Buchrezi: Into the Fire, von Enno Lenze

Enno Lenze, Into the Fire, Buchcover

Enno Lenze, Into the Fire, Buchcover

Vor einigen Jahren hatte mir „Fronturlaub“ gefallen, und nachdem nun „Into the Fire“ rausgekommen ist, wars einigermaßen klar Pflichtlektüre. Leseempfehlung vorweg, und eine halbe Parallele zu Fronturlaub: damals dachte ich beim Lesen gelegentlich ein „…ach, ja, die Geschichte kenn ich ja“, was halt viel am sich kennen und gelegentlich zusammenarbeiten kam (Disclosure). Diesmal auch, weil man einiges auch schon im Blog lesen konnte. Was an sich aber keine Rolle spielt, weils einmal ausführlicher ist, ohne irgendwie aufgeblasen zu sein, und weiter in einem größeren Kontext nochmal ein ganz anderes Bild ergibt.

Was mich zu den Inhalten und Geschichten bringt. Ich war ein wenig skeptisch anfangs, weil es eben um verschiedene Reisen in verschiedene Krisengebiete plus einen Coronasommer in Deutschland ging und ab vom „passierte halt nacheinander“ eben alles sehr verschieden ist. Aber halt wieder auch nicht, und das ist das überraschende an der ganzen Zusammenstellung. Enno war mehrmals in Kurdistan und in der Ukraine, einmal in Hongkong, zweimal in Afghanistan, und dazwischen und danach in Berlin, wo wir es einmal mit verstrahlten Covidioten zu tun bekommen und einmal mit der Kunstaktion, in der ein zerschossener Panzer gegenüber der russischen Botschaft aufgestellt wurde. Dazu noch Berichte von Rüstungsmessen und über gepanzerte Fahrzeuge.

Und was nun wie ein Sammelsurium von Krisenherden und -themen klingt, schien mir beim Lesen aber nach und nach ein größeres Ganzes zu ergeben. Und woran das liegt, da krieg ich nicht mal genau den Finger drauf. Man kann natürlich sagen, dass die aktuellen Krisenlagen natürlich auch ihre Überschneidungen und Bedingtheiten haben – sowas wie der Angriffskrieg Russlands und die Haltung des Westens sind natürlich auch Rahmenbedingungen für chinesische Pläne in Bezug auf Hongkong oder Taiwan. Das wird einen Teil ausmachen. Weiter auch Ennos klare Ansage, dass er absolut kein Interesse an „Neutralität“ habe. Was wieder eine ganz interessante „Neutralität“ der Berichte erzeugt, die sich durchzieht: dass Menschen sich gegenseitig helfen, egal, was gerade die Rahmenbedingungen sind oder woher das Gegenüber kommt, wird zum einen regelmäßig auch unter ungünstigsten Bedingungen beobachtet. Enno legt das weiterhin permanent als Maßstab für anderes Handeln an, egal, obs um Kabul oder Berlin-Mitte geht. Und das verschiebt gelegentlich die Perspektive in unerwartete Richtungen.

Einschub:
in der Ecke seh ich auch das eine Problem, das ich gelegentlich beim Lesen hatte: so sehr ich die Bissigkeit angesichts hiesiger Wohlstandsverwahrlosung und aktiver Selbstverblödung gewisser deutscher Bevölkerungsgruppen nachvollziehen bzw. mitempfinden kann, schien mir da gelegentlich der Twitter-Troll- und Deppenfrust ein wenig pauschal auf die Gesellschaft als solche ausgekippt. Aber wie gesagt, nachvollziehbar und durchaus erträglich.

