Ich hatte mich immer mal wieder mit Voice Search beschäftigt und meine, der Augenblick ist gekommen, vom „länger auf Snooze stellen“ zu „He’s dead, Jim“ zu wechseln. Der Fisch ist geputzt. Als ich zuletzt drüber schrieb, warens noch vier Milliarden, die Amazon damit verbrannte, dass Leute das Licht an- und ausschalten können, inzwischen sinds 10. Im Jahr.
Schönes Detail am Rande: Ausgerechnet Gary Illyes himself fühlte sich berufen, einen Tröt von mir zu interpretieren, als ich diesbezüglich eine spitze Bemerkung auf Mastodon machte, die Frage, wie es denn bei Google analog aussähe, ließ er unbeantwortet (ein Schelm, usw.).
Jetzt kommen die Trends in Search 2022 raus und klar, da steht, was Google will, was wir lesen sollen, aber umso schlimmer, denn dass die automatische Haustier- und Topfpflanzenerkennung via Google Lens gleich ne ganze Latte eigener Rubriken in den globalen Trends kriegt, während das einzige Auftauchen von stimmbezogener Suche das Google-Shazam aka „Hum to Search“ ist, lässt Raum zur Interpretation.
Was mich noch mehr amüsiert: die globalen Hotspots in Sachen Nutzung. Den Titeln zufolge ist das eher ein indisch/ostasiatisches Ding. Saved you a click: weder Lens noch Hum oder gar Voice tauchen in deutschen Trends 2022 auf.
Versuchen wir mal noch ein bisschen mehr zu buddeln. „ok google“ ist etwas riskant als „Sprachinteraktion!“-Signal, indessen (spielt einfach mal mit den Trends und Ländern rum) sind die ganzen trending- und top-Suchen damit recht eindeutig Befehle. In verschiedensten Sprachen – am stärksten wachsend in einigen Regionen ist „ok google lumos“, was auch irgendwie sehr charmant ist. Es gibt einige interessante Fundstücke, „ok google kak“ ist wahlweise bulgarisch für „OK Google, wie…“ oder Malayisch für „OK Google Schwester“, ich vermute schwer, dass eher Bulgaren was wissen wollen denn Malayen ihrem Google Nest eine familiäre Rolle zuschreiben, whatever. Man stöbert rum und sieht weltweit einschlägige Lichtkommandos, Weckerstellen, Wetterabfrage und Navigation.
Soweit, sogut, nun drängte sich grade ein Elefant in den Raum, der grade in anderen Kontexten schwer gehyped wird (in Voice irgendwie gar nicht, weiss wer, warum?) Zu ChatGPT muss man im Kontext „Voice“ eigentlich gar nichts sagen, weil es die Probleme in Sachen Vermarktung von Voice-Suchanfragen nicht löst (via Voice werden keine monetarisierbaren Aktionen ausgelöst). Tatsächlich spannender scheint mir die Frage, ob ein Interface wie ChatGPT weniger Voice revolutioniert, sondern tatsächlich für zahlreiche Google-Anfragen zukünftig der bessere Adressat ist. Platt gesagt: eine „Antwort-“ oder „Resultatemaschine“ wie ChatGPT scheint mir eher an zentraleren Pfründen des Google-Imperiums zu kratzen. Warum soll ich bei Google nach einem Codebeispiel, einer Gedichtinterpretation oder einer Zusammenfassung eines Themas suchen, wenn ich mir das alles direkt live schreiben/erstellen lassen kann?
Ich gebe zu, es fällt mir grade schwer abzuschätzen, wie sich das auswirken wird. Tatsächlich liefert die Technik teils beeindruckende Ergebnisse, das aber in einer Qualität, die Stack Overflow dazu brachte, ChatGPT-Code komplett zu verbannen: die Angst ist, dass die Plattform vor plausibel aussehendem, aber kaputtem Code geflutet wird. Ich gehe davon aus, diese Art Gefahr besteht in allen Einsatzbereichen der Software, auch wenn ich die Einschätzung teile, dass damit eine Latte schlechter SEO-Texter in die Arbeitslosigkeit getrieben werden könnte (und ich unsicher bin, ob das ein zivilisatorischer Verlust sein soll). Das Netz ist voll mit plausibel wirkendem Schwachsinn, ChatGPT wird genau damit trainiert, dass das Ergebnis schlicht mehr plausibel wirkender Schwachsinn sein könnte, ist nun nicht vollkommen an den Haaren herbeigezogen.
Tatsächlich macht mir die Technik durchaus Sorgen. Es hat das Zeug dazu, eine gigantische Güllepumpe zu werden, die besagten unklaren Müll im Netz vervielfältigt. Die Bad Actors werdens machen, die anderen nicht, und Google wirds nicht wirklich einsetzen können, weil die Urheberrechtslage der generierten Inhalte wie auch wahrscheinlich einer ganzen Latte weiterer rechtlicher Details wahrscheinlich ein Alptraum sind. Das schieß ich grade aus der Hüfte, an sich würd ich mich in technikpessimistischen Gedanken gern eines besseren belehren lassen, aber Hoffnung ist Mangel an Information.
Um den Bogen zurückzukriegen: es ist irgendwie nett zu sehen, wie zwei Riesen wie Google und Amazon Milliarden verbrannten für ein nicht wirklich einleuchtendes UI-Konzept, und nun eben mal eine Technologie viral geht, die an sich Kernkompetenzen der beiden Unternehmen – Informationsaufbereitung und -anreicherung – in erstaunlich niedrigschwelliger Weise aus der Hüfte schießt. Mit den benannten Einschränkungen, indessen: ich bin recht sicher, dass Google aus guten Gründen keine ähnliche Technik zur Generierung von Featured Snippets einsetzt, ähnlich, wie Amazon damit keine Kaufberatung anbieten wird. Aber wer weiß, was kommt. Zugegeben, bei Voice war ich mir in Sachen Bauchlandung recht sicher. Hier würde mich wenig wundern, wenn uns das in Zukunft noch in *sehr* vielen Ecken über den Weg läuft.
Danke für den Blog-Beitrag. Ich vermute, dass ChatGPT bei Google den schon bestehenden Trend weiter antreibt, Text aus vertrauenswürdigen Quellen zu bevorzugen.
Nischen-Websites waren mal ein großes Ding, bevor Google sie mindestens im Bereich YMYL (Geld, Gesundheit) abgeschossen hat, weil es nicht beurteilen konnte, welche Texte im Detail vertrauenswürdig sind. Texte von Websites mit hoher Autorität oder von Autoren mit hoher Reputation hingegen werden hoffentlich schon keinen Unsinn schreiben – und deshalb landeten auch schlechte Texte von guten Websites vorne. Dieser Effekt könnte sich verstärken, falls Google ChatGPT-Texte nicht erkennen kann.
Oh, ja, leuchtet unmittelbar ein. Starke Autorensignale scheint da wirklich eine sinnvolle Sache. Erster Gedanke war schon auch das „Wer schreibt unter was entsprechend generiertes seinen Namen als Autor drunter“ (was soll schon schiefgehen?). Dass das „kein Autor“ entsprechend vermehrt Warnzeichen werden könnte, liegt irgendwo nahe.
Ich hätte als ersten naheliegenden Einsatzzweck in der Fläche auch eher das typische „Schreib 500 Wörter zur $baumarktkategorie“ gesehen und da sind in der Regel die genannten Autoren selten. Und die Qualität so meh :) Ich bleib beim konkretisierten Tipp, dass man für Onlinetexte, die keine reputable Autoreninfo brauchen, eher kurzfristig auch keine menschlichen Autoren mehr braucht. Den gesellschaftlichen Verlust würde ich als nicht vorhanden einstufen.