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George R.R. Martin, Feuer und Blut Bd. 1
Spontankauf auf dem Flughafen: besagter Titel, und nachdem ich jetzt schon durch bin, spricht das fürs Buch. Zugegeben, ich bin ein Fan, aber ich meine, mit vertretbaren Gründen. Sollte man es lesen, wenn man das „Lied von Eis und Feuer“ mag? Um einem unvermeidlich folgenden Tolkien-Vergleich vorzugreifen: Die Bedenken spielen nicht in der Liga von „Wer den Herrn der Ringe mochte, wird mit dem Silmarillion nicht zwangsläufig glücklich“, aber in schwächerer Form gehts in die Richtung. Die Westeros-Bücher sind spannend erzählte Romane, die Serie eine teils deutlich gedrängte, aber unbestreitbar detailreiche und charakterstarke Version, aber „Feuer und Blut“ ist ein Stück weit eben „Geschichtswerk“, in dem Charaktere und Geschichten naturgemäß deutlich knapper umrissen sind. Während die bisher erschienenen Bände eine Handvoll Jahre umspannen und dafür viele Bäume sterben mussten, bringt Feuer und Blut zwar knappe 900 Seiten mit, frühstückt damit aber eben mal ca. 150 Jahre ab. Es hat mir gefallen (das in den nächsten Absätzen etwas ausführlicher) und es macht mich ein wenig generell nachdenken bezüglich Martins Westeros-Geschichte und wie ich sie wahrnehme, dazu dann später.
Erzähler ist ein Erzmaester, der die Geschichte des Hauses Targaryen von (vor) der Landung in Westeros bis zum letzendlichen Fall des Hauses vor der Zeit der Serie erzählt. Martin tritt als „Übersetzer“ in Erscheinung, eine charmante Idee, die mich, hihi, an die Hassliebe zwischen Walter Moers und Hildegunst von Mythenmetz erinnert, aber ich sollte nicht im zweiten Absatz bereits abschweifen. Ich musste mich an den Stil gewöhnen, aber gebe gern zu: Martin macht das wirklich gut. Die Quellen des Erzählers werden regelmäßig genannt – meist Maester oder Septone, aber auch die typischen „unzuverlässigeren“ Chronisten. Deren Versionen der Geschichte werden benannt und bewertet, unser Erzmaester lässt seine Favoriten in Sachen Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit deutlich erkennen und windet sich gelegentlich, wenn eine dem Glauben und der Weisheit eher weniger zugeneigte Quelle dann doch gelegentlich die plausibleren Erklärungen und Hintergründe bietet, und was dann gar zu unplausibel wird, bekommt trotzdem die eine oder andere Fußnote. Man kennt das Erzählmittel, für meinen Geschmack setzt Martin es gekonnt ein, und zu guter Letzt ist es eben nicht nur ein Erzählmittel, sondern eröffnet einfach noch mal eine weitere Ebene und Tiefe der Geschichten: man kriegt eben auch mit, was man sich zwanzig Jahre später in den Kneipen und Bordellen erzählt hat, welche Gerüchte, Zuschreibungen, Ausschmückungen und Übertreibungen entstanden, und unabhängig vom „Wahrheitsgehalt“ gibt es einfach noch mal einen ganz anderen Eindruck von der Gesellschaft, in der sich die Ereignisse zutrugen.
Die Geschichte selbst: ich werd sie nochmal lesen müssen, denn erwartbar wird man von der Zahl der Akteure und ihrer Namen teils schlicht erschlagen. Das kann bei der Menge erzählter Zeit und eben dieser Zahl der Beteiligten nicht ausbleiben und spricht meiner Ansicht nach eher für das Buch, aber Geschmäcker, Verschiedenheit und so. Man ist eben nicht mit verschiedenen Akteuren lange Zeit unterwegs, selbst die Zeit des „Alten Königs“ Jaehaerys sind eben nur knapp 50 Jahre und somit allenfalls ein Drittel des Buchs. Das, und die Erzählung durch einen Chronisten aus zweiter Hand bringt einem die Personen natürlich nie so nah, wie es beim „großen Epos“ der Fall ist, aber auch hier muss ich wieder loben: trotzdem bekommen die Personen viel Farbe und Charakter, und sind von vielen eben die einen oder anderen großartigen, dramatischen, sprichwörtlichen oder anders bemerkenswerten Sätze natürlich überliefert, die sie bei verschiedenen Anlässen, Wendepunkten etc. eben fallenließen, und bei vielen davon hat man nicht nur selbst seine helle Freude, sondern merkt, die Chronisten hatten die auch. Weiterlesen →