Was wahrscheinlich als stärkstes „verbindende Element“ wirkt, ist Ennos Herangehensweise an Region, Situation und Menschen. Man begegnet ständig – wenns nicht grade um eine Rüstungsmesse geht – gewöhnlichen Leuten (mit überdurchschnittlichen Anteil an Idealisten, die was mit der Hand am Arm verbessern wollen). Leuten auf der Straße, Zufallsbegegnungen auf Demos, in Cafes, auf der Straße. Es ist ganz witzig, wenn man bedenkt, was Enno schon an „wichtigen“ Leuten getroffen hat: seine Geschichten drehen sich trotzdem fast immer um die, die am anderen Ende der Befehlskette mit den jeweiligen Rahmenbedingungen irgendwie umgehen müssen. Und statt auf verschiedene politische Bekundungen und ideologischer Grundsatzklärung stößt man dann eben auf den Pragmatismus, die Menschlichkeit, die Hoffnungen und auch auf die Verzweiflung dieser Menschen, mit dann doch erstaunlich grenzüberschreitender Ähnlichkeit. Mir scheinen das wichtige Stimmen, die man auch und grade in unserer Social Media- und geschichtenzelebrierender-Journalismus-Zeit nicht in der Form hört bzw. liest. Weiterlesen

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Acht Tage Wüste, Sinai, die dritte

Lagerfeuer, dekorative Himmelsgestaltung

Lagerfeuer, dekorative Himmelsgestaltung

Warum zieht man eine Woche in die Wüste, stiefelt bzw. reitet Berge hoch und runter und guckt sich viel Steine und Sand an, ohne Netz, Strom und fließend Wasser? Für mich kann ich nach dieser und zwei früheren Touren sagen, es erdet mich ganz hervorragend, der Kopf macht irgendwelches Zeug im Hintergrund, währenddessen guckt man sich eine hochwertige Landschaft an und erlebt eine phänomenal angepasste Lebensweise.

Dafür sollten es aber halt auch ein paar Tage sein, weil sich irgendwann gegen Tag drei auf dem Kamel so dieser Effekt einstellt, von dem ich behaupte, man kommt ohne Tüte nicht näher ans Bekifftsein. Man schaukelt sich auf dem Kamel in einen leicht debilen Trott, guckt mit ganz kleinen Augen, weil die Umgebung unglaublich hell ist, alles was man sieht, ist ungeheuer faszinierend, es passiert alles ganz langsam und man bekommt irgendwann Hunger.

Schlafplatzpanorama.

Schlafplatzpanorama.

Was ist groß und stört beim Einschlafen?

Was ist groß und stört beim Einschlafen?

Abends schaut man nach ner ebenen, windgeschützten Stelle, baut sich sein Nachtlager und geht nach dem Abendessen schlafen. Morgens gibts Kaffee und zufällig vorbeikommende Kamele. Anschließend packt man alles wieder auf die Kamele und zieht weiter. Abends im Sinne von „bei Sonnenuntergang“ und morgens analog „bei Sonnenaufgang“, es ist vollkommen faszinierend, wie man trotz eines ansonsten hoch beharrlichen Schlaf-Wach-Rhythmus auf einmal spätestens um acht einschläft und wiederum um fünf aufwacht. Da wirds halt dunkel bzw. hell, und in der Regel ist man auf angenehme Weise kaputt und knackt weg, sobald man im Schlafsack liegt, es sei denn, ein furzendes Kamel liegt drei Meter weiter.

Wie früher aus ähnlichem Anlass angemerkt: ich bin ein verstockter historischer Materialist und falls sich Altersmilde bei mir anbahnt – in Bezug auf irgendwelche Spiritualität und Esoterik vermag ich keine bei mir zu diagnostizieren.

Schamren (links, meins) und Rapschen (rechts), das Arschloch

Schamren (links, meins) und Rapschen (rechts), das Arschloch

Ich vertrete aber durchaus vehement die Ansicht, dass man grade mit einem solchen Weltbild die Wüste sehr intensiv erleben kann. Es ist vollkommen atemberaubend, was eine vernünftige Physik zustandebekommt, wenn man sie mal eine Weile machen lässt. Man stiefelt durch ein ausgetrocknetes Wadi und denkt, Navier-Stokes bei der Arbeit, verdammt guter Job. Irgendwer wird mir erklären können, warum die Lichtverhältnisse in der Wüste so sind, wie sie sind, und bis dahin bin ich einfach so begeistert davon. Weiterlesen

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LLM-Vollidioten, Bard, und Branchen-Fachportale

Ich hatte erst „Prompt Engineers“ getippt und mich dann doch für die Vollidioten entschieden, weil man muss den Leuten einen drücken, die eine ganze Branche wie Trottel dastehen lassen. Klar, die SEO-Branche springt gern auf Hypes auf und hey, die Suchvolumina geben uns recht!, aber wenn ein eigentlich durchaus ernstzunehmendes Portal wie fucking Searchengineland einen umgekippten Gülletrecker wie „How to use Bard to get ahead of Google algorithm updates“ auf die Startseite hieven kann, ohne anschließend die Verantwortlichen wegen Rufschädigung bis ins dritte Glied zu verklagen, axtmorden, vergraben und großflächig mit Salz zu bestreuen, verstehe ich nicht.

