworten sind „ja“ und „ja“, die Frage ist „wer ist wir?“

„Wir“ ist da beispielsweise Facebook und Instagram. In den EXIF-Daten aller Bilder, die man mit dem Handy schießt, stehen die Kameradaten drin. Wenn ich vier Jahre lang Kram auf Insta lade, der mit einem iPhone 5s geschossen wurde, kann man auf die Idee kommen, da hat jemand sein Gerät schon länger. Spannend. Wenn ich auf einmal nur noch welche mit dem neuen XS hochlade, kann man mich diesbezüglich wahrscheinlich wieder eine Weile aus der Zielgruppe verabschieden. Auf der Basis solcher Daten schalten Akteure Werbung bei Facebook. Auch das hat schöne Nebenwirkungen.

Exkurs: Wie Kinox.to mit meiner Hilfe das Wall Street Journal dazu animierte, Facebook Geld zu geben.

Ich nehm ja immer gern Facebook zum Dinge veranschaulichen, weil die zwar scheiße sind, das aber immer recht öffentlich. Sie lassen einen ohne Geldeinsatz durchaus weit in die Targetingmöglichkeiten via Facebook-Ads reingucken und man sieht durchaus vieles über die versteckteren Funktionen der eigenen Kontodetails.

Ich interessiere mich für Ramadan und Rechnungswesen.

Ich interessiere mich für Ramadan und Rechnungswesen.

Familie, Suchmaschinenoptimierung und Geldanlage. Yup, thats me.

Familie, Suchmaschinenoptimierung und Geldanlage. Yup, thats me.

Ich werd als muslimfreundlich durchgehen, interessiere mich für Rechnungswesen und hab das Mobilgerät gewechselt, two out of three, nicht übel. Weiter haben mich *sehr* viele externe Webseiten als FB-Nutzer erkannt, kein Wunder, ich meld mich auf FB ja nie ab. Hier stoße ich beispielsweise auf eToro (arabisch). Was zur Hölle hab ich aber mit dem arabischen Ableger einer dubiosen Tradingplattform zu tun? Das kann ich recht genau sagen: die wird gelegentlich via Popup beim Besuch der nicht ganz unumstrittenen Seite kinox.to aufgerufen.

Oh, ich war da mal auf der Seite.

Oh, ich war da mal auf der Seite.

Klassischer Fragestellung: „Wer ist hier eigentlich das Opfer?“ eToro wird ein ordentliches Provisionsprogramm haben (wer einen Neukunden vermittelt, kriegt Geld), deswegen wird kinox.to ihre Seite (über diverse Weiterleitungen und Strohmänner) aufrufen und jedem, der auf kinox das Popup gesehen hat, ein Cookie setzen (Inhalt: „Werbepartner X hat diesen Nutzer zu eToro gebracht!“). Hoffnung: wenn von der Million kinox.to-Nutzer drei dabei sind, die zufällig mal ein eToro-Acc aufmachen, gibts Provision.
Nur schießt eToro auf ihren Werbemittel-Seiten auch das Facebook-Pixel. Facebook sieht dadurch, dass ich mich offensichtlich für eToro interessiere. Plötzlich steht unter meinen Interessen in meinem FB-Werbeprofiling „Anleger“ und „Terminkontrakt“. Dass nun das Wall Street Journal plötzlich Werbung in meine FB-Timeline reinbucht, kann gut damit zu tun haben, dass der arabische Ableger eines Daytraders über Strohfirmen Popups auf Streaming-Warez-Seiten schaltet, die ich gesehen habe, was Facebook mitkriegt und mich für tradinginteressiert hält. Wenn der WSJ-Artikel spannend aussieht, klick ich drauf, WSJ zahlt dafür was an Facebook. Alle sind glücklich und das Geld bleibt im Umlauf.

Aber auch hier: sowas kann sehr gut funktionieren. Erinnern wir uns an die „Freunde von Personen, die in einer Woche Geburtstag haben“ – Info aus meinen FB-Kategorien. Ich vermute, da landet jeder mit mehr als 20 Freunden auf FB drin, aber überlegen wir mal: „in einer Beziehung mit $frau, die nächste Woche Geburtstag hat“ – ich weiß ein paar Branchen, die dieser Zielgruppe Geschenkideen einspielen wollen. Oder hey, Location. 50 Wochen lang bin ich in der gleichen GPS-Region (zugeschriebene Einkommensklasse X), und hoppla!, plötzlich Kreta. Wen könnte das interessieren? (Örtliche Event-Veranstalter vielleicht?) Wen könnte das in 48 Wochen interessieren? (Reiseversicherer?) Wann werden die Wetter-Apps gecheckt? Wann wird die Einkaufszettel-App aufgerufen, geschrieben, gelöscht? Usw.

