Newslettertracking, die böse Marketerperspektive

Das nimmt grade ein wenig überhand mit der Trackingdekonstruktion, und ich sehs nicht als mein Kernthema, aber jetzt lief mir erst Netzpolitik mit dem Newslettertracking über den Weg und nun eskalierts der von mir außerordentlich geschätzte diplix nochmal eins weiter (1), und dann juckts den Tippfinger. Vorab: folgendes soll absolut keine Rechtfertigungsschrift sein, sondern schlicht eine weitere Perspektive aufs Problem, das ich zugegebenermaßen jetzt nicht als sonderlich groß empfinde. Weiter bin ich einmal mehr kein explizit mit NL-Marketing befasster Onlinewerber, hab aber durchaus damit zu tun gehabt und eine Latte Backends und Auswertungen von hinten gesehen und auch durchaus strategisch mitgeplant.

tl;dr: Viel tolles Marketinggerede von Marketingdienstleistern ist Marketinggerede, viele maximalinvasiv wirkende Techniken sind in der Praxis weitgehend irrelevant, es geht nicht immer ums User maximal durchleuchten, sondern oft genug ums „wir haben den geilsten Tech, kauft unsere Plattform“. Ein Newsletter ist eine ausgelagerte Webseite, auf der man angemeldet surft, handle mit es.

Kurzgefasst das Problem: In Newslettern sind Trackingpixel, mit denen wird gemessen, ob und wann der Newsletter geöffnet wird. Das ganze in der Regel individualisiert, sprich, ich sehe, wann du (ja, genau du) meinen NL aufgemacht hast. Wenn du einen Link in einem Newsletter klickst, ist der in der Regel auch kein Link der Art https://www.example.com/zielseite, sondern https://www.example.com/zielseite?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=heutigesdatum-nl&utm_content=produktlink-3 und wenn man das selber nachbauen will, Google hat ein Tool dafür. Sinn davon: wer klickt, wird auch auf der Webseite als Besucher erfasst, der über Link X vom Newsletter Y kam.

Ausgebaut das Problem: wer jetzt seinen Newsletterordner durchsieht, findet dort aber meist keine Links nach Muster https://www.example.com/zielseite?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=heutigesdatum-nl&utm_content=produktlink-3, sondern vielmehr was deutlich kryptischeres in der Art von https://nl.example.com/u/bla.php?v1=xyz&v2=abc&usw, und das liegt daran, dass die Newsletterplattform gleich via Subdomain in die eigene Domain integriert wird. So kann idealerweise auch gleich das passende first Party-Cookie gesetzt werden, kann man individuelle kryptische URLs für jeden einzelnen Empfänger generieren und diese nach wiederum individualisiertem Usertracking auf eine URL mit den oben genannten Parametern weiterleiten, damit der Webseitenbesuch wieder separat weiter erfasst wird. Weiterlesen

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PWAs am Desktop installieren, auf Chrome und Chromium: warum?

Vorsicht, ungute Paarung: ein Tech-Thema, zu dem mir einiger Tech-Hintergrund fehlt und ich mir in erster Linie ein paar „Wozu ist das gut?“-Gedanken mache. PWA, ist die Abk. für „Progressive Web App“, und wer die letzten Jahre nicht ganz unterm Stein verbracht hat, bekam mit, dass das eine Art „Apps für Arme“ ist: eine Website, die man wie eine „Beinahe-App“ auf dem Smartphone installieren kann.

Installier! Mich! Jetzt!

Installier! Mich! Jetzt!

Sehr verkürzt: ein Manifest und eine Latte Javascript, mit der Website-Ressourcen gezielt lokal/mobil gecached werden, was vor allem bei schlechten/unzuverlässigen Mobilverbindungen hilfreich sein kann. Dazu ein bisschen hübsches Blingbling, damit der Mobile-Browser, in dem das läuft, ein wenig „app-artiger“ aussieht. Ich kling grade ein wenig abfällig, ich meins mitnichten so: an sich ist das eine ziemlich clevere Sache, die nervige Situationen (schlechtes mobiles Netz) entschärft, Ressourcen spart und im gleichen Aufwasch die Usability verbessert. Im Unterschied zu anderen googlegetriebenen „Netzverbesserungen“ wie AMP sogar quasi komplett in Webmaster/Client-Hand. Einziger Haken: wirklich verbreitet/bekannt seh ich das kaum, jenseits einer sehr eng begrenzten Zielgruppe von Leuten, die sich gelegentlich mit Mobile Speed-Optimierung auseinandersetzen.