Da wird ernsthaft erklärt, ein verdammter Stochastikpapagei wie Bard würde auf Google-Daten zugreifen, um Update-Impact zu analysieren. Die richtigen Prompts, und „…we can start to see Bard’s analytical prowess shine“. das steht da. Ernsthaft.

„Analytical prowess“ ließ ich mir von Bard übersetzen:

„Analytical Prowess“ bedeutet „analytisches Können“ oder „analytische Fähigkeiten“. Es bezeichnet die Fähigkeit, komplexe Informationen zu verstehen, zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Analytische Fähigkeiten sind in vielen Berufen und Lebensbereichen wichtig, z. B. in der Wissenschaft, in der Wirtschaft, in der Politik und im Alltag.

Hier sind einige Beispiele für analytische Fähigkeiten:

Die Fähigkeit, Probleme zu erkennen und zu lösen
Die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen
Die Fähigkeit, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten
Die Fähigkeit, logisch zu denken und zu argumentieren
Die Fähigkeit, kreative Lösungen zu entwickeln

Und an der Stelle eine leise Anmerkung für alle, die sich da auf die geile Denkhilfe von Google freuen, die man da eben mal heben kann, wenn man ein cleverer „Prompt Engineer“ ist:

DAS ALLES KANN BARD NICHT! UND AUCH KEIN ANDERES VERFICKTES LLM!

Wie hat die Korrupt.biz abgeschnitten? Ach, mal so, mal so, meistens negativ, zum letzten Core gibts noch keine Daten. Na dann, wenn alles so scheiße ist, wozu rankt sie denn noch? Ha!, sieht doch prima aus! Weiterlesen

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Sertralin und Blutspenden: Warum alle Welt weiß, dass ich Depressionen habe

tl,dr: wer Sertralin einnimmt, darf Blutspenden.

Folgendes wird entgegen dem Titel eine eher heitere Betrachtung über Depression, Privilegien, Postprivacy und nicht zuletzt einen feinen Arbeitgeber. Der im übrigen schuld daran ist, dass alle Welt weiß, dass ich Depressionen habe, aber ich greife vor. Außerdem: Blutspendeinfos!

Ich spar mir langatmige Vorgeschichten zu Diagnosen etc., deutlich über 20 Jahre her, damals VT und Medis, letztere irgendwann einmal umgestellt (Medis umstellen ist furchtbar) und nun aber auch schon wieder gefühlte Ewigkeiten mit SSRIs (Sertralin) zufrieden mit der Psyche. Kein Interesse mehr an Ausschleichversuchen, been there, done that, got the T-Shirt, und warum auch. Wie es ist, ists gut und so kanns gerne bleiben.

Nebenwirkung indessen: der Gang zur Blutbank fiel weg. Was damals ein wenig schmerzhaft war, da das zweimonatige Blutspenden zu Unizeiten immer der Fuffi außer der Reihe war, mit dem man CDs kaufen ging. Unter SSRI war Sense damit, Blutbank says no. Es war zu verkraften, aber mit der Zeit störte es immer mal wieder, angesichts einschlägiger Aufrufe wegen knapper Blutreserven. Und zugegeben: man ist auch ein Stück weit bequem. Alle Jubeljahre der Gedanke, mal recherchieren, wo man vielleicht Plasma, Blutplättchen, whatever beisteuern könnte, wenns mit dem Vollblut nicht geht. Gedanke kommt, Gedanke geht wieder, nichts passiert.

Nun hab ich ja jobtechnisch seit einiger Zeit ein eher spezifisches Verhältnis zu Blut, und wenn man bei einem Verbandmittelhersteller wie Dr. Ausbüttel arbeitet, war es nicht ganz überraschend, dass irgendwann auch mal ein Blutspendemobil vom DRK organisiert wurde, das bei uns und der Nachbarfirma eine Spendenaktion gemacht hat. Und wenn ich schon nicht darf: dann zumindest mal hingehen und fragen, was ich wo vielleicht alternativ machen könnte, sollte ja eben noch drinliegen.