Halten wir fest: Player wie Facebook oder Google sitzen da auf den fetten Datenquellen, die es ihnen erlauben, Werbetreibenden sehr genaue Zielgruppenausrichtungen zu versprechen. FB u.a. über ihre Plattform und die Aktivitäten der Leute. Google über die Suche und den Daten aus ihrem Werbenetzwerk. Und viele weitere, die an sich nichts anderes tun, als so viele Publisher und Werbetreibende zu verpixeln, wie es eben geht.

Nochmal ganz grob tun die folgendes:
– anschauen, wer sich bei Werbetreibenden für X interessiert oder gar kauft
– anschauen, wer das ist und was diese Leute (auf anderen Seiten/Apps/whatever) sonst so machen
– versuchen, ähnliche Leute oder solche, die (auf anderen Seiten/Apps/whatever) dasselbe machen wie Interessenten/Käufer von X, mit Werbung für X zu erreichen.

Wenn es dann heißt, „Auf SpOn werden X Tracker geladen!!!1elf“,: die meisten davon machen so ziemlich dasselbe. Ziel ist, so vielen potentiellen Werbekunden wie möglich eine so große und genaue Zielgruppe wie gewünscht anbieten zu können, zu so vielen Themen wie möglich.

Und wenn Stihl nun käme und sagen würde, hey, wir haben eine Freischneideroffensive geplant und wollen bis zum Jahresende den Freischneiderverkauf um 20% steigern, bringt uns Freischneiderinteressierte!, dann wird auf Freischneiderinteresse geprofiled. Wenn man aber nur 2000 High Profile-Kontakte/Monat für Freischneider im eigenen Portfolio hat, dann … na, dann spricht man noch 50 Unternehmen/Anbieter im Land- und Forstwirtschaftsbedarf sowie der öffentlichen Grünflächenpflege freundlich an, versucht, noch mehr Seiten zu verpixeln und mehr Zielgruppe getrackt zu kriegen, nein, Quatsch, man geht zu einem Adexchange und schaut, ob andere Tracking/Adnetze vielleicht nochmal dreimal so viele freischneiderinteressierte Kontakte vermitteln können.

Sehr vereinfacht: natürlich gibts X Netzwerke, natürlich pflegen die alle ihre eigenen Datenpools, aber natürlich kaufen und verkaufen die untereinander Zielgruppenzugriff und Ad-Inventar, wenns sinnvoll, notwendig, lukrativ ist. Platt gesagt: Am Ende landets im Zweifelsfall im großen Topf, mit dem eigenen verdient man halt besser.

PS: wer aktuell die Panik in der Branche mitbekommt, weil Google Nutzer nicht mehr eindeutig identifizieren will oder Apple das App-Tracking auf iPhones u.a. für facebook abstellt: das ist unter anderem deshalb für viele eine Katastrophe, weil so viele der Deals bezüglich Zielgruppenzugriff, Ad-Weitervermarktung zwischen den Netzen etc. nicht mehr tun (UniqueId) und die meisten smartphonespezifischen Datenquellen für den Zielgruppenbau wegfallen (Apple vs. Facebook). Weiter, weil es natürlich ganze Unternehmen – hihi, Ad-Exchanges, aber eben auch iOS-Appentwickler – gibt, die nichts anderes tun und denen grade ein zentrales technisches Standbein für ihr Business mit den größten Playern wegfällt.

Tja, jetzt hatten wir ein paar Player, DSPs, SSPs, ein paar Mittels- und Strohmänner, und auch wenn da der eine oder andere Pfusch passiert gelegentliche Datenschwankungen unumgänglich sind, landet das halt trotzdem gelegentlich in den Profilen, die da kontinuierlich erstellt, verfeinert, getestet und weiterverwendet werden. Die Dinge wurden etwas kompliziert, aber eben anders kompliziert. Aber…

NEIN, TUS NICHT

…das geht alles noch schlimmer, wenn man Steroide draufwirft.