Eine Weile schon – mir fiels erst heute auf – kann man nun PWAs auch auf dem Desktop „installieren“, genauer gesagt: mit Chrome/Chromium. Linux, Mac, Win, naturgemäß egal. Hier via Kubuntu legts einen Starter unter $home/.local/share/applications an, der macht an sich nichts, als Chromium mit einem separaten Profil und den PWA-Daten zu starten, in einem netten eigenen Fenster. Von dem aus kann man natürlich sonstwohin surfen, für nen Kioskmode scheint mir das nicht geeignet, aber wohl auch nicht gedacht. Weiterlesen

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Browserfingerprinting und Märchenstunden von digitalcourage

Mal wieder zwei recht verschiedene Aufhänger: Einmal die jüngsten Big Brother-Awards und digitalcourage, die von einer der relevanten deutschen Institutionen in Sachen Netz und Bürgerrechte zu einem Zugunglück verkommen sind, das zu beobachten mir langsam selber peinlich wird. Zum anderen: Browserfingerprinting. Wahlweise ein Schreckgespenst, das man rausholt, wenn einem die Argumente ausgehen oder eines der Werbeversprechungen von Werbeunternehmen, die, nun, Werbeversprechen sind. Digitalcourage ist der Aufhänger, Browserfingerprinting eher die Frage ans interessierte und informierte Publikum, ob ich meine aktuelle Einschätzung „Fingerprinting ist ein nettes Verkaufsthema, das ungefähr wie die Kernfusion permanent in $zeitspanne was wird“ überdenken sollte.

Wer sich an drastischen Urteilen stört, folgendes tut mir leid und es wär mir lieber, wenns anders wäre. Meiner Einschätzung nach ist die ganze BigBrotherAwards-Blase zu einer Bande selbstgerechter Arschlöcher verkommen. Aufhänger: Zeitonline kriegte einen der „Negativ-Preise für Datenkraken“ verliehen und hat im Folgenden plausibel dargelegt, was an der Laudatio zur Preisverleihung alles falsch war. Wenn daraufhin auf Seite der Verunglimpfer Preisverleiher mit keinem Wort auf eigene Fehler eingegangen wird, dann ist das eine sachliche und moralische Bankrotterklärung.

Fehler? Wir machten doch keine Fehler!

Hier wurde eine Trackeranalyse grundlegend und in mehrerer Hinsicht vollkommen verbockt, und es fällt kein Wort der Entschuldigung, kein Wort darüber, was man selber falsch gemacht hat, man lässt sich zu einem „…klingt plausibel“ herab und verkennt, dass man sich gerade grundsätzlich als kompetente Instanz disqualifiziert hat, die das beurteilen könnte. Sahnehäubchen: „Am Wesenskern meiner Laudatio ändert sich nichts.“

Third Party source, ist doch alles dasselbe, oder?

Third Party source, ist doch alles dasselbe, oder?

Für ChPietschs anschließendes Twitterstatement, ein Googlefont-Abruf übertrage dieselben privaten Daten wie ein FB-Pixel, fällt mir beim besten Willen nur die Interpretation der bewussten Lüge ein. Witzigerweise versucht er später zurückzurudern, es würden „prinzipbedingt“ dieselben Daten übertragen und unklar sei nur, ob sie gespeichert würden. Das geht immerhin als halbwahrer Blödsinn durch, wenn es tatsächlich nur um eine IP-Adresse ginge, aber dann müsste man ja zugeben, dass die Aussage Googlefoont=FB-Pixel eben falsch war (und padeluun mit seiner Einschätzung von Googlefonts als Trackingtool, („…mit die Schlimmsten….“), Müll redet. Unnötig zu sagen, dass ich im Zuge dessen natürlich geblockt wurde und padeluun den ganzen Mist durchfavt, inclusive dem Statement, dass Cookies ja eh durch seien und Browser-Fingerprinting der neue heiße Scheiß.