Der große Tag war gekommen, Ruppsel stiefelt zum Blutspendebus und sagt sein Sprüchlein: von der Blutbank Tübingen verstoßen wegen SSRI, seitdem auf gelegentlicher Suche nach alternativer Unterstüzung des Kampfs gegen knappe Blutreserven. Was ich da wo machen könne. Stirnrunzeln gegenüber: SSRI, Moment, ich gucke mal nach, eigentlich könnte das gehen. Blättern, lesen, ah ja, hier stehts, sie dürfen. Wird gekennzeichnet und nicht an Kinder gegeben, aber ansonsten unproblematisch. Ob ich wolle? Aber hallo, ich wollte.

THE RED RED KROVVY!

THE RED RED KROVVY!

Bilder oder nicht passsiert, sagen wir hier im Internetz, und natürlich knipste ich direkt die erste Abzapfaktion seit Jahrzehnten und ab dafür auf FB und Mastodon. Und nun mag man sich streiten, ob jede gesellschaftlich sinnvolle Tat zur Mehrung des Selbstlobs in die Welt verkündet werden muss, aber andererseits: ich bin der festen Überzeugung, dass nicht nur mehr Leute als ich Sertralin einnehmen. Ich glaube gar, dass ich nicht der einzige bin, der deswegen nicht mehr zum Blutspenden gehen konnte. Und dann holzt man das Bild von der Spende raus mit der „Wer wie ich bis vor kurzem dachte, unter SSRI gehts nicht… geht wieder, lassts laufen!“-Message, weil irgendwer muss das ja machen. Weiterlesen

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Fediverse: was wir aus dem #digitalcourage-Fail lernen müssen

An sich dachte ich erst, es wurde von Digitalcourage einfach so viel falsch gemacht in Sachen Communitymanagement, dass es Verschwendung wär, nichts draus zu lernen. Jetzt hatte ich noch einen Blick in padeluuns Talk auf dem Cccamp23 geworfen (ich vermeide padeluun-Content gewöhnlich, weil es mich nur deprimiert), und bin der Ansicht, dass das DC-Setup bereits strukturell massiv verpfuscht ist und wir hier gefährlichen Unsinn hören, vor dem man begründet warnen sollte. Wenn Digitalcourage ihren Ruf und ihre Instanz im Fediverse vollends verbrennt, mag das ein nettes Müllfeuer zum danebenstehen und sich amüsieren sein, aber wenn andere DC mit einer digitalkompetenten Orga verwechseln, auf ihre „Ratschläge“ hören und anschließend erwartbar auf die Nase fallen, wäre das schade und sollte vermieden werden. Kurz ein paar durchaus auch auf die schmerzhafte Weise erlernte Grundlagen des Communitymanagements, dann die strukturellen Fehlentscheidungen und Folgen von Digitalcourage und ihrer Fedi-Instanz und dann noch ein paar abschließende Worte und amüsante Details.

Regeln, klare. Es braucht welche.

Nicht nur für etwaige Opfer, sondern auch und gerade, um für sich selber und die Moderierenden Handlungsfähigkeit zu schaffen. Bei DC sieht man folgendes:

Auf den ersten Blick sowas wie Regeln, aber nein, keine.

Auf den ersten Blick sowas wie Regeln, aber nein, keine.

Damit wirft man alle, die in irgend einer Form auf den Umgang miteinander kontrollierend einwirken sollten, vor den Bus. Denn hier steht nichts, was irgend eine Sanktionierung begründen würde, hier steht nicht einmal, das es in irgend einer Weise Sanktionen geben könnte, wofür auch immer. Es steht nicht einmal da, dass sowas wie respektvoller Umgang gewünscht oder gar erwartet wird. Irgendwer möchte diesen offenbar pflegen, könnte sein, nur die Gastgeber:innen? Tja, fein. Damit bindet man sich selber alle Hände. Alle anderen können tun, was sie wollen, und sich dabei auf die Serverregeln berufen.

Wir haben hier noch irgendwo Regeln von 1995 versteckt, die sind aber nur Gesprächsgrundlage.

Wir haben hier noch irgendwo Regeln von 1995 versteckt, die sind aber nur Gesprächsgrundlage.

Dann gibt es noch den Hinweis auf die „Thesen einer vernetzten Welt“ von 1995, die als Grundlage des Umgangs dienen sollen, das findet man natürlich nicht bei den Serverregeln, sondern nur im Profil des Admin-Accounts. Einleitende Anmerkung von 2011, dass der Text überholt sei, ja, ist er. Das Acc von Freiheit ist von 2019, ich schließe draus, dass man vier Jahre lang keinerlei Ideen diesbezüglich hatte, was sich seit dem vergangenen Jahrtausend vielleicht verändert hat.

Weiter beruft man sich auf ein „Fedimin-Abkommen“, welches witzigerweise vor allem den Instanzbetreibern Pflichten auferlegt und die Moderation (wohlweislich?) erst mal sehr knapp fasst. Auch hier verkackt DC direkt den ersten Punkt, zu dem man sich feierlich verpflichtet und der mit Ansage nicht eingehalten wird:

„Ein Fedimin verpflichtet sich, an einer leicht zugänglichen und zentralen Stelle klare und präzise Regeln und Richtlinien darüber zu veröffentlichen, wann Maßnahmen in Bezug auf die Inhalte oder Konten der Nutzer ergriffen werden.“

Es gibt weder klare noch präzise Regeln bei DC, stattdessen vages Wischiwaschi an mehreren Orten, dazu diese Selbstverpflichtung, auf die verwiesen und die nicht eingehalten wird.

Ich interpretiere aus dem Fehlen von Regeln/Maßnahmen ein „Maßnahmen gegen Nutzer kanns keine geben, ansonsten müssts ja dastehen.“ Yay! Und hey: und diese Leute sitzen auf dem Cccamp23 und in Fedi-Austauschgruppen und wollen wem was über Communitymanagement beibringen, es ist im Grunde alles entsetzlich.

Einmal mehr: man erlegt sich auf der digitalcourage-Instanz selber was auch immer auf, aber die Leute, die sich um die Durchsetzung irgendwelcher Serverregeln oder Umgangsformen kümmern sollen, stehen im Regen, weil es weder Regeln noch benannte Sanktionen gibt, auf die sie sich berufen können. Angemerkt: Reticuleena hatte da in der Diskussion einiges abbekommen, das ist einer der Aspekte an der ganzen Geschichte, die mir wirklich leid taten, denn ich sehe sie hier durchaus als Opfer einer vollkommen verpfuschten Administrationspolitik, bei der man strukturell absolut keine Chance hat, überhaupt moderieren zu können. Nachtrag 01/2024: Das tut mir doch nicht leid, weil sie und padeluun geheiratet haben und das „Ich bin die Frau vom Chef und mach trotzdem mal lieber undercover ein wenig Pseudomoderation“ ziemlich das letzte ist. Weiterlesen

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CCCamp: was sollten wir in Zukunft besser können?

Neuland ist schön. Manchmal beunruhigend, aber schön.

Neuland ist schön. Manchmal beunruhigend, aber schön.

Wenn man nicht rauslas, dass ich vom Cccamp23 derbe begeistert war und es ganz weit vorn lag bei den bisher von mir miterlebten Chaosveranstaltungen, dann hab ich was falsch gemacht. Und wenn ich jetzt mit einem „was geht besser?“ komme, dann mitnichten, weil ich was schlecht fand oder gar scheiße. Jetzt kann man „Jammern auf hohem Niveau“ sagen, aber ich denke, einiges ist an sich eher Nobrainer, ein „Ach, stimmt, sollten wir“ und/oder es macht eh Spaß.

Mehr Wiki, mehr Selbstorga online

Eins von mehreren „Früher war mehr…“ und ja, Dinge ändern sich, aber früher war mehr Wiki, und mir kommt das systemrelevant vor. Das Wiki ist immer einer der „Wir organisieren uns selber“-Knotenpunkte gewesen und das ist es jetzt nicht mehr. Ich würde soweit gehen zu sagen, hier sind auch wirklich faktische Designfehler, denn wenn man Selbstorganisation fördern will, dann braucht man einen anderen Einstieg:

Willkommen bei Finde das Wiki

Das scheint mir in mehrfacher Hinsicht nicht die richtigen Signale zu setzen. Einmal weiß man nicht, wo man da jetzt wirklich „selber“ was machen, eintragen, organisieren kann. Soweit ich sehe, kommt man nur über den „Wiki“-Headerlink ins Wiki, und das fiel durch die Bank extrem spartanisch aus. Was der Unterschied zwischen Wiki und Community Content ist? ich weiß es nicht. Channels? Dito. Wenn ich ne self organized Session machen will: wo schreib ich das hin? Ich weiß nicht, wieviel Mehrarbeit entstand, weil eben alles irgendwie von irgendwem irgendwo angemeldet und eingetragen werden musste, weils die Leute nicht einfach selber machen konnten, meine Vermutung wäre aus der Hüfte aber zumindest „Ja.“.

Und drin bevor kleinlich, was mich wirklich ein wenig vor den Kopf stieß, war das „Ihr“. „Ihr seid angekommen!“, „Die Villages – das seid Ihr:“, „…die beliebten Self-Organized Sessions für all Eure spannenden Wissensgebiete.“ Wer ist ihr, bin das auch ich? Wer sagt das zu mir, ist das wer anderes? Ich beantrage nachdrücklich, in allen Campseiten jegliche Nennung von „Ihr“ durch „Wir“ und analog zu ersetzen. Ernsthaft, Camp ist nicht, dass wer auch immer „euch“ willkommen heißt.
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Wikidata/Knowledge Graphen und mein KI-Theoriesteckenpferd

Ein bisschen angedockt ans Cccamp23, aber doch andere Baustelle: Wikidata. Man weiß ja, ich bin ein wenig getriggert von Knowledge Graphen und Wissensorganisation, und ich behaupte mal, Wikidata ist die größte und zugänglichste Plattform zu diesem Thema. Insbesondere im Kontext der aktuell gehypten konversationalen/stochastischen AI-Bots kommt mir das Thema massivst zu kurz, weil man aus Knowledge Graphen halt ableitbare Wahrheiten generieren kann, während die stochastischen Modelle prinzipbedingt auch beliebigen Quatsch generieren können. Mehr dazu und zu meiner „Irgendwer, hoffentlich auch Google, baut KI-Modelle auf Basis von Knowledge Graphen“Theorie nebenan.

Wikidata-Broschüre (und ein Fahrgastrechteformular) vom Cccamp23

Um dieser Theorie wie ein ordentlicher, hart rockender Wissenschaftler die Gelegenheit zu geben, an der Realität zu scheitern, stiefelte ich wie ebenfalls nebenan beschrieben zu Wikimedia und landete in einem allerliebsten Quizabend, der angenehm, aber der Theorieprüfung nicht förderlich war. Weshalb ich tags drauf nochmal hinging, ein längeres Gespräch führte und anschließend leider nicht bedeutend viel mehr wusste. Ein bisschen was gibts aber zu erzählen.

Ob denn der eine oder andere Big Player bekannt wäre, der Wikidata-Inhalte scraped bzw. eine größere Menge Queries absetzt? (Man muss dazusagen, einer meiner Gesprächspartner war Dev des SPARQL-Tools zur Query-Abfrage). Nein, nichts auffälliges. Ja, dass archive.org wegen KI-Training gescraped wurde, habe man mitbekommen, aber nichts in der Art auf Wikidata. Was wiederum aber auch eher unwahrscheinlich sei, weil die Datenmengen angesichts der starken Definitions/Verknüpfungsausrichtung vergleichsweise um Größenordnungen kleiner sei. In Sachen Queries sei damit auch nicht zu rechnen – bevor man massiv Wikidata mit Queries zuschießt, hat man schneller einfach den kompletten Objektbestand gespiegelt und trainiert mit dem Datensatz auf der eigenen Hardware. Weiterlesen

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Cccamp23, Nachträge von zuhause

Wachwildschwein regelt das Family Camp grausam und erhaben

Wachwildschwein regelt das Family Camp grausam und erhaben

So, es ist rum und es war fantastisch. Gleich zum ernsthaften, aber ich muss nochmal mit dem Schwein anfangen. Eine der Sachen, die ich am Camp so liebe, ist einfach die anders justierte Wahrnehmung von so ziemlich allem. Weil ich keine Schlauchzuleitung für das Schwein dabeihatte, bin ich zu Chaos West ins Küchenzelt gestiefelt und gefragt, ob es irgendwas schlauchartiges gäbe, wovon ich einen Meter haben könnte. Es entspann sich folgender Dialog:
– Ist das wichtig? Wofür brauchst du das denn?
– Nun , ich hab da dieses Gummischwein mit Leuchtaugen und da hab ich die Schnauze ausgehöhlt und außerdem hab ich diese Nebelmaschine, aber ich krieg den Nebel der Nebelmaschine nur mit einem Schlauch in die Gummischweinschnauze und hab keinen.
– Ah, alles klar, moment, ich gucke, ich bin sicher, wir hatten da was…

…usw., Schlauchstück wurde gefunden und übergeben.

Ohai Karaoke.

Ohai Karaoke.

Weitere ernste Dinge des Lebens: Digitalcourage enttäuschte wie erwartet weiter. Alvar Freude und Tobias Keber waren da und machten eine offene, unaufgezeichnete Sprechstunde zu Datenschutzfragen, damit eben auch mal bedenkliche und nicht öffentlichkeitstaugliche Situationen besprochen und ggf. gelöst werden konnten. Es ging dann leider viel um einschlägiges Aluhutgedöns a la „kann ich wen verklagen, der eine Überwachungskamera-Atrappe auf öffentlichen Raum richtet?“. Meine Frage war, wie es gehandhabt werden könne, wenn Leute einen Google-Tagmanager selber hosten und dann von außen praktisch nicht mehr nachvollziehbar die per first-party getrackten Daten an weitere externe Datensammler durchreichen. Was soll ich sagen, es ist einer fachlichen Unterhaltung eher abträglich, wenn eine Flachpfeife wie padeluun im Publikum sitzt und qualifizierte Statements der Form „Das ist aber verboten!“ absondert und meint, damit die Kiste zugemacht zu haben, aber wenn man aus der Ecke eh nichts qualifiziertes erwartet, lässt sich auch das wunderbar ertragen. Im Übrigen sind Alvar und Ulrich unglaublich kompetent und engagiert und haben eine geheime Superkraft dahingehend, in einem quasi unüberschaubaren Dickicht von Zu- und Nichtzuständigkeiten nicht nur zu erklären, wie was nun von wem gemacht werden muss, sondern auch, warum das so ist und welche Gründe, Zwänge und durchaus auch guten Ideen jeweils dahinterstehen. Und natürlich, warum manches schlicht eher träge bis scheiße läuft (looking at you, Irland).

Unrelatiert: die örtliche Fußballmannschaft (hier grade in der Kabine)

Unrelatiert: die örtliche Fußballmannschaft (hier grade in der Kabine)

Das Kit liegt hier, ich muss es nur noch zusammenbauen.

Das Kit liegt hier, ich muss es nur noch zusammenbauen.

Im Anschluss zum Talk dann der nächste DC-Idiot, der mir vor dem Zelt erklärte, dass Facebook und Google sogar anhand der Mobilfunknummern Werbung schalten könnten, zwinkerzwonker, alles ganz pöööhse und heimlich. Auf Nachfrage, wie das genau vonstattengehen solle, stellte sich raus, er meinte den Kontaktupload durch Werbekunden. FYI/wen es interessiert: man kann selbstredend Email-Adressen und Telefonnummern in ein Google Ads-Konto reinladen und versuchen, genau diese Leute über Ads zu erreichen. Falls, und nur falls G. die Nummern (Android) oder Mailadressen (G-Acc) kennt und die Leute diesbezüglich eingewilligt haben, darf Google Ads auf der Basis schalten. Selber darf ich die Nummern und Mailadressen natürlich ausschließlich nur dann reinladen, wenn ich die explizite Einwilligung habe. Da ist an diesen Stellen exakt gar nichts grau, illegal, whatever und ich rate allen davon ab, das eben mal unter der Hand zu versuchen, weil nach entsprechendem Auskunftsersuchen durch Betroffene steht man da schnell sehr blöde da. Weiterlesen

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Cccamp23: Sexwork, Tor und DDR-IT, Tage 2 und 3

CCCamp23, Home sweet home.

CCCamp23, Home sweet home.

Eingelebt. Die Toilettensituation ist gelegentlich etwas angespannt, aber bisher hat nur einmal wer nach dem Bitcoinzelt gefragt, also kanns so schlimm nicht sein. Die Bahn ist in Betrieb, die FTPs rennen (es gibt geringfügig, aber mehr als sonst und ich begrüße diese Trendwende!). „Rennen“ auch durchaus im Wortsinn, der Trend geht zu nvme und 10G-Ethernet, und holla!, die Waldfee. Use moar Bandwith.

Nichtsdestotrotz, ich setzte mich in den Talk zum Hacken größerer Kaffeeautomaten für den Firmeneinsatz, musste sehr lachen über eine spannende Mischung von wine-basiertem Windows-Boot auf einer Linux-Variante, die Kaffeezubereitungsparameter intern über HTML-URL-Parameter übergab, die beim Konfigurieren aus JSON-Configs binären Config-Files rausgeparst werden, es war erstaunlichst und es lief auch Doom drauf, nur einen Tag später.

It runs doom, indeed.

It runs doom, indeed.

Chillout-Area. Man beginnt, an Pilze zu denken.

Chillout-Area. Man beginnt, an Pilze zu denken.

Meggy Mayhem zu Sex Work und Überwachung

Meggy Mayhem zu Sex Work und Überwachung

Was überraschendes und passend wie Faust aufs Auge: die mir bislang unbekannte Maggie Mayhem hielt einen Talk zu Sex Work und Überwachung. Was mich grade besonders beschäftigt, weil ich in meiner Freizeit gerade gelegentlich die Mitternachtsmission Dortmund im Netz versuche zu unterstützen. Die Themen in den USA sind wie meist ähnlich wie hier, nur schlimmer: „Rescue“-Organisationen, die in der Regel mit viel Geld und evangelikaler Agenda Sexarbeit und insbesondere Sexarbeitende bekämpfen. Thesen vom Talk: Weiterlesen

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CCCamp23, Ankommen, Tag -1 bis 1

Schaf im Ziegeltunnel, cccamp23, exploitable

Schaf im Ziegeltunnel, cccamp23, exploitable

Das Camp lässt sich wieder ganz wunderschön an und das Hin- und Ankommen war unproblematisch, wenngleich ich immer mehr das Gruseln kriege, wenn ich durch ostdeutsche Dorflandschaften mit allseits akkuratest gemähten und gepflegten Vorgärtchen fahre, und auf dem Land(!) allenthalb ebenso pikobello gewaschene Autos sehe. Man wird älter und dünnhäutiger, und wenn man dann beim Dorfimker vor dem Camp im Fensteraushang den Hinweis sieht, der Honig sei *nicht geimpft*, dann wendet man sich mit Grausen wieder ab und geht zu den normalen Menschen. lernt man, dass es da wohl tatsächlich eine so genannte Methode zum Verhindern von Zuckerauskristallisation gibt und will weiter hoffen.

Normale Menschen haben ein Gummiwildschwein, dem sie Augen und Rüssel aufbohren, um LEDs und Nebelmaschine anzuschließen.

Cyberpig, cyberpig, does whatever a cyberpig does

Cyberpig, cyberpig, does whatever a cyberpig does

Mein Schwein raucht. cccamp23

Mein Schwein raucht. cccamp23

An sich eher als spontanes „Ach, mal Einpacken, vielleicht witzig“– Projekt gedacht, gewinnt man erstaunlich schnell erheblichen Status bei den jüngeren Bevölkerung im Kidspace. Man verkraftet beim spontanen Tragen-helfen von Chaos West-Neuankömmlingen dann auch das „Ja, und das da ist Korrupt“ – „Oh, das ist ja ein witziger Nick“. Irgendwann sind die fünfzehn Minuten Ruhm halt durch und kriegt man nicht mehr direkt spontan harte Drogen angeboten, an sich ja auch OK, aber doch auch etwas schade. Weiterlesen

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