Programmatic Advertising und RTB

RTB ist Marketingsprech für „Real Time Bidding“ und bedeutet, dass *beim* Aufruf einer Seite mit Werbeplätzen Werbetreiber automatisiert Gebote auf die verfügbaren Plätze abgeben, basierend auf den zur Verfügung gestellten Daten, die a) über den Werbeplatz existieren („728×90 Leaderbord auf SpOn, Desktopseite, Themenbereich Panorama“) und b) über den Nutzer („mutmaßlich männlich zw. 40 und 50 mit Interesse an Politik, Baumarkt und KFZ“) und dann bieten die Scripte von Skoda, Renault und Hellweg gegeneinander in Echtzeit, wer den Platz kriegt (RTB, der Bietprozess findet in dem Moment nach Aufruf der Seite und dem Rendern der Seite im Browser statt). Oder genauer, die Adtech-Firmen der drei bieten automatisiert (Programmatic Advertising) gegeneinander basierend auf den Einstellungen/Maximalgeboten/Budgets, die die Kunden angegeben haben.

Typische Fristen sind 80-100 Millisekunden, in denen das Gebot gelaufen sein muss. Der größte Teil der Zeit geht für Laufzeiten drauf (40ms: Die SpOn-Seite ruft „Hey, wer will hier werben?“ zur RTB-Plattform, 20ms Bietprozess, 40ms RTB-Plattform ruft zu SpOn „Hier, das da reinladen“). Bisschen detailierter aus der Praxis nebenan bei Amazon/AWS/AdRoll: wie kloppt man 7 Milliarden Bietprozesse am Tag in Echtzeit, basierend auf einer Milliarde Cookieprofilen? Und hey, der Text ist bereits acht Jahre alt :)

Und heute?

Aktuell läufts genauso, nur mehr, schneller, genauer.

RTB, Rekurs zum Anfang

Was haben wir nun in der Konstellation?
(1) den Besucher, der eine Webseite aufruft
(2) den Seitenbetreiber, der mit Werbeeinnahmen was einnehmen will
(3) x Werbetreibende, die Anzeigen platzieren wollen, falls
…(3a) die Interessen von (1) zur Zielgruppe Z passt,
…(3b) die Umgebung (2) für den Werbetreibenden in Ordnung ist
(4) y Adtech-Netze, die ein für (1) optimales Werbemittel von jeweils (3) günstig, aber nach Möglichkeit bei (2) platzieren wollen, teils
…(4a) unter Zeitdruck (genau jetzt ist die Conversionchance hoch/nächste Woche hat die Freundin Geburtstag) und
…(4b) unter Reichweitendruck (kleine Gruppe von (1), unklare „wann/wie oft finden wir genau (1) irgendwo im Netz wieder?“-Situation)
(5) eine Bieterplattform, auf der in <100ms ein Preis (6) verhandelt und ein Werbemittel ausgeliefert werden muss.

(6), Preis muss dabei auf Dauer profitabel sein – wenn das Budget verbrannt und der Invest nicht beim Werbekunden als Umsatz angekommen ist, sind alle sauer nennt man das Ganze Brandbuilding.

Müder Marketingkater

Die Teuerste meinte, ein langer Artikel ohne Katzenbild sei scheiße. Müder Marketingkater nach dem Tagewerk im Homeoffice.

An der Stelle wirds bei mir mit den konkreten Erfahrungen dünner: ich gehe davon aus, dass je nach Techplattform bestimmte Optionen da sind oder nicht (kann man Stopwords definieren, bei deren Vorkommen im Artikel nicht geboten wird? Welche Informationen werden zu einem Werbeplatz geliefert, Themen, Platzierung etc.? usw.) Wen das interessiert: die Technik ist natürlich standardisiert, das IAB hat ein eigenes Git mit detailierten Spezifikationen zu RTB-Schnittstellen und -Protokollen. Ich bin recht sicher, dass sowas wie das Durchparsen eines 3000 Wörter-Artikel oder bewahre, ein Video durch die Spracherkennung jagen schlicht nicht vorgesehen/mit Brettern vernagelt ist.

Wobei, es gibt einfache Lösungen: wegen solcher Probleme hat Google bei YouTube bereits 2016 einfach ein „was nicht werbefreundlich ist, kann nicht monetarisiert werden“ an die Tür genagelt. Werbung mags nicht „heikel“ oder „tragisch“:

Die Werbung ist ein scheues Reh.

Die Werbung ist ein scheues Reh.

Wer nicht so rabiat dichtmacht, verkauft halt seine Video-Prerolls und hofft, dass sich niemand zu laut stört.

…so, jetzt wurde es lang und ist es…

…Zeit für ein, zwei abschließende Bemerkungen

Automatisierung. Was im Detail nicht automatisiert gemacht werden kann, ist weitgehend tot. Man kann in Displaykampagnen natürlich seine Ausschlusslisten pflegen – wenn Firmen bei Naziseiten Adsense schalten und sagen, das sei nicht steuerbar, ists ne Ausrede. Es kostet halt Zeit und Geld. Wie das aussieht, wenn tatsächlich Werbeinventar über drei Ad-Exchanges weiterverkauft und dann irgendwo von irgendwem ausgespielt wird: nun, dass das möglich ist, die Entscheidung muss man treffen, und wenn die eigenen Ads auf der Resterampe landen, kann man sich meiner Ansicht nach auch Gedanken machen, warum.

Unpassendes in „Einzelfällen“. Das scheint mir mit vertretbarem Aufwand tatsächlich nicht durchgehend vermeidbar. In dem Kontext aber auch die Frage, was alles „unpassend“ sein könnte, in welchen Kulturkreisen, Peergroups, whatever. Um nach viel Seitenhieben auch mal explizit positiv Bezug zu nehmen: ich halte es für eine extreme Leistung, wie „passend“ Werbung gespielt wird. Mal die Perspektive wechseln: wir haben ein weltweites Internet und einen weltweiten Werbemarkt. Es ist schon nicht verkehrt, dass man in der Regel keine Werbung von arabischen Daytradingplattformen kriegt, wenn man in Wuppertal die Kiste anmacht. Andersrum: es ist für die Leute, die Netzkram über Werbung finanzieren, schon sehr von Vorteil, dass ihre Besucher ihre Ads verstehen.

Die schattigeren Ecken. Hochkomplexe Geldpumpen auf Speed. Wo zur Hölle, wenn nicht da, wird versucht zu manipulieren, was zu manipulieren ist. Ich bin auf fast nichts in der Richtung eingegangen: einmal, weil ich da wirklich nicht weit drin bin, zum anderen, weils ein Fass ohne Boden ist. Ich hab selber schon die Fälle gesehen, wo Wettbewerber X den Praktikanten dazu abgestellt hat, die Google-Ads der Konkurrenz zu klicken, bis das Tagesbudget zum Mittag verbraucht ist und man selber die Adplatzierung am Nachmittag für die Hälfte kriegt. Das ist Steinzeittechnik, denn natürlich klicken Bots und Scripte viel schneller. Auf der anderen Seite kann ich auf einer Webseite natürlich eine beliebige Zahl von Werbeanzeigen auf beliebig kleinem Raum einbinden. Geladen und ausgespielt werden sie. Sieht sie jemand? – Schwierig. Krieg ich Geld dafür? – Das kommt drauf an. Sehr viel Technik geht nicht für das möglichst geile Ausspielen von Ads an die Zielgruppe drauf, sondern fürs Verhindern, dass eine beliebige Anzahl virtueller Zielgruppenangehörige auf irgendwelche Ads reagieren und die Werbekohle abziehen. Harte Daten sind naturgemäß schwer zu kriegen, aber die Prozentanteile von Ad Fraud/Klickbetrug werden gut zweistellig, die absoluten Zahlen im deutlich zweistelligen Milliardenbereich sein. SEJ sagt 2020 je nach Channel 10-30%, ANA/IAB sagen 1%, wer liegt näher dran? Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber was mir ein Marketingverband erzählt, ist halt ein Marketingversprechen.

Was halte ich davon? Nun ja, ein „Ich hasse Display und es ist die Schlangengrube im Marketing schlechthin“ wäre ein valides, begründbares Statement. Einmal mehr ists tatsächlich halt wieder komplizierter und wärs recht doppelmoralig, sich die Bosch Grün-Geräte von der Displaykohle rauszulassen und ansonsten zu fluchen. Mir ists ganz ehrlich zu kompliziert und die Komplexität weit jenseits des „Hier haben wir begründbaren Mehrwert“. Mit der „Schlangengruben“-Zuschreibung muss ich aber auch schon wieder ein Stück widerwilligen Respekt verbinden. Wer da gut unterwegs ist, hat was drauf, und das sag ich sehr unironisch und bin froh, dass ichs nicht muss.

Zuletzt: Danke fürs Lesen, ich hoff, es war ein bisschen informativ und auch ein bisschen unterhaltsam, einmal mehr, es ist alles nicht meine Kernkompetenz, und wenn wer was für mich zum Dazulernen hat, ich lern gern dazu.

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