Meine Sicht der Dinge: Weiterlesen

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JusProg: Von Jugendschutzprogrammen und unerwarteten Ablebensgründen

Letztens bekam ich die Vorbeben mit, dass dem einzigen von der KJM zertifizierten Jugendschutzprogramm ebendiese Zertifizierung entzogen werden soll, führte einige nette Gespräche und nun ists soweit. Torsten Kleinz schreibt was bei SpOn und liefert einen schönen Überblick. Das Thema verfolge ich schon etwas länger, daher ein paar Anmerkungen, Zuspitzungen und wilde Theoriefindungen meinerseits. Denn an sich hielt ich sowas für überfällig, wundere mich grade aber sehr über die Gründe.

Kurz Rahmeninformationen. Die KJM ist die Kommission für Jugendmedienschutz, die den Jugendschutz im Privatrundfunk und im Internet reguliert. Extrem verkürzt: sie ist quasi die „staatliche Seite“, die qua gesetzlicher Verpflichtung ein Interesse dran hat, dass „Jugendmedienschutz faktisch stattfindet“. Das Ganze als Verbandsorganisation der Landesmedienanstalten, weil Rundfunk Ländersache ist.

Die FSM ist die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter und somit quasi die „Unternehmensseite“: sie hat unter anderem ein durchaus wirtschaftliches Interesse daran, dass „Jugendmedienschutz faktisch stattfindet“: denn dann sind etwaige strengere Regulierungen nicht notwendig und kann man in Ruhe Geld verdienen. Daher liegt auch der FSM aus durchaus naheliegenden Gründen daran, dass es in Deutschland eine funktionierende Jugendschutzlösung auch und grade fürs Internet gibt.

Die gabs bislang mit JusProg, dem Jugendschutzprogramm des gleichnamigen e.V., der selbiges entwickelte. Und wer sich wundert, dass nun in der FSM-Mitgliederliste ebenso wie im JusProg e.V.-Vorstand Namen wie RTL, Vodafone, Pro7/Sat1 auftauchen: das ist weder ungewöhnlich noch hat es ein „Geschmäckle“, denn natürlich sind es genau dieselben Interessen, die von denselben Akteuren vertreten werden: wir verpflichten uns zu freiwilliger Selbstkontrolle, und dazu gehört auch, dass wir eine Lösung anbieten, um bei Bedarf jugendgefährdende Inhalte im Netz von den Eltern auf der Kiste sperren zu lassen.

Nochmal extrem verkürzt: Die Unternehmen (FSM) versprechen den Ländern (KJM), dass sie (freiwillig) die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit der Jugendschutz im Netz gewährleistet ist, und das erreichen sie unter anderem mit einer geeigneten Jugendschutzsoftware (JusProg). Die KJM schaut sich JusProg an, findets in Ordnung, alle sind glücklich und man redet nicht weiter drüber. Gedanke meinerseits: Schon gar nicht darüber, dass das alles niemanden interessiert, nichts nützt und niemandem was anderes bringt außer Ärger. Denn dann müsste man sich eingestehen, dass man völlig sinnlos Zeit und Ressourcen vergeudet, um zumindest so zu tun, als ob man einen verlorenen Posten halte. MAN REDET NICHT WEITER DRÜBER.

Nun schaute sich die KJM JusProg aber wieder an und fands nicht mehr in Ordnung. Nur für Windows, nur für Chrome, das sei nicht mehr zeitgemäß. Weiterlesen

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Herr Sonneborn geht nach Brüssel, eine Kauf- und Leseempfehlung

Sehr gutes Buch: Herr Sonneborn geht nach Brüssel.

Sehr gutes Buch: Herr Sonneborn geht nach Brüssel.

Ich weiß, die Rezis häufen sich, aber ich las das Buch letztens und muss es sehr weiterempfehlen, und nicht mal, weil es ein lustiges Buch eines hervorragenden Satirikers über die gern geschmähte EU und ihre Institutionen ist. Ich bin der festen Überzeugung, Sonneborn ist ein besserer Europäer als viele, die sich das entsprechende Mäntelchen gern umhängen, und weiter, dass er mehr für Europa und die europäische Einigung, die „europäischen Werte“, das Interesse und die Wertschätzung für den Einigungsprozess und nicht zuletzt für die Demokratie tut als ein Großteil seiner Amtskollegen.

Weglesen kann man den weitgehend chronologischen Bericht seiner ersten Amtszeit am Stück. Wer die „Berichte aus Brüssel“ aus der Titanic kennt, wird den Stil wiedererkennen, wobei mir die Buchform ausgearbeiteter und ausführlicher vorkommt, naheliegenderweise. Dem „Knackig und auf den Punkt“-Stil tut das keinen Abbruch. Es gibt viel zu erfahren, es gibt viel zu lachen und es gibt, das finde ich am erstaunlichsten und erfreulichsten, viel, was Mut macht in mehrerer Hinsicht. Ich drösel das mal auf, spoilere ein paar Pointen dabei, aber ich denke, das Buch sollte man ohnehin eher als Informationsquelle lesen und es bleiben wirklich viele andere für die Lektüre übrig.

Wollte ich das wissen?

Ich erlaube mir oft den Luxus zu glauben, dass viele Leute nicht dumm und durchaus auch guten Willens sind. Das gilt auch für Akteure aus der Politik, auch der europäischen. Gelegentliche „Das darf doch nicht wahr sein“-Erkenntnisse verderben mir das gelegentlich, aber die einleitende rhetorische Frage beantworte ich dann doch mit „ja“. Beispielsweise wenn ich lese, dass die 3%-Stabilitätsklausel, mit der diverse Staaten zu ruinöser Austeritätspolitik geprügelt wurden, auf den Wunsch Mitterrands zurückgeht, irgendwas Einfaches entgegnen zu können, wenn Ministerien Geld von ihm wollen. Man habe sich „…die Zahl von drei Prozent in weniger als einer Stunde ausgedacht. Sie wurde auf einer Ecke des Schreibtischs geboren, ohne jegliche theoretische Reflexion… Drei Prozent? Das ist eine gute Zahl! Eine Zahl, die die Epochen überdauert hat, das ließ an die heilige Dreifaltigkeit denken. Nehmen wir doch drei Prozent!“.

Oder eines der Beispiele für die „Lobbyisten schreiben die Gesetzesentwürfe“ – Geschichten. Am Rande wird erzählt, dass die CSU ein Gesetz in den Landwirtschaftsausschuss eingebracht hat, das dem Handel das Überschreiten gesetzlicher Normen für Umwelt- und Qualitätsstandards verbietet. „Mehr Bio als der Mindeststandard“ sei nicht erlaubt, und eingebracht hat es ein Albert Deß von der CSU, und so sieht seine Homepage aus:

Willkommen bei Albert Dess.

Willkommen bei Albert Dess.

Oder die Geschichte seiner Rede, in der u.a. die witwensichere Endlagerung der Kanzleraltlast Kohl konstatiert wird und die Forderung aufgestellt wird, dass Deutschland nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen soll als das Mittelmeer. Ich kann mich gut an die allgemeine Entrüstung im Blätterwald erinnern, aber hier las ich zum ersten Mal, dass ein EU-Parlamentarier mal nachgehört hat, welche Inhalte seiner Rede wie in welche andere Sprachen übersetzt wurden. Weiterlesen

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Echtzeit-Pornografie. Wie Deutschlandfunkkultur Pornoanalyse suggeriert

Vorab: Update am Schluss. Warum mich immer mal wieder Leute auf Pornthemen hinweisen, versteh ich nicht ganz hat wohl damit zu tun, dass es ein durchaus divergent rezipiertes Thema ist, das mich schon recht lang beschäftigt. Christian warf mir den Link zur DFkultur-Sendung „Illusion und Rhythmus – Wie Pornofilme Echtheit suggerieren“ zu und meine erste Reaktion war „Wie, Echtheit, was soll der Scheiß?“. Nichtsdestoweniger, ich wollts mir in Ruhe und ergebnisoffen anhören, tat selbiges und bin anderer Meinung, mehr noch, ich halte Format und Analyse in der Form für falsch und kontraproduktiv. Starke Thesen, die ich mit der Einschränkung versehen will, dass man in fünf Minuten Podcast keine tief differenzierte Genreanalyse liefern kann. Aber zur Sache.

„…wie schafft es der pornografische Film darüber hinaus, den Anschein von Authentizität zu erzeugen – und welche Rolle spielt die Zeit dabei?“ endet die Einstiegsfrage zu einer Textkurzfassung, bei der ich erst noch den Eindruck hatte, OK, das ist halt durch Kürze entstellt. Allein, die Sendung ist nicht wirklich tiefgehender. Lange Einstellungen, Gonzo-Stil, POV: es ginge um das Gefühl von Authentizität. Selbst im queeren/feministischen Porn und in Pornparodien, und der Erfolg von Livecam-Angeboten läge eben auch und grade im Authentischen und der Echtzeit.

Das kommt mir falsch vor und um ebenso verkürzt eine Gegenthese zu formulieren: nein. Porn ist in erster Linie eine Fantasieerfüllung, ein höchst artifizielles Format, meine zugespitzte Lieblingsdiagnose: Pornos sind sowenig normaler (lies auch: authentischer) Sex, wie Mad Max normales Autofahren ist. Dass „echter“ Sex stattfindet, geschenkt, da reden wir über die Genredefinition. Dass er „authentisch“ ist, „Echtheit“ suggeriert… nochmals zugespitzt, aber wenn sich authentischer Sex dadurch definiert, dass man nicht nur das Gleitgel-Nachlegen, sondern auch den Schnitt dafür nicht sieht, ist die Definition armselig. Weiterlesen

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Feuer und Blut, von George R.R. Martin

George R.R. Martin, Feuer und Blut Bd. 1

George R.R. Martin, Feuer und Blut Bd. 1

Spontankauf auf dem Flughafen: besagter Titel, und nachdem ich jetzt schon durch bin, spricht das fürs Buch. Zugegeben, ich bin ein Fan, aber ich meine, mit vertretbaren Gründen. Sollte man es lesen, wenn man das „Lied von Eis und Feuer“ mag? Um einem unvermeidlich folgenden Tolkien-Vergleich vorzugreifen: Die Bedenken spielen nicht in der Liga von „Wer den Herrn der Ringe mochte, wird mit dem Silmarillion nicht zwangsläufig glücklich“, aber in schwächerer Form gehts in die Richtung. Die Westeros-Bücher sind spannend erzählte Romane, die Serie eine teils deutlich gedrängte, aber unbestreitbar detailreiche und charakterstarke Version, aber „Feuer und Blut“ ist ein Stück weit eben „Geschichtswerk“, in dem Charaktere und Geschichten naturgemäß deutlich knapper umrissen sind. Während die bisher erschienenen Bände eine Handvoll Jahre umspannen und dafür viele Bäume sterben mussten, bringt Feuer und Blut zwar knappe 900 Seiten mit, frühstückt damit aber eben mal ca. 150 Jahre ab. Es hat mir gefallen (das in den nächsten Absätzen etwas ausführlicher) und es macht mich ein wenig generell nachdenken bezüglich Martins Westeros-Geschichte und wie ich sie wahrnehme, dazu dann später.

Erzähler ist ein Erzmaester, der die Geschichte des Hauses Targaryen von (vor) der Landung in Westeros bis zum letzendlichen Fall des Hauses vor der Zeit der Serie erzählt. Martin tritt als „Übersetzer“ in Erscheinung, eine charmante Idee, die mich, hihi, an die Hassliebe zwischen Walter Moers und Hildegunst von Mythenmetz erinnert, aber ich sollte nicht im zweiten Absatz bereits abschweifen. Ich musste mich an den Stil gewöhnen, aber gebe gern zu: Martin macht das wirklich gut. Die Quellen des Erzählers werden regelmäßig genannt – meist Maester oder Septone, aber auch die typischen „unzuverlässigeren“ Chronisten. Deren Versionen der Geschichte werden benannt und bewertet, unser Erzmaester lässt seine Favoriten in Sachen Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit deutlich erkennen und windet sich gelegentlich, wenn eine dem Glauben und der Weisheit eher weniger zugeneigte Quelle dann doch gelegentlich die plausibleren Erklärungen und Hintergründe bietet, und was dann gar zu unplausibel wird, bekommt trotzdem die eine oder andere Fußnote. Man kennt das Erzählmittel, für meinen Geschmack setzt Martin es gekonnt ein, und zu guter Letzt ist es eben nicht nur ein Erzählmittel, sondern eröffnet einfach noch mal eine weitere Ebene und Tiefe der Geschichten: man kriegt eben auch mit, was man sich zwanzig Jahre später in den Kneipen und Bordellen erzählt hat, welche Gerüchte, Zuschreibungen, Ausschmückungen und Übertreibungen entstanden, und unabhängig vom „Wahrheitsgehalt“ gibt es einfach noch mal einen ganz anderen Eindruck von der Gesellschaft, in der sich die Ereignisse zutrugen.

Die Geschichte selbst: ich werd sie nochmal lesen müssen, denn erwartbar wird man von der Zahl der Akteure und ihrer Namen teils schlicht erschlagen. Das kann bei der Menge erzählter Zeit und eben dieser Zahl der Beteiligten nicht ausbleiben und spricht meiner Ansicht nach eher für das Buch, aber Geschmäcker, Verschiedenheit und so. Man ist eben nicht mit verschiedenen Akteuren lange Zeit unterwegs, selbst die Zeit des „Alten Königs“ Jaehaerys sind eben nur knapp 50 Jahre und somit allenfalls ein Drittel des Buchs. Das, und die Erzählung durch einen Chronisten aus zweiter Hand bringt einem die Personen natürlich nie so nah, wie es beim „großen Epos“ der Fall ist, aber auch hier muss ich wieder loben: trotzdem bekommen die Personen viel Farbe und Charakter, und sind von vielen eben die einen oder anderen großartigen, dramatischen, sprichwörtlichen oder anders bemerkenswerten Sätze natürlich überliefert, die sie bei verschiedenen Anlässen, Wendepunkten etc. eben fallenließen, und bei vielen davon hat man nicht nur selbst seine helle Freude, sondern merkt, die Chronisten hatten die auch. Weiterlesen

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Tag 3, ich reg mich doch nochmal über Datenschützer auf

Winkeka..ALL GLORY TO THE HYPNOCAT

Winkeka..ALL GLORY TO THE HYPNOCAT

Aber erst anderes. Nachträglich gesehen: die US-Wahlen und die Beeinflussung via Social Media. Targeting/Zielgruppenauswahl sind sicher einigen nicht wirklich bekannt, selber fand ich vor allem die unterschiedliche Aussteuerung durch die diversen Akteure spannend und *ganz* besonders die Ansage, dass FB, Google und Twitter die politischen Ads in den USA inzwischen deswegen transparent und öffentlich sammeln/anzeigen, weil es eben Scraper gab, die das vorher händisch machten und auch politischen Druck dahingehend, dass das eben nun fällig sei. Fazit: wenn man da entsprechenden Druck macht, dann kann man sowas auch in anderen Ländern kriegen und es wundert mich, dass das auf EU-Ebene trotz allem Säbelrasseln und durchaus teils erfolgreichen Maßnahmen noch nicht passiert ist (oder ist sowas in der Mache?)

A pixelflut. It fluts pixel.

A pixelflut. It fluts pixel.

Schönes Wanddesign in meinem Rücken: Pixelflut. Man wirft direkt via TCP-Connect Farb- und Platzierungsdaten einzelner Pixel auf den Server. Wer am meisten und schnellsten wirft, gewinnt. Deswegen werden ganze Client-Pools gebaut, die synchron das eigene Bild an einer bestimmten Stelle in Hochfrequenz refreshen. Andere Strategien sind permanentes Bewegen des Bildes über den verfügbaren Platz, platzieren auf weniger „umkämpften“ Arealen und natürlich mehr Speed, mehr Bandbreite. Gestern haben sie wohl die 10 TB geknackt, die da auf den Server geschossen wurden.

Internet, the Business side. Ich wolte einen Überblick über die Geldströme, die das Netz auf den verschiedenen Ebenen finanzieren. Hintergrund ist die Net Neutrality-Diskussion, mich interessiert einfach auch, was jenseits der „Geldpumpe Werbung“ in Sachen Finanzierungen/Geldströme das Internet prägt und gestaltet. Einige spannende Zahlen: Weiterlesen

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35c3, Tag 2, Gespräche und die Datenschützer

We can haz Campfire.

We can haz Campfire.

Ein wenig mehr Gespräche und weniger Talks als gestern, wobei mir einer von der Chaos West-Bühne etwas nachgeht: „Track me, if you… Oh.“ Wie die bösen Konzerne einem immer hinterherschnüffeln, via Wlan-AP, Bluetooth, Beacons, Locationdiensten und was nicht noch alles. Die Lösung einmal mehr, alles abschalten, wenn mans nicht braucht – Wlan, Bluetooth usw. und den MAC-Spoofer raushauen, gibts bei F-Droid. Und Paybackkarten sind scheisse, da stimme ich sogar bei. Aber diese vollkommene Paranoia a la „Wenn ihr euch in einem Shop ins WLAN einklinkt oder mit aktivem BT reingeht, tracken die weißgottwas“ und „wenn ihr wo wart, einfach mal DSGVO-Anfrage stellen“ – nun, das fand ich den erhellenden Teil, denn dem folgte das „Und was wissen die dann?“ Wahrscheinlich eben gar nichts. Man müsse zumindest die Mac-Adresse mitgeben, damit sie überhaupt finden könnten, was man habe usw., und ich glaube, ich würde da einfach ein „logg ich nicht, hab ich nichts“ antworten und „Arschlöcher“ denken. Im Ernst, es hieß, dass das wahrscheinlich schon längst flächendeckend eingesetzt wird, um zu messen, vor welchen Regalen welche Leute am längsten stehen. Begründet wurde die tapfere Ansage folgendermaßen: die *Anbieter* solcher Trackingtools würden damit werben, dass ihre Lösung das könne, es toll sei und viele damit arbeiten.

Persönlich würde ich allen Leuten mit einer solchen Medienkompetenz in Bezug auf Werbeaussagen dazu raten, sich zu allem in Zukunft still zu verhalten, was auch nur entfernt mit Medien zu tun hat. Aber nun. Schickt ruhig mal eure persönlichen Daten, Macadressen und weitere Identifikationsmerkmale an die diversen Filialisten und fragt sie, was sie für Daten sie von euch haben. Ich tippe auf ein „Jetzt die, die ihr uns geschickt habt“. Weiterlesen

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35c3, Eindrücke vom Tag 1

Begrüßung, angemessene.

Begrüßung, angemessene.

Zum zweiten Mal in Leipzig, und wieder nen Ticken größer. Hackcenter nun in zwei Hallen, und klar ists kleiner kuschliger, aber man weiß es zu schätzen, dass man wo langgehen kann und sich wohinsetzen kann. Größer, mehr Platz, immer noch gemütlich. Und – vor allem, wenn man an alte Zeiten denkt: Irrsinnig, wie das Netz rennt. Es ist noch nicht lang her, dass die Sprüche „Ab dem drittem Tag tuts“ kamen und die Situation beschrieben. Plus Videoengel und Media/CCC – wir haben innerhalb kürzester Zeit nach den Livestreams schon die Aufzeichnungen im Netz, hier rockt jemand ganz gewaltig und ich ziehe meinen Hut.

Rennstrecke und Winkekatze

Rennstrecke und Winkekatze

Erster Eindruck und Mitnehmding: Ich muss mir endlich meinen Sofa-Einsitzer mit Hoverboardantrieb bauen. Und im Sommer müssen wir ein Trassenrennen machen. Aber zum Ernst des Lebens.

Ich hatte mir im Vorfeld wieder ein wenig mehr Vortragsprogramm vorgenommen – ich hab da diese Wellenphasen von Congress zu Congress, wahlweise denk ich, quatschen kannst nicht immer, aber die spannenden Sachen kannst auch später als Video anschauen; und dann: machste nie, also setz dich rein, wenn dich der Kram interessiert! Es lag eher an mir, das ich da erst mal ein wenig auf die Nase fiel dieses Jahr am Tag 1. Weiterlesen

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