Vor einigen Jahren hatte mir „Fronturlaub“ gefallen, und nachdem nun „Into the Fire“ rausgekommen ist, wars einigermaßen klar Pflichtlektüre. Leseempfehlung vorweg, und eine halbe Parallele zu Fronturlaub: damals dachte ich beim Lesen gelegentlich ein „…ach, ja, die Geschichte kenn ich ja“, was halt viel am sich kennen und gelegentlich zusammenarbeiten kam (Disclosure). Diesmal auch, weil man einiges auch schon im Blog lesen konnte. Was an sich aber keine Rolle spielt, weils einmal ausführlicher ist, ohne irgendwie aufgeblasen zu sein, und weiter in einem größeren Kontext nochmal ein ganz anderes Bild ergibt.
Was mich zu den Inhalten und Geschichten bringt. Ich war ein wenig skeptisch anfangs, weil es eben um verschiedene Reisen in verschiedene Krisengebiete plus einen Coronasommer in Deutschland ging und ab vom „passierte halt nacheinander“ eben alles sehr verschieden ist. Aber halt wieder auch nicht, und das ist das überraschende an der ganzen Zusammenstellung. Enno war mehrmals in Kurdistan und in der Ukraine, einmal in Hongkong, zweimal in Afghanistan, und dazwischen und danach in Berlin, wo wir es einmal mit verstrahlten Covidioten zu tun bekommen und einmal mit der Kunstaktion, in der ein zerschossener Panzer gegenüber der russischen Botschaft aufgestellt wurde. Dazu noch Berichte von Rüstungsmessen und über gepanzerte Fahrzeuge.
Und was nun wie ein Sammelsurium von Krisenherden und -themen klingt, schien mir beim Lesen aber nach und nach ein größeres Ganzes zu ergeben. Und woran das liegt, da krieg ich nicht mal genau den Finger drauf. Man kann natürlich sagen, dass die aktuellen Krisenlagen natürlich auch ihre Überschneidungen und Bedingtheiten haben – sowas wie der Angriffskrieg Russlands und die Haltung des Westens sind natürlich auch Rahmenbedingungen für chinesische Pläne in Bezug auf Hongkong oder Taiwan. Das wird einen Teil ausmachen. Weiter auch Ennos klare Ansage, dass er absolut kein Interesse an „Neutralität“ habe. Was wieder eine ganz interessante „Neutralität“ der Berichte erzeugt, die sich durchzieht: dass Menschen sich gegenseitig helfen, egal, was gerade die Rahmenbedingungen sind oder woher das Gegenüber kommt, wird zum einen regelmäßig auch unter ungünstigsten Bedingungen beobachtet. Enno legt das weiterhin permanent als Maßstab für anderes Handeln an, egal, obs um Kabul oder Berlin-Mitte geht. Und das verschiebt gelegentlich die Perspektive in unerwartete Richtungen.
Einschub: in der Ecke seh ich auch das eine Problem, das ich gelegentlich beim Lesen hatte: so sehr ich die Bissigkeit angesichts hiesiger Wohlstandsverwahrlosung und aktiver Selbstverblödung gewisser deutscher Bevölkerungsgruppen nachvollziehen bzw. mitempfinden kann, schien mir da gelegentlich der Twitter-Troll- und Deppenfrust ein wenig pauschal auf die Gesellschaft als solche ausgekippt. Aber wie gesagt, nachvollziehbar und durchaus erträglich.
Was wahrscheinlich als stärkstes „verbindende Element“ wirkt, ist Ennos Herangehensweise an Region, Situation und Menschen. Man begegnet ständig – wenns nicht grade um eine Rüstungsmesse geht – gewöhnlichen Leuten (mit überdurchschnittlichen Anteil an Idealisten, die was mit der Hand am Arm verbessern wollen). Leuten auf der Straße, Zufallsbegegnungen auf Demos, in Cafes, auf der Straße. Es ist ganz witzig, wenn man bedenkt, was Enno schon an „wichtigen“ Leuten getroffen hat: seine Geschichten drehen sich trotzdem fast immer um die, die am anderen Ende der Befehlskette mit den jeweiligen Rahmenbedingungen irgendwie umgehen müssen. Und statt auf verschiedene politische Bekundungen und ideologischer Grundsatzklärung stößt man dann eben auf den Pragmatismus, die Menschlichkeit, die Hoffnungen und auch auf die Verzweiflung dieser Menschen, mit dann doch erstaunlich grenzüberschreitender Ähnlichkeit. Mir scheinen das wichtige Stimmen, die man auch und grade in unserer Social Media- und geschichtenzelebrierender-Journalismus-Zeit nicht in der Form hört bzw. liest. Weiterlesen