Es sollte so Ende Neunziger gewesen sein, als ich in der WG einer damaligen Studi-Liaison die „neu konservatiw“ in der Hand hatte und wir über den Booklettext rätselten, in denen Laibach ihr Selbstverständnis als „slowenische Nationalisten, aber Paneuropäer“ ausführten. Seitdem sind um die 25 Jahre vergangen und ich bin stolzer Besitzer des Buches von Alexei Monroe, das ich zum einen weiterempfehlen mag und zum anderen ein bisschen zu Laibach und mir selber erzählen mag.
Letztens stieß ich auf die „Ordnung und Disziplin“-Shirts im Laibach-WTC, und ich bin jetzt nicht so der Spontanshopper, aber Himmel, shut up and take my money. Wegen irgendwas war ich vorher auf der Laibach-Wikipediaseite und erinnerte mich, dass es da einiges an relevanter Literatur geben solle, von der ich trotz längerer Laibachbegeisterung noch nichts in der Hand hatte. Monroes „Laibach und NSK: die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“ kam dann (neben einem „Disziplin“-Anstecker) auch noch in den Warenkorb, schlicht weil a) einigermaßen auf dem neuesten Stand, b) deutsch und c) offenbar viel Seiten fürs Geld.
Long story short: ich kanns weiterempfehlen – wenn ihr euch für Laibach interessiert, einpacken, lesen, auch und grade, wenn man meint, doch das eine oder andere zu wissen. Und damit zu meiner Wenigkeit.
Mit dem Konzept Laibachscher Hyperaffirmation beschäftigte ich mich unter anderem Anfang der Nullerjahre, als wir den „Zatopek für Krieg“-Abend im damals legendären Club in Tübingen organisierten. „Nie wieder Krieg ohne Deutschland“, ich sag mal so, wir hatten Spaß. Und ich glaube, damals hatte ich zum ersten mal das Gefühl, begriffen zu haben, was Laibach da eigentlich machen. Ich meine, kurz danach war auch die NSK-Staatsausrufung, und das fiel in eine Zeit, in der das Internet noch ein bisschen anders und kleiner war als heute und ich das Ganze ziemlich begeistert wiederum als Hyperaffirmation aufgefasst hatte, eines extremen Elitendenkens, mit dem nicht nur der Nationalstaat in klassischem Sinn hinterfragt wurde, sondern einer sehr obskuren „Mikrostaaten“-Bewegung im Netz eben mal ein ziemlicher Stinkefinger gezeigt wurde.
Live begegnete ich ihnen dann nach der WAT, ich meine, auf dem Amphi (Später noch M’era und dann zu der Spectre/Sound of Music-Tour in der Christuskirche in Bochum). Damals dachte ich gelegentlich, gottseidank gründet Laibach keine faschistische Bewegung, weil ich ansonsten unbesehen beitreten würde. Und dann dachte ich darüber nach. Und natürlich tut man tu ich das aus der spezifischen Deutschsozialisation raus, und knapp zwei Jahrzehnte später les ich den Monroe und merke, das lief in Slowenien/den ex-jugoslawischen Staaten eben mit einem komplett anderen Hintergrund.
Geschichten, wie dass die Namensgebung die riesen Kontroverse war (Auftritts/Plakatierverbote), weil Ljublijana != Laibach, der Name der deutschen Besatzer, klar, kann man sich denken. Dass die lautesten Gegner (Veteranenverbände des Partisanenkriegs) massiv Schwierigkeiten hatten, Laibach „insgesamt“ anzugreifen, weil sie eben auch eine massive Überhöhung slowenischer Volks- und Nationalsymbolik praktizierten – oh wow. Einmal Förderung von NSK, von durchaus offiziellen Stellen, während andererseits „slowenische“ Identitätspolitik in der Nach-Tito-Zeit schwer misstrauisch beäugt wurden, bis hin zu einer Zeit, wo an sich höchst argwöhnische Institutionen auf einmal feststellen mussten, dass Laibach/NSK der einzig relevante slowenische Kulturexport sind und ein großer Teil der Touris im Land eben Laibach-Pilger sind. Es ist schlicht umso faszinierender, je mehr Details man mitkriegt.
Was mich an den neuen Perspektiven am meisten fasziniert hat: wie ausgeklügelt das in verschiedensten(!) nationalen Kontexten jeweils die spezifischen wunden Punkte angerührt und gleichzeitig in der jeweiligen Überaffirmation komplett unangreifbar gemacht worden ist. Wofür von Laibach dann Konzepte entworfen und durchdekliniert wurden, dass das Slowenische ohnehin das quasi „idealdeutsche“ ist und die „Deutsch-Affirmation“ Laibachs letzten Endes ein konsequentes Überhöhen des eigentlich Slowenischen ist, welches letzten Endes das reinste „Deutschtum“ ist sind und das Slowenentum das Deutschtum folglich leiten, anführen müsse usw.
Spezifische Details wie diese, Diskussionen um Laibach und die Rezeption in unterschiedlichen Ländern/(Sub-)Kulturen etc. machen einen größeren Teil des Buches aus und sind teils schwer erhellend. Kulturpolitische Hintergründe in Slowenien Ende der 80er sind wo ein Thema, wo ich nicht „Hier“ schreie, wenn gefragt wird, wer sich auskennt, und das am Beispiel Laibach durchdekliniert zu kriegen, ist höchst spannend.
Am Ende gibts eine extensive Quellenübersicht und eine umfassende Chronologie, und Monroe war überhaupt verdammt nah dran (soweit ich das einschätzen kann). Jedenfalls ist er mit einer erstaunlichen Latte O-Statements unterwegs, erwähnt teils sehr obskur wirkende Bootlegs und Aufnahmen, hat ne Menge Kram gelesen und ein breites Hintergrundwissen auch und grade im musikalischen Bereich. Was damit zusammenhängn mag, dass er seit Jahren insbesondere mit IRWIN und NSK zusammenarbeitet. Ich ziehe meinen Hut.
Wo bleibt das Negative? Ich bin kein großer Freund der theoretischen Ansätze von Deleuze/Guattari und Žižek, obgleich ich (v.a. wegen Foucault) jetzt keine generelle Aversion gegen die Poststrukturalisten habe, aber die Genannten waren mir immer ein wenig zu, hihi, unstrukturiert. Monroe bezieht sich sehr stark und häufig auf Deuelze/Guattari, ich finds erträglich und teils auch erhellend, aber YMMV. Um Žižek kommt man im Laibachkontext nicht rum, und die gelegentlichen Zitate bringen zugegebenermaßen auch vieles gut auf den Punkt. Long story short: das Buch ist mehr eine kulturwissenschaftliche Analyse denn ein Rockbandportrait, aber himmel, natürlich ist es das.
Alexei Monroe, Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör. Ventil Verlag, ISBN 978-3-95575-001-5. €